Die Fassaden von Plattenbauten in Berlin Mitte in der Nähe des Alexanderplatzes.

Werkstoffe

Beton

Beton ist als Baustoff umstritten. Viele Menschen verbinden mit ihm graue Vorstädte und einfallslose Massen-Architektur. In den 1960er-Jahren wurde sogar der Slogan "Beton macht krank" geprägt. Für andere dagegen ist Beton das schönste Material überhaupt.

Von Christiane Tovar

Die Römer und ihr "opus caementitium"

Namhafte Künstler wie Walter Gropius und Le Corbusier arbeiteten mit dem Baustoff und entwarfen daraus unter anderem Hochhäuser und Villen. Doch ob man Beton mag oder nicht, eines steht fest: Ohne ihn sähe die Welt anders aus.

Mehrere Milliarden Kubikmeter Beton werden pro Jahr weltweit verbaut. Das ist nur möglich, weil das Material so vielfältige Möglichkeiten bietet. Architekten sind besonders von den Gestaltungsmöglichkeiten des Betons begeistert, denn er lässt sich in nahezu alle Formen gießen.

Hergestellt wird Beton aus Zement, Wasser und sogenannter Gesteinskörnung, einer Mischung aus Gesteinskörnern in unterschiedlichen Größen. Dazu kommen noch Zusatzstoffe wie Kalksteinmehl oder Steinkohleflugasche. Sie verbessern unter anderem die Dichtigkeit, der Beton wird also weniger durchlässig für Feuchtigkeit.

Beton hat eine lange Tradition. Schon die Baumeister im alten Rom waren auf der Suche nach einem Material, das den Naturgewalten standhielt. So entwickelten sie das "opus caementitium".

Es wurde aus Steinen, Sand, gebranntem Kalkstein und Puzzolanerde gemischt. Die Puzzolane, die aus Vulkanasche gewonnen wurden, spielten dabei die zentrale Rolle, denn sie funktionierten als Bindemittel und machten das Material wasserbeständig.

Kuppel für die Ewigkeit

Mit dem "opus caementitium" entstanden so imposante Bauwerke wie das Pantheon in Rom, das im 2. Jahrhundert nach Christus gebaut wurde. Die Kuppel des antiken Heiligtums hat einen Durchmesser von 43 Metern und gilt nicht nur für damalige Verhältnisse als ein Meisterwerk der Bautechnik.

Möglich wurde die freitragende Konstruktion unter anderem durch die besondere Beschaffenheit des "opus caementitium", das mit zunehmender Höhe der Kuppel anders zusammengesetzt war.

Das Pantheon in Rom mit Säulen und Fußgängern im Vordergrund.

Das Pantheon: Auch heute noch eine Attraktion


Erst 1911 gab es mit der Jahrhunderthalle in Breslau eine Kuppel mit einem größeren Durchmesser, nämlich 65 Metern. Im alten Rom entstanden mithilfe des Beton-Vorläufers nicht nur imposante Gebäude, auch Straßen und Wasserleitungen wurden mit dem wasserbeständigen Material gebaut.

Zu den letzten wichtigen italienischen Bauwerken in der römischen Tradition gehört der Schiefe Turm von Pisa, mit dessen Bau 1173 begonnen wurde.

Essig, Mehl und Wein

Während die Römer die Bautechnik mithilfe des "opus caementitium" revolutionierten, wurde es im Mittelalter still um das Material. Die Puzzolane, die die Mischung so besonders machten, wurden nicht mehr beigemischt, jetzt bestand der in der Regel verwendete Baustoff aus reinem Lehm, Kalk oder Sand. Essig oder Mehl sollten die nötige Festigkeit geben.

Beim Bau des Wiener Stephansdoms im 15. Jahrhundert soll sogar Wein als Bindemittel verwendet worden sein. Doch richtig zufrieden waren die Baumeister nicht mit ihrem Material.

Erst der Engländer John Smeaton beschäftigte sich rund 300 Jahre später intensiv mit der Materie. Im Mittelpunkt seiner Versuche stand der Zement, der ein wichtiger Bestandteil des Betons ist. Er fand heraus, dass der Anteil von Ton bei der Mischung von Zement eine wichtige Rolle spielte, weil er ihn besonders fest und wasserbeständig machte.

Außerdem kam er wieder auf die Puzzolanerde zurück und verwendete zusätzlich einen speziellen Kalk. Mit dem Gemisch baute Smeaton einen zerstörten Leuchtturm wieder auf.

Schwarzweiß-Stich von John Smeaton mit Perücke, in einem Sessel sitzend.

John Smeaton begründete das Bauingenieurwesen

Bastler und Pioniere

Zu den Pionieren bei der Entwicklung von Zement gehörte auch Joseph Aspdin. Der englische Maurermeister mischte Anfang des 19. Jahrhunderts Ton mit Kalkstein und nannte das Ergebnis "Portland-Cement". Damit gilt er als Mitbegründer des modernen Betonbaus, denn Zement bildet zusammen mit Wasser den Zementleim, der die Steine im Beton zusammenhält.

Dass auch die Temperatur bei der Herstellung von Zement wichtig ist, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Das fand der Engländer Isaac Charles Johnson 1844 heraus, als er die Mischverhältnisse von Kalk und Ton verbesserte und bis zum beginnenden Schmelzpunkt auf rund 1400 bis 1500 Grad Celsius erhitzte. Daraufhin dehnte sich die Herstellung von Portland-Cement immer weiter aus, 1855 gab es das erste deutsche Zementwerk in Stettin.

Zeitgleich machten andere Handwerker weitere Versuche, indem sie zum Beispiel Eisengitter mit Beton verfüllten. Auf diese Weise konnte der neue Baustoff Zugspannungen aushalten und ließ sich in ganz unterschiedliche Formen bringen. 1867 meldete der Franzose Joseph Mondier ein Patent auf seine Blumenkübel an, in deren Kern ein Drahtgeflecht steckte – der Stahlbeton war geboren.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Amerika das erste Hochhaus aus Stahlbeton gebaut: das "Ingalls Building" in Cincinnati mit 16 Stockwerken. Weltweit arbeiteten Ingenieure in den folgenden Jahren an einem Beton, der durch vorgespannte Stahlseile unter Spannung gesetzt wurde. Ziel war es, freitragende Konstruktionen wie zum Beispiel Brücken möglich zu machen.

Bauarbeiter beim Flechten von Eisenmatten

Stahlbeton machte den Bau von Hochhäusern möglich

Beton heute – ein Baustoff für alle Fälle

Heute ist aus der ursprünglichen Mischung aus Zement, Gestein und Wasser ein hochtechnisierter Baustoff geworden. Je nach Mischung und Zusatzstoffen soll er den unterschiedlichsten Bedürfnissen gerecht werden.

So gibt es zum Beispiel Betonsorten, die besonders schalldicht sind, andere bieten einen hohen Brandschutz und wieder andere sind sehr tragfähig. Auch diese Vielseitigkeit macht den Baustoff so beliebt. Dazu kommt, dass er relativ günstig, verhältnismäßig unempfindlich und langlebig ist.

Das heißt aber nicht, dass man Beton sich selbst überlassen kann. Werden nämlich Risse nicht verfüllt, wird der Baustoff nicht nur unansehnlich, sondern auch unsicher. Das Stahlgerüst unter der Außenhaut beginnt zu rosten und die Tragfähigkeit lässt nach.

Einige Baubiologen bemängeln außerdem, dass Beton nicht atmungsaktiv ist und sind der Meinung, dass darunter das Raumklima und die Gesundheit der Bewohner leiden.

Aufgeplatzter Beton an einer Autobahnbrücke.

Beton hält nicht ewig

Material mit Zukunft?

Doch seine Undurchlässigkeit ist nur einer der Gründe für das schlechte Image des Baustoffs, das vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren geprägt wurde. Damals entstanden riesige Siedlungen aus Beton. Die Hochhäuser, die zunächst als modern und fortschrittlich galten, wurden mit der Zeit unansehnlich, Beton kam in Verruf.

Die Industrie reagierte mit groß angelegten Kampagnen – und tatsächlich ist Beton inzwischen wieder salonfähig. Heute wird er als moderner Baustoff vermarktet, der nicht zuletzt durch seine besondere Ästhetik ansprechen soll.

Das ist ein Grund, warum Beton auch optisch weiterentwickelt wird. Sichtbare Betonflächen sind in Wohnräumen und in öffentlichen Gebäuden häufig. Es gibt gefärbten Beton und verschiedene Oberflächen.

So kann Sichtbeton sehr rau oder fein sein, oder man kann andere Materialien einarbeiten, zum Beispiel Steine. Auch für Waschbecken, Heizkörper, Arbeitsplatten und Möbel wird der Baustoff benutzt. Künstler verarbeiten das Material in ihren Objekten.

Wie vielseitig Beton ist, will die Industrie auch mit der Betonkanu-Regatta zeigen. Sie wird regelmäßig auf deutschen Seen und Flüssen veranstaltet. Und tatsächlich: Die Betonboote schwimmen wirklich.

Kunstwerk mit zwei umbauten Autos

Beton-Cadillacs von Wolf Vostell

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 17.03.2021)

Quelle: WDR

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