Neue Baustoffe – neue Brücken

Planet Wissen 03.11.2023 05:49 Min. Verfügbar bis 03.11.2028 SWR

Architektur

Brücken

"Aus Grenzen sollen Brücken werden", erklärte der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Polen im Jahr 1990. Ein gut gewähltes Sinnbild: Bereits seit der Antike verbinden Brücken nicht nur Ufer, sondern immer auch Menschen und Kulturen.

Von Jennifer Dacqué

Hindernisse überwinden

Wann Menschen die erste Brücke bauten, ist nicht bekannt. Doch archäologische Funde legen nahe, dass bereits im Europa der Jungsteinzeit (Neolithikum, um 5500 bis 2200 vor Christus) Holzpfade über gefährliche Moorlandschaften angelegt wurden.

Die ersten Holzbrücken in Mitteleuropa stammen aus der Bronzezeit (etwa 2200 bis 800 vor Christus). Am oberen Zürichsee zum Beispiel entdeckten Forscher an einer Untiefe zahlreiche Pfähle, die tief in den Grund gerammt worden waren und früher wohl eine Brücke trugen. Ihr Alter wird auf über 3500 Jahre geschätzt.

Doch was trieb die Menschen überhaupt dazu, Brücken zu bauen? Die offensichtliche Antwort ist natürlich: um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Sofern das Hindernis aber ein Fluss ist, wäre dies auch mit einem Boot oder Floß gelungen.

Der Grund war vielmehr ökonomischer Natur. Die Menschen wollten Zeit sparen. Durch Brücken konnten sie lange und womöglich gefährliche Umwege vermeiden, zum Beispiel durch Täler und Schluchten. Der Transport der Ernte oder später auch anderer Waren war so wesentlich schneller und einfacher zu bewältigen.

Zusätzlich erweiterte sich durch Brücken der Wirkungskreis vieler Siedler. Kontakt und Handel mit anderen Dörfern wurden durch die festgelegten Transportwege wesentlich vereinfacht. In den meisten Fällen sind diese wirtschaftlichen Aspekte auch heute noch die wichtigsten Argumente für einen Brückenbau.

Eine moderne Seil-Hängebrücke im Brasilianischen Regenwald

Schnell über die Schlucht: Eine Hängebrücke in den Tropen

Inspiration aus der Natur

Ob umgestürzte Bäume, die einen Weg über Bäche oder Schluchten boten, natürliche Steinbrücken, geschaffen durch Erosion, oder Dschungelpflanzen, deren lange Lianen zwischen den Bäumen hingen: Die ersten Brückenbauer entnahmen die Ideen für ihre Konstruktionen stets der Natur. Noch immer basieren viele der heutigen, modernen Brückenvarianten auf denselben statischen Prinzipien wie ihre natürlichen Vorgänger.

Auch die verwendeten Baumaterialien orientierten sich im größten Teil der Brückengeschichte an natürlichen Vorbildern. In Asien, auf dem indischen Subkontinent und in Südamerika wurden ebenfalls bereits in der Bronzezeit Brücken aus Holz und Stein gebaut. Hier wurden aber auch tropische Pflanzenfasern (zum Beispiel Lianen) benutzt, um Seile zu flechten und Hängebrücken zu errichten.

Die ersten Bogenbrücken aus Naturstein wurden wahrscheinlich von den Römern angelegt – und das im ganzen Imperium. So gilt als erwiesen, dass die älteste Steinbrücke Deutschlands etwa im Jahr 45 nach Christus von den römischen Besatzern gebaut wurde. Noch heute sind Teile ihrer Pfeiler auf dem Grund der Mosel nahe Trier zu finden.

Neue Baustoffe, neue Möglichkeiten

Erst mit Beginn der Industrialisierung zum Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten die Menschen neue Materialien für den Brückenbau. So konstruierte Abraham Darby III. im englischen Coalbrookdale die erste gusseiserne Brücke der Welt. Keine 100 Jahre später begann man zudem damit, in Brücken aus Gusseisen zusätzlich Beton einzuarbeiten, um deren Stabilität zu verbessern.

Eine regelrechte Revolution im Brückenbau bewirkte schließlich der französische Ingenieur Eugène Freyssinet in den 1930er-Jahren. Er war der erste, dem es gelang, Spannbeton effektiv im Brückenbau einzusetzen.

In diesem Prinzip, das bereits vorher erfolglos von anderen Baumeistern ausprobiert worden war, wird der Beton – vereinfacht gesagt – in einen minimal nach oben gewölbten Bogen gepresst. Wenn dieser Bogen später von oben belastet wird, verformt er sich zu einer geraden Ebene. Die Brücke hängt also nicht nach unten durch und bleibt somit stabil.

Die Müngstener Brücke im Bergischen Land

Eisenbrücke in 107 Metern Höhe: die Müngstener Brücke

Zug oder Druck – wie die Kräfte wirken

Ebenso groß wie die Vielfalt der Baumaterialien ist auch die der Brückenformen. Die noch heute häufigsten Konstruktionen sind die Balkenbrücke, die Bogenbrücke, die Hängebrücke und die Schrägseilbrücke.

Die Balkenbrücke ist die einfachste Variante. Sie basiert auf demselben Prinzip wie der Baumstamm über einer Schlucht: Dabei wird ein Balken aus Holz oder Stein auf Stützpfeilern befestigt.

Naturgemäß ist die Spannweite solcher Brücken mit nur zwei Pfeilern begrenzt, da sich der Balken bei einem zu großen Abstand in der Mitte nach unten durchbiegt und schlimmstenfalls bricht. Durch weitere Stützpfeiler kann man diesem Effekt entgegenwirken und die Brücke nahezu beliebig verlängern. Doch die sichere Verankerung dieser Pfeiler, zum Beispiel in Flussbetten, kann schwierig sein.

Auf Bogenbrücken wirken hingegen ganz andere Kräfte. Hier wird auf den Balken, also den Fußweg oder die Fahrbahn, kein Zug nach unten, sondern ein Druck nach oben ausgeübt. Durch die Bogenform bündeln sich die Kräfte auf dem höchsten Punkt der Brücke. Je nach Größe des Bogens oder Anzahl der Bögen können mit dieser Konstruktion sehr große Weiten überspannt werden. Der längste Bogen der Lu-Pu-Brücke in Shanghai etwa misst 550 Meter.

Grafik auf der schematisch eine Balkenbrücke, Bogenbrücke und Hängebrücke dargestellt sind; mit farbigen Pfeilen sind die Kräfte die wirken eingetragen.

Brückenformen und ihre Kräfteverteilung

Jede Menge Seile

Will man mit einer Brücke noch größere Weiten ohne viele Stützpfeiler (zum Beispiel sehr breite Flüsse oder Meeresengen) überwinden, kommt man um den Einsatz von Seilen nicht herum.

Hängebrücken beeindrucken immer wieder durch ihre riesigen Ausmaße. Zwar benötigt auch diese Konstruktion Stützpfeiler im Boden, doch es kommen weitaus weniger Pfeiler für eine größere Spannweite zum Einsatz als bei Balken- oder Bogenbrücken.

Zum Bau von Hängebrücken werden an (üblicherweise zwei) riesigen Pylonen Tragseile aus Stahl befestigt. Von diesen Hauptseilen führen zahlreiche weitere Metallkabel senkrecht nach unten, welche die Fahrbahn halten. Die wohl berühmteste Hängebrücke der Welt, die Golden Gate Bridge bei San Francisco, überspannt durch diese Bauweise eine Strecke von 1281 Metern.

Brückentypen

01:15 Min. Verfügbar bis 29.09.2025

Doch Hängebrücken haben auch Nachteile: Aufgrund der über weite Strecken frei schwebenden Fahrbahn sind sie recht anfällig für extreme Windeinwirkung. 1940 wurde dies auf tragische Weise deutlich, als die Tacoma Narrows Bridge im US-Bundesstaat Washington nach zunächst heftigem Schwanken schließlich einstürzte. Wegen der starken Schwingungen wurde die Brücke als "Galloping Gertie" berühmt.

Ähnlich anfällig sind auch Schrägseilbrücken, die auf demselben Prinzip wie Hängebrücken beruhen. Hier verlaufen jedoch mehrere Trageseile von den Pylonen schräg direkt auf die Fahrbahn. Weitere senkrechte Seile wie bei der Hängebrücke gibt es in der Regel nicht. Kombinationen aus Hänge- und Schrägseilbrücken sind sehr selten.

Wohl auch wegen dieser Schwächen von Seilbrücken wurde eine der längsten Straßenbrücken der Welt nach dem ältesten und einfachsten Prinzip konstruiert: Der Bang Na Expressway in Thailands Hauptstadt Bangkok ist eine Balkenbrücke – mit einer Länge von etwa 54 Kilometern und 1278 Stützpfeilern.

Der Bau der Hochmoselbrücke

Planet Wissen 03.03.2022 07:05 Min. UT Verfügbar bis 29.09.2025 WDR Von Rebecca Wetzel, Daniel Haase

(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 17.03.2021)

Quelle: WDR

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