Vier leuchtende Ceranfelder eines Herdes.

Glas

Spezialglas

Architektur, Autos, Brillen, Mikroskope und Kameras: Glas spielt in vielen Bereichen des Alltags eine Rolle.

Von Bärbel Heidenreich

Glas mit besonderen Eigenschaften

Jahrtausendelang wurde Glas vor allem bewundert, weil es schön bearbeitet war. Die kunstvolle Fertigung stand im Vordergrund. Doch mit dem Aufkommen der Naturwissenschaften ab Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt der Werkstoff Glas neue Aufgaben.

Das Glas sollte möglichst hitze- , säure- und temperaturbeständig sein, geeignet für Laborbehältnisse, Thermometer und Glühbirnen. Das traditionelle Glas taugte auch nicht für die Herstellung von Mikroskoplinsen. Schlieren, Blasen und Einschlüsse machten genaue Beobachtungen unmöglich.

Otto Schott, ein junger arbeitsloser Chemiker, sah darin eine Herausforderung. Er schaffte es, völlig neue Glastypen herzustellen.

Für besondere Anforderungen ein spezielles Glas, so lautete seine Devise. Mit der Gründung des "Glastechnischen Laboratoriums Schott und Genossen" 1884 in Jena begann erstmals in der Geschichte des Glases die Herstellung von Spezialgläsern auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungen.

Schwarzweiß-Porträt von Otto Schott als älterer Mann mit Schnurrbart.

Otto Schott begründete die moderne Glaswissenschaft

Tannenbaumschmuck und Isoliermaterial

Glasfäden aus der Schmelze zu ziehen, war schon immer beliebt. Man benutzte sie zum Beispiel als Dekor auf Schalen und Bechern. Die Fäden wurden immer dünner und im 19. Jahrhundert sogar faserdünn.

Engelshaar nannte man die gelockte Glasfaser. Sie wurde gerne als Weihnachtsschmuck benutzt. Glasbläser führten auf Weihnachtsmärkten diese kunstvolle Arbeit dem Publikum vor.

Als Spezialglas, mit speziellen Zusatzstoffen in der Glasschmelze, ist die Glasfaser heute ein Industrieprodukt. Tritt die Glasschmelze aus den Düsen, wird mit hoher Geschwindigkeit die Endlosfaser auf eine Spule oder eine Trommel gewickelt.

Als Isolierglasfaser wird sie zum Beispiel in der Bauindustrie benutzt, als Textilfaser zum Verstärken von Kunststoffen. Es gibt Boote aus glasfaserverstärktem Kunststoff, Glasfaser als Isoliermaterial in der Elektroindustrie, als Filtermaterial in der chemischen Industrie oder als Glasfasergewebe zum Feuerschutz für Tapeten und Vorhänge.

Goldenes Engelshaar liegt auf einem Zweig an einem Tannenbaum.

Glasfaser auf dem Tannenbaum

Leuchtende Glasfaser

Eine andere Art Glasfaser ist die Lichtleitfaser, ein dünner biegsamer Faden aus Glas mit einem Durchmesser von wenigen hundertstel Millimetern. Im Inneren dieses Fadens ist das Glas ein hochbrechendes optisches Glas. Umhüllt ist dieser innere Faden von einer niedrig brechenden Glasqualität.

Fällt nun am einen Ende des Fadens Licht ein, wird dieses durch den optischen inneren Faden weitergeleitet und strahlt am andere Ende wie eine Miniaturlampe. Die niedrig brechende Glasqualität des äußeren Glasmantels verhindert, dass das Licht auf dem Weg bis zum Ende des Fadens ausstrahlen kann.

Dieser Mantel verhindert auch, dass das Licht, das durch den einen Faden geführt wird, auf einen daneben liegenden Faden überwechselt. Nebeneinander liegende Fäden können also zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten Licht weiterleiten, ohne sich zu beeinflussen.

Glasfaser für das Internet

Wieder andere Eigenschaften besitzt das Glas, aus dem die Glasfaser für die Datenübertragung und das Fernmeldewesen gemacht ist. Auch sie leitet Licht, aber noch viel sauberer. Das Glas muss so rein sein, dass ein 20 Kilometer dicker Block davon theoretisch genau so transparent wäre wie eine Fensterscheibe.

Auch diese Glasfaser besteht aus einem inneren Faden, der das Licht kanalisiert, und einer Hülle, die die diffusen Lichtstrahlen ständig in den inneren Faden zurückwirft, so dass kein Licht verloren geht.

Bilder und Töne lassen sich damit besonders schnell und in großen Kapazitäten übertragen. Elektrische Signalimpulse werden von den Stationen in Lichtwellen umgewandelt und an das andere Ende gejagt. Beim Empfänger werden diese Lichtsignale wieder in Stromimpulse umgewandelt, um Hör- und Bildgeräte anzusteuern.

Ein Glasfaberkabel mit mehreren Strängen.

