Was ist das Nervensystem?
Über unsere Sinne vermitteln Nervenreize ein Bild von der Außenwelt. Auch unser Innenleben, unsere Gefühle und unser Verhalten werden von Nervenzellen reguliert. Kein Wunder also, dass Wissenschaftler von diesen komplexen Strukturen fasziniert sind.
Wenn man bedenkt, wie anspruchsvoll und vielfältig die Aufgaben sind, die unser Nervensystem tagtäglich für uns erfüllt, ist eine Erkenntnis der Forscher besonders verblüffend: Das Nervensystem besteht im Prinzip nur aus zwei Zelltypen – den Nervenzellen (Neuronen) und den Stützzellen (Gliazellen). Je nach Einsatzgebiet – von Muskelsteuerung bis hin zur Verarbeitung von Sprache – weist eine Nervenzelle natürlich gewisse Spezialisierungen auf.
Der Grundaufbau, der diesen unglaublichen Universaleinsatz aber überhaupt ermöglicht, ist bei allen Neuronen gleich. Am Zellkörper (Soma) der Nervenzellen entspringen Fortsätze (Dendriten und Axone), die als Nervenfasern bezeichnet werden. Was umgangssprachlich als Nerv bezeichnet wird, ist ein Bündel von Nervenfasern, die von einer Bindegewebshülle umgeben sind.
Grafik: Aktive Nervenzellen mit Axon, Myelin, Dendriten und Synapsen
Das weit verzweigte Nervensystem scheint auf den ersten Blick wie ein undurchdringliches Dickicht von Nervenbahnen, die sich kreuz und quer durch unseren Körper ziehen.
Um Licht in diesen dunklen Dschungel zu bringen, haben Anatomen unser Nervensystem unterteilt: in das zentrale Nervensystem (ZNS) und das periphere Nervensystem (PNS). Das ZNS besteht aus Gehirn und Rückenmark. Alles, was außerhalb des ZNS liegt, gehört zum PNS.
Keine Einbahnstraße
Zentrales und peripheres Nervensystem bilden zusammen eine funktionelle Einheit. Zum Beispiel bei der Schmerzwahrnehmung, wenn man auf eine heiße Herdplatte fasst und dank blitzschneller Reflexe die Hand sofort wieder zurückzieht.
Was in Sekundenbruchteilen passiert und uns vor Schmerzen und Verbrennungen schützt, ist ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel einer Kette von Nervenzellen in PNS und ZNS. Das periphere Nervensystem nimmt über die Sinne – in diesem Fall durch Schmerzrezeptoren in der Haut – Informationen von außen auf und leitet sie zum ZNS weiter. Das ZNS verarbeitet diese Informationen und plant entsprechende Reaktionen.
Beim sogenannten Rückziehreflex müssen diese Informationen nicht erst im Gehirn verarbeitet werden, sondern werden direkt blitzschnell im Rückenmark verschaltet. Dort wird ein Befehl an die Muskeln des Arms generiert.
Die ausführenden Nervenzellen des peripheren Nervensystems sind dann wiederum dafür zuständig, diese Kommandos an die Muskeln des Arms zu leiten und dort die rettende Kontraktion auszulösen.
Reflexe ziehen die Hand sofort zurück
In unserem Nervensystem sind also ständig Informationen unterwegs – und das in beide Richtungen: von der Peripherie ins ZNS und vom ZNS wieder zurück zu Muskeln, Organen und Hormondrüsen.
Die Nervenbahnen des peripheren Nervensