Gartenzwerg aus Keramik auf einer Blumenwiese

Werkstoffe

Keramik

Blumentöpfe, Dachziegel oder Geschirr: Bei Keramik denken viele Menschen an Dinge des Alltags. Keramik kann aber auch durchaus in uns selbst stecken.

Von Susanne Decker

Vom Fels zum Pulver

Zahn-Inlays und künstliche Hüftknochen aus Keramik geben vielen Menschen wieder neue Lebensqualität. Auch die Zündkerzen im Auto, die Isolierungen an Hochspannungsmasten und die Hitzeschilde an einem "Space Shuttle" bestehen aus Keramik.

Um Keramik herzustellen, braucht man zunächst einmal Ton. Und den bekommt man in speziellen Tongruben. Je nachdem, wo man sucht, kann man Ton unterschiedlicher Farbe und Beschaffenheit finden. Aber woher kommt Ton eigentlich?

Ursprünglich war jeder Ton einmal festes Gestein. Erst durch Verwitterungen wie Regen, Wind und Frost oder durch großen Druck und Erdbewegungen wurde das Gestein spröde und porös. Übrig blieben sehr feinkörnige, pulverartige und wasserhaltige Mineralien.

Die Speicherfähigkeit von Wasser macht Ton zu einem wichtigen Träger von Grundwasservorkommen. Zunächst vergrößert sich das Volumen von Tonmineralien durch Aufnahme von Wasser. Ist der Ton dann gesättigt, staut er das Wasser an und bildet eine wasserundurchlässige Schicht.

Ein Tonkrug und fünf kleine Schalen aus Ton nebeneinander.

Gefäße waren die erste Massenware aus Ton

Wenn man Ton mit Wasser mischt, lässt er sich hervorragend formen. Diese Eigenschaft erkannten die Menschen schon vor etwa 30.000 Jahren. Archäologische Funde aus dieser Zeit belegen die bereits flächendeckende Verwendung von einfachen Keramikerzeugnissen.

Dies waren meist Gegenstände für rituelle Zeremonien, wie kleine tierische und menschliche Figuren. Die Figuren wurden sogar schon damals durch Brennen haltbar gemacht. Man nimmt an, dass die Menschen durch Zufall ein Lagerfeuer auf tonhaltigem Boden entzündet hatten und so die Vorteile gebrannten Tons erkannten.

Im Laufe der Jahrtausende entwickelten einige der prähistorischen Keramikhersteller bemerkenswerte künstlerische Fähigkeiten.

Keramik für den Alltag

Als die Menschen der Jungsteinzeit vor rund 10.000 Jahren allmählich sesshaft wurden und Ackerbau betrieben, lag es nahe, Ton für die Vorratshaltung zu verwenden. In bauchigen Gefäßen konnten die frühen Bauern Getreide, Wurzeln und Kräuter lange aufbewahren. Sie ließen sich auch immer neue Formen und Verzierungen einfallen.

Manche Regionen in Europa spezialisierten sich regelrecht auf die Herstellung von Tongefäßen und vertrieben sie in ganz Europa und im Orient.

Auch als Baumaterial wurde Ton schon vor mehr als 10.000 Jahren verwendet. Zunächst bestanden die Ziegel aus luftgetrocknetem Lehm. Ab dem 4. Jahrtausend vor Christus wurden sie dann auch im großen Stil gebrannt. Bevor jedoch Brennöfen erfunden waren, stellte man Keramik in Freifeueranlagen her, wie zum Beispiel dem "Grubenbrand".

Dabei wurde die Töpferware in einer ausgehobenen Grube über mehrere Stunden gebrannt. Die chemischen Prozesse während des Brennens machen aus dem porösen getrockneten Ton ein festes, unverrottbares Material mit wunderbaren Eigenschaften: hart, säure- und hitzebeständig.

Der Dreh mit dem Dreh

Bis heute spielt die Keramik bei der Nahrungszubereitung und Vorratshaltung eine große Rolle – das zeigt schon ein Blick in den Küchenschrank. Der Bedarf der Menschen an Schüsseln, Krügen, und Töpfen wuchs und wuchs. Da kam die Erfindung der Töpferscheibe vor etwa 5000 Jahren gerade recht. Jetzt konnte man schneller und größere Mengen der begehrten Küchenutensilien produzieren und verkaufen.

Man kann sich den Vorläufer unserer heutigen Töpferscheiben als große steinerne Scheibe vorstellen, die auf einen Zapfen im Boden gelagert war. Im Laufe der Zeit entwickelte man immer bessere Töpferscheiben und immer ausgeklügeltere Techniken, um Geschirr in großen Mengen herstellen zu können. Die Erfindung der Töpferscheibe war somit der Beginn der keramischen Massenproduktion.

4500 Jahre alte Töpferscheibe aus Kreta in einem Museum.

4500 Jahre alte Töpferscheibe aus Kreta

Keramikherstellung – eine Wissenschaft für sich

Nicht nur die Methode der Formgebung, auch Brennverfahren und Glasurtechniken verbesserten die Töpfer im Laufe der Jahrtausende zunehmend. Außerdem wählten sie den Ausgangsrohstoff immer gezielter aus. Inzwischen ist das fast schon eine Wissenschaft für sich.

Um nur drei Beispiele zu nennen: Steinzeug ist ein dichter Werkstoff mit natürlicher Brennfarbe, Steingut ist porös mit weißer Brennfarbe und Irdenware ist poröse Keramik mit farbigen Scherben, niedrig gebrannt.

Als edelstes unter den tonkeramischen Erzeugnissen gilt Porzellan. Rohstoff für Porzellan ist Kaolin, ein sehr feines, weißes Gestein. Es kommt nur sehr selten vor und ist deshalb auch so kostbar.

Detailaufnahme der Fassade des Felsendoms in Jerusalem. Die Fassade besteht aus unzähligen kleinen, verschieden farbigen Kacheln aus Keramik.

Keramikverwendung in Vollendung

Keramik in Industrie und Medizin

Mitte des 19. Jahrhunderts fand man für die Keramik neue Einsatzgebiete in der Technik. Vor allem in der Industrie halfen keramische Werkstoffe viele Probleme zu lösen. Zu diesem Zeitpunkt war vor allem hohe Hitzebeständigkeit gefragt, zum Beispiel bei der Verwendung von Isolierungen an elektrischen Leitungen.

Obendrein ist Keramik auch noch säurebeständig und außerordentlich hart. In der modernen Automobiltechnik werden keramische Erzeugnisse zum Beispiel als Zündkerzen, Filter, Ventile oder Auspuffkrümmer verwendet. Keramik zählt heute zu den begehrten und vielseitig verwendbaren Hightech-Werkstoffen.

Die Herstellung moderner Keramik ist erst möglich geworden, seitdem man in den Brennöfen sehr hohe Temperaturen erzeugen kann. Die Bandbreite der Eigenschaften wird heute in Industrie und Medizin gleichermaßen hoch geschätzt.

Zündkerzenfabrik: Eine Frau sitzt an einem Fleißband mit Zündkerzen. Ein Teil der Kerzen ist grafisch durch eine Lupe hervorgehoben.

Teile von Zündkerzen sind auch aus Keramik

Quelle: SWR | Stand: 07.01.2020, 13:00 Uhr

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