Glasfaserkabel zur Datenübertragung

Temperaturschocks in Weltraum und Küche

Wo plötzliche Hitze- oder Kälteschocks auftreten und dazu noch eine hohe Präzision erforderlich ist, ist ein Spezialglas erforderlich. Spiegelträger für Teleskope im Weltraum zum Beispiel sind Temperaturschocks ausgeliefert. Die optischen Eigenschaften dürfen dadurch aber nicht beeinflusst werden.

Das Spezielle an solch einem optimalen Glas ist, dass es nur zu 30 Prozent aus Glas besteht und zu 70 Prozent aus Keramik – eine sogenannte Glaskeramik.

Die Mischung aus Glas und keramischen Kristallen macht es möglich, dass das Material nicht platzt, wenn es plötzlich großen Temperaturwechseln ausgeliefert ist.

Wird die Glaskeramik plötzlich erhitzt, dehnt sich das Glas aus und die Keramikkristalle ziehen sich zusammen. Wenn die Glaskeramik einen extremen Kälteschock erfährt, schrumpft das Glas und die keramischen Kristalle dehnen sich aus.

Diese beiden Materialien schaffen immer den perfekten Ausgleich. Die Ausdehnung des einen Materials ist immer genau so groß wie das Schrumpfen des anderen Materials. Daher gibt es keine Spannungen. Was ursprünglich für Weltraumforschung entwickelt wurde, ist für den Hausgebrauch auch ganz praktisch – bei Kochfeldern aus Glaskeramik.

Glas gegen Unerwünschtes

Graue oder bronzefarbene Verglasung an Gebäuden gibt es schon lange. Diese Tönung sollte lediglich das Licht dämpfen. Daneben gibt es spezielle, gelb gefärbte Lichtschutzgläser, die das ultraviolette (UV) Licht filtern.

Praktischer ist es natürlich, wenn die Sonne nur bei sommerlicher Hitze abgehalten wird, nicht aber in den kalten Wintermonaten. Genau das leisten sogenannte solaraktive Fenster. Im Sommer schirmen sie die UV-Strahlen ab, und im Winter dürfen die Strahlen hinein.

Hochhausfassade aus Glas.

Bei Sonne bleibt es innen trotzdem kühl

Wenn Glas klebt

Der französische Chemiker Édouard Bénédictus entdeckte das Verbundglas schon 1903 durch einen Zufall: In seinem Labor fiel eine Flasche aus dem Regal und zerbrach nicht.

Er fand heraus, dass sie einmal Nitrocellulose enthalten hatte, die verdunstet war und einen Film an der Flaschenwand gebildet hatte. Der Film hatte die Scherben der Flasche zusammengehalten.

Die Idee zur Herstellung von "verklebtem Glas", dem Verbundglas, war geboren. Ein Glas, das ohne scharfe Ränder in lauter kleine Bruchstücke zerfällt. Vor allem für die Frontscheiben von Autos wird es benutzt.

Heute besteht eine Verbundscheibe aus mindestens zwei Scheiben, die durch eine Zwischenschicht aus Kunststoff zusammengeklebt sind. Kleben mehrere solcher Scheiben aneinander, sind sie sogar schusssicher. Geldtransportfahrzeuge werden mit solch einem Panzerglas ausgestattet.

Ein etwa faustgroßer Stein in der Frontscheibe eiens Autos. Die Scheibe ist lediglich angerissen.

Frontscheiben halten heute viel aus

Wenn es im Glas gleichzeitig zieht und drückt

Für die Seiten- und Heckscheiben der Autos verwendet man sogenannte vorgespannte Glasscheiben. Vorspannen kann man eine Heckscheibe erst, nachdem sie fertig zugeschnitten, rund gebogen und mit allen nötigen Bohrlöchern versehen ist. Dann wird sie erhitzt und mit einer Luftdusche schnell abgekühlt. Die Oberfläche wird dadurch fest, während das Glas im Inneren noch heiß ist.

Dieses innere Glas würde normalerweise einfach etwas später abkühlen und sich dabei zusammenziehen. Das geht nun aber nicht mehr, weil das äußere Glas schon fest ist. Das innere Glas kommt daher unter Zugspannung, während das äußere unter einer Druckspannung steht. Auf diese Weise wird auch die einzelne Glasscheibe biegefest.

Dünnglas für Touchscreens

Elastisch ist Glas auch, wenn es besonders dünn ist. Heute kann man feinste Stärken herstellen: sogenanntes Dünnglas bis 0,3 Millimeter stark. Dieses Material wird vor allem für Displays oder "Touchscreen"-Scheiben benutzt.

Auf diesen Displays oder Bildschirmen kann man mit dem bloßen Finger seine Auswahl treffen, zum Beispiel beim Geldautomat in der Bank, als Bedienungsfeld von Elektrogeräten und Verkaufsautomaten.

Das funktioniert technisch sehr unterschiedlich. Zum Beispiel so: Die Unterlage ist eine dicke Glasscheibe. Darauf liegt eine hoch transparente, leitende, gelartige Schicht und darüber dann die Schicht Dünnglas. Der Fingerdruck genügt, um den Impuls durch das Dünnglas hindurch auf die Sensoren darunter weiterzugeben.

(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 04.12.2018)

Quelle: WDR

Darstellung: