Ein Raddampfer auf dem Mississippi

Von der Kogge zur modernen Seeschifffahrt

Das Zeitalter der Dampfschiffahrt

Die ersten Dampfschiffe fuhren bereits Ende des 18. Jahrhunderts, anfangs vor allem auf Flüssen und in geschützten Gewässern. Mitte des 19. Jahrhunderts begann mit der Einführung der Dampfmaschine auch in der Schifffahrt ein neues Zeitalter.

Von Ulrich Neumann

Die ersten Raddampfer

Den ersten kommerziellen Erfolg feierte der Amerikaner Robert Fulton, der 1807 einen Schiffspassagierdienst mit dem Raddampfer "Clermont" auf dem Hudson River einrichtete. Nach dessen Vorbild wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Europa die ersten Dampfschiffe in Betrieb genommen.

Noch vor der Einführung der ersten Eisenbahnlinie wurde in Berlin 1817 der Raddampfer "Prinzessin Charlotte von Preußen" in Dienst gestellt.

Das Schiff verfügte damals noch über nur ein Schaufelrad, das in der Mitte des Rumpfes untergebracht war. Da sich solche Schiffe nur sehr schlecht manövrieren ließen, wurden später Raddampfer mit Schaufelrädern auf der Steuerbord- und auf der Backbordseite oder mit Heckantrieb gebaut.

Vor allem in den USA kamen ab Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr Dampfschiffe zum Einsatz. Legendär sind bis heute Raddampfer wie die "Natchez", die auf dem Mississippi unterwegs waren. In der Blütezeit machten allein im Hafen von New Orleans jährlich bis zu 35.000 Dampfer fest.

Auch in Europa wurden Raddampfer im Postliniendienst und in der Passagierschifffahrt in Dienst gestellt. So fuhr 1880 der auf der Papenburger Meyer-Werft gebaute "Salonschnelldampfer Augusta" im regelmäßigen Schiffspassagierbetrieb zwischen der Stadt Leer und den Ostfriesischen Inseln Borkum und Norderney.

Die Dampfer erobern die Weltmeere

Bald waren auch die ersten Raddampfer auf hoher See unterwegs. Bei hohem Seegang konnten die Schaufelräder aber oft nicht ausreichend Schubkraft entfalten. 1818 überquerten die ersten Raddampfer den Ärmelkanal, 1838 gelang gleich zwei Dampfschiffen die erste Überquerung des Atlantiks.

Eines davon war der Raddampfer "Sirius", der in der irischen Hafenstadt Cork startete. Das Hauptproblem bestand damals noch darin, genügend Brennstoff an Bord unterzubringen. Die Chronisten berichten, dass die Mannschaft der Sirius in ihrer Not die Kabineneinrichtung, überflüssige Takellage und am Ende gar einen Mast verfeuern musste, um das Ziel zu erreichen.

Zu allem Überfluss lief die Sirius auch noch kurz vor dem Ziel auf Grund und musste das nächste Hochwasser abwarten, um den Hafen von New York zu erreichen.

Das wusste die Konkurrenz zu nutzen. Vier Tage nach der Sirius war in Bristol das Dampfschiff "Great Western" gestartet. Zwar klagten die Passagiere über Seekrankheit und auch die Heizer sollen wegen der harten Arbeit unter Deck so erschöpft gewesen sein, dass ihre Arbeit kaum durchhalten konnten.

Dennoch erreichte die Great Western bereits nach 14 Tagen ihr Ziel. Sie traf – obwohl vier Tage später gestartet – gleichzeitig mit der Sirius am 23. April 1838 in New York ein.

Schifffahrtslinien in die Neue Welt

Der regelmäßige Schiffslinienverkehr zwischen Europa und den USA gewann Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Schiffsreisen in die USA galten damals in wohlhabenden Kreisen als schick und modern. Zunehmender Luxus an Bord machte diese Art des Reisens zu einem besonderen Vergnügen.

Davon konnten die armen Auswanderer nur träumen. Die Menge der Ladung bestimmte den Profit und die Auswanderer reisten in extra eingebauten Zwischendecks. Waren es zunächst die von Hungersnöten geplagten Iren, die 1845 eine erste große Auswanderungswelle einleiteten, so wanderten später vor allem Italiener und verfolgte Juden aus Osteuropa in die Neue Welt aus.

Plakat: Der Passagierdampfer 'France' (Baujahr 1912) bei der Einfahrt in den Hafen von New York.

Der Passagierdampfer "France"

Durch die steigende Nachfrage an Überfahrten verbesserten sich nach und nach auch die Reisebedingungen. Die Zahl der Dampfschiffe wuchs und die Blütezeit der Passagierschifffahrt begann. Weiterhin wurden auch viele Fertigprodukte und Rohstoffe per Dampfschiff auf regelmäßigen transatlantischen Linien verschifft.

Zunächst konnten die traditionellen Frachtensegler noch dem zunehmenden Wettbewerbsdruck durch Dampfschiffe standhalten. Auf schwierigen Passagen wie zum Beispiel um das Kap Hoorn waren sie noch schneller unterwegs, doch das Ende der Ära der Großsegler begann sich abzuzeichnen – vor allem als 1869 der Suezkanal eröffnet wurde und der Seeweg nach Südostasien deutlich kürzer und einfacher wurde.

Dampfer 'Columbus' des Norddeutschen Lloyd

Dampfer "Columbus" des Norddeutschen Lloyd

Das Ende der Großsegler

Das Ende der Großsegler und der Beginn der Dampfschifffahrt revolutionierte den gesamten Schiffsbau sowie die Arbeitswelt auf den Schiffen und im Hafenbetrieb. Es war zugleich der Übergang vom Holz- zum Stahlschiffsbau. Und mit den Stahlschiffen und dem zunehmenden Handelsverkehr entstanden völlig neue Berufe, sowohl an Bord der Schiffe wie auch in den Werften und im Hafenbetrieb.

Statt Segelmachern wurden nun Heizer gesucht. Statt Schiffszimmerleuten brauchte man nun Maschinenbauingenieure. Und für das Wohl der betuchten Passagiere sorgte fortan der Steward.

Auch in der Werftindustrie kam es zu einem enormen Strukturwandel, dem viele auf den Holzbootsbau spezialisierte Werfen nicht gewachsen waren. Statt Tischlern und Zimmerleuten waren nun Schlosser gefragt, die das metallverarbeitende Gewerbe beherrschten. Im Hafen selbst wurden ebenfalls neue Berufe geschaffen: Der enorme Zuwachs beim Frachtaufkommen erforderte viele Arbeiter, die sich um das schnelle Be- und Entladen der Waren und ihre anschließende Verteilung kümmerten.

Quelle: SWR | Stand: 20.05.2020, 16:50 Uhr

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