Space Shuttle Columbia kurz vorm Aufsetzen auf den Boden.

Raumstationen

Space Shuttle

Das Space Shuttle gilt als das komplexeste Raumfahrzeug, das Menschen je gebaut haben. Bis heute ist es das einzige Raumschiff, das wiederholt in den Orbit geflogen ist – insgesamt mehr als hundertmal in 30 Jahren.

Von Tobias Schlösser

In den Orbit und zurück

Der Aufbau der Internationalen Raumstation ISS wäre ohne die Raumfähren als Schwerlasttransporter undenkbar gewesen. Trotzdem ist das Shuttle keine reine Erfolgsgeschichte. Das Programm wurde schon früh von Tragödien begleitet und die Flugkosten überstiegen alle anfänglichen Erwartungen.

Als die "Columbia" am 12. April 1981 als erstes Shuttle zum Jungfernflug aufbrach, stellte sie gleichzeitig auch das erste wiederverwendbare Raumschiff überhaupt dar. Bis 1985 wurden mit der "Challenger", der "Discovery", der "Atlantis" und – nach der "Challenger"-Explosion 1986 – der "Endeavour" im Jahr 1992 weitere Space Shuttles in den Einsatz geschickt.

Die NASA bezeichnet das Space Shuttle offiziell als "Space Transportation System", weil es außer dem Raumgleiter noch aus anderen Teilen besteht. Neben dem Orbiter – der eigentlichen Raumfähre – sind das zwei Feststoffraketen als Starthilfe und der große, externe Treibstofftank, an dem das Raumschiff beim Start befestigt ist.

Die beiden Raketentriebwerke landen mit Fallschirmen im Meer und werden dann von Schiffen geborgen. Der Tank lässt sich als einzige Komponente nicht wiederverwenden und verglüht nach dem Start in der Atmosphäre.

Linienzeichnung eines Space Shuttles im Größenvergleich mit einem Menschen.

Konstruktionszeichnung eines Space Shuttles

Arbeitspferd im Dienst der Raumfahrt

Die Astronauten der Mondmissionen rekrutierten sich noch aus ehemaligen Kampffliegern und Testpiloten. Das Apollo-Programm hatte bei sechs Mondlandungen nur einen einzigen Wissenschaftler auf den Mond gebracht: den Geologen Harrison Schmitt.

Das Space Shuttle war dagegen ganz auf die Bedürfnisse der modernen Raumfahrt zugeschnitten und sollte der Wissenschaft einen besseren Zugang ins All ermöglichen.

Das große Ziel: Aufbau und Betrieb einer Raumstation. Dort sollten Astronauten Langzeiterfahrungen im Orbit sammeln und systematisch unter Weltraumbedingungen forschen können.

Das Shuttle schien für den Aufbau und die Versorgung einer Station ideal geeignet. Mit fast 24 Metern Spannweite und rund 27 Metern Länge war es ähnlich groß wie ein kleinerer Düsenjet. Seit seinem Bestehen ist es das größte zur Verfügung stehende Raumschiff und äußerst vielseitig einsetzbar.

Es kann gleichzeitig eine Crew von sieben Astronauten und eine gewaltige Nutzlast von 24,5 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit bringen. Dadurch konnte es bisher nicht nur schwere Module zur Raumstation befördern, sondern ließ sich gleichzeitig für Spezialmissionen einsetzen, wie die Reparatur und notfalls auch Rückführung von Satelliten.

Die Kostenexplosion

Mit dem wiederverwendbaren Shuttle sollten sich auch die Kosten für die Flüge ins All deutlich senken. Es sollte auch für das Militär und private Auftraggeber attraktiv sein und in einer Art Pendelverkehr Satelliten in den Orbit transportieren.

Doch die ursprünglichen Kostenvorstellungen erwiesen sich als Illusion. Statt der eigentlich vorgesehenen 10,5 Millionen Dollar kostete ein Flug nach NASA-Angaben zuletzt fast 50-mal so viel: rund eine halbe Milliarde Dollar.

Das Problem: Anfangs waren wöchentliche Starts geplant, die Shuttles hoben aber immer nur vierteljährlich ab. Weil sie bemannt waren, mussten die Shuttles höhere Sicherheitsbedingungen erfüllen als unbemannte Raketen. Die Starts waren auf gutes Wetter angewiesen, was immer wieder zu Startverzögerungen führte – oft auch mehrfach hintereinander.

Außerdem erwies sich die Wartung der Orbiter als sehr aufwändig und so konnten die Shuttles nicht kurzfristig flugbereit gemacht werden wie ein Verkehrsflugzeug. Der NASA-Manager Jesco von Puttkamer wird mit den Worten zitiert, das Space Shuttle sei technisch durchaus erfolgreich gewesen, aber finanziell gescheitert.

Für den Massentransport von Satelliten ins All waren die Shuttles im Vergleich mit Einwegraketen letztlich zu unzuverlässig, zu teuer und auch etwas überdimensioniert. Denn ihre gewaltige Nutzlast-Kapazität wurde selten ganz ausgeschöpft.

"Challenger"-Explosion 1986

Das Shuttle-Programm wurde schon früh von Tragödien begleitet. Ein defekter Dichtungsring beim Start der "Challenger" am 28. Januar 1986 führte keine drei Jahre nach ihrem Jungfernflug im April 1983 zur Katastrophe.

Nur 73 Sekunden nach dem Abflug explodierte die Raumfähre in rund 14 Kilometern Höhe. Alle sieben Astronauten kamen dabei ums Leben. Es erwies sich als fatal, dass das Space Shuttle über kein Rettungssystem verfügte, anders als zum Beispiel die russischen Sojus-Raumschiffe.

Die Challenger explodiert als Feuerball. Glühende Teile ziehen Rauchwolken hinterher.

28. Januar 1986: Die Explosion der Challenger

Nach dem Unglück blieben die Shuttles zunächst für mehr als zweieinhalb Jahre am Boden, damit der Vorfall untersucht und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden konnten.

Das wegen Startverzögerungen unter Druck stehende Management hatte den Start der "Challenger" trotz Warnungen der Techniker erzwungen. Die NASA änderte deshalb nach dem Unglück die Entscheidungswege und tauschte auch die kritischen Dichtungen aus.

Als Ersatz für die "Challenger" wurde die Shuttle-Flotte durch den Bau der 1,7 Milliarden Dollar teuren "Endeavour" aufgestockt. Im Herbst 1988 nahmen die Shuttles den Verkehr nur noch mit stark reduziertem Flugplan auf. Für private Auftraggeber stand das Shuttle-Programm nicht mehr zur Verfügung, nur wissenschaftliche Raumfahrt-Missionen wurden noch durchgeführt.

"Columbia"-Unglück 2003

Trotz aller Nachbesserungen nach der "Challenger"-Explosion blieben die Shuttle-Flüge ins All ein gefährliches Unternehmen. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1995 bezifferte das Risiko für ein erneutes Shuttle-Unglück auf 1:145 – im statistischen Mittel fiel also ein Absturz auf 145 Flüge.

Am 1. Februar 2003 kam es beim Rückflug der "Columbia" zur zweiten Katastrophe in der Geschichte des Space Shuttles, die eine weitere Schwachstelle offenbarte. Ein abgebrochenes Schaumstoffstück aus der Isolierung des Außentanks hatte beim Start einige Hitzeschutzkacheln an der linken Flügelvorderkante zerstört.

Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre mit rund 30.000 Kilometern pro Stunde sind die Space Shuttles extrem hohen Temperaturen ausgesetzt, teilweise 1600 bis 1800 Grad Celsius.

Das in den ungeschützten Flügel eindringende heiße Plasma zerstörte vermutlich die Tragekonstruktion, sodass die Raumfähre 63 Kilometer über dem Erdboden auseinanderbrach und größtenteils noch in der Atmosphäre verglühte.

Space Shuttle Atlantis beim Start

Die Tankisolierung (braun) bereitet große Probleme

"Return to Flight"

Nach dem "Columbia"-Unglück im Frühjahr 2003 mussten die Shuttles, wie schon nach der "Challenger"-Explosion, eine zweieinhalbjährige Flugpause einlegen. Russische Progress- und Sojus-Raumschiffe übernahmen während dieser Zeit die Versorgung der Internationalen Raumstation ISS, die so lange nur mit einer zweiköpfigen Notbesatzung betrieben wurde.

Die NASA investierte rund eine Milliarde Dollar in weitere Sicherheitsmaßnahmen für die Space Shuttles. Nach den tragischen Erfahrungen mit der "Columbia" entwickelten die Ingenieure Kontroll- und Reparaturmöglichkeiten für den Hitzeschutzschild im All und verbesserten die Stabilität der Außentankisolierung.

Doch bei der Wiederaufnahme des Flugbetriebs im Juli 2005 unter dem Motto "Return to Flight" gab es wieder Probleme mit der Tankisolierung. Beim Start der "Discovery" hatte sich wieder ein größeres Schaumstoffstück gelöst und die Raumfähre nur knapp verfehlt.

Nach diesem Rückschlag flog die Shuttle-Flotte nur noch für einige dringende Missionen in die Erdumlaufbahn – zur Vervollständigung der Internationalen Raumstation ISS und zur erneuten Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops.

Spacelab

Das Space Shuttle war kein reines Transportmittel, sondern diente auch als Unterkunft für die Astronauten bei mehrtägigen Aufenthalten im All. In der Ladebucht schleppten die Raumfähren anfangs das europäische Weltraumlabor Spacelab in den Orbit. Etwa zehn Tage lang umrundeten die Astronauten darin die Erde und konnten solange in der Schwerelosigkeit experimentieren.

Nach dem ersten Testflug 1983 mit Ulf Merbold an Bord fanden auch zwei von Deutschland überwachte Spacelab-Missionen statt: 1986 waren Ernst Messerschmid und Reinhard Furrer bei der deutschen D1-Mission im Einsatz.

1993 folgten Ulrich Walter und Hans Schlegel bei der D2-Mission mit dem Space Shuttle "Columbia", während der sie 88 Experimente durchführten, unter anderem Versuche zur Auswirkung der Schwerelosigkeit auf den Menschen.

Hubble-Teleskop

Im Vergleich mit anderen Raumschiffen waren die Space Shuttles außergewöhnlich vielfältig einsetzbar. Sie gaben den Astronauten die einzigartige Möglichkeit, kreisende Satelliten anzufliegen und zu reparieren. Die Wartungsarbeiten am Weltraumteleskop "Hubble" zählen sicherlich zu den Höhepunkten in der Shuttle-Geschichte.

Das Weltraumteleskop umkreist die Erde in rund 600 Kilometern Höhe, wo es für atmosphärische Störungen unanfällig ist. Im Orbit gelangen spektakuläre Aufnahmen von Galaxien am Rand des Universums und der Nachweis von schwarzen Löchern im Kern vieler Galaxien.

Nachdem das Teleskop im April 1990 an Bord der "Discovery" in die Umlaufbahn gelangte, lieferte es wegen eines Herstellungsfehlers am Hauptspiegel allerdings zunächst nur unscharfe Abbildungen.

Erst die Korrektur durch ein zusätzliches Linsensystem bei der ersten Wartungsmission mit dem Space Shuttle "Endeavour" im Dezember 1993 ermöglichte die sensationellen Bilder von fernen Sternen und Galaxien. Insgesamt fünfmal flogen die Shuttles zum Weltraumteleskop, um Teile auszutauschen und es sogar technologisch aufzurüsten.

Mammut-Projekt ISS

Schon bei der Entwicklung des Space Shuttles in den 1970er Jahren sah die NASA Einsätze zum Aufbau einer Raumstation vor, und die fast 40 Missionen zur Internationalen Raumstation ISS ab dem Jahr 1998 stellen sicherlich die Hauptaufgabe in der zweiten Hälfte des Shuttle-Programms dar. Immer wieder wurden seitdem Module ins All befördert und bei aufwendigen und nicht ungefährlichen Außenbordeinsätzen zusammengefügt.

Der Aufbau der über 100 Milliarden Euro teuren Station war auf die Shuttles als Schwerlasttransporter angewiesen. Kein anderes Raumfahrzeug hätte die schweren, großen Module befördern können. Als die Shuttles nach dem "Columbia"-Unglück 2003 unten blieben, machte sich auch in Europa Unruhe breit.

Der Transport des europäischen Weltraumlabors "Columbus", in das über eine Milliarde Euro Entwicklungskosten geflossen waren, verschob sich zunächst auf unbestimmte Zeit.

Doch die Sorgen um die Zukunft des Forschungsmoduls waren unbegründet. Nach Wiederaufnahme der Shuttle-Flüge dockte Columbus 2008 an der ISS an, genau wie auch das größte Einzelmodul der Raumstation, das japanische Kibō-Labor.

Space Shuttle Atlantis dockt an der ISS an.

Space Shuttle Atlantis dockt an der ISS an

Das Ende der Space Shuttles

Im November 2012 endete die Ära der Space Shuttles. Nacheinander waren die älteste Raumfähre "Discovery", dann auch die "Enterprise", die "Endeavour" und schließlich die "Atlantis" ausgemustert und ins Museum geschoben worden.

Grund für das Ende des Space-Shuttle-Programms waren die hohen Kosten. Für Flüge zur Internationalen Raumstation ISS sind die USA seither auf Russland angewiesen.

Quelle: SWR | Stand: 16.09.2019, 10:49 Uhr

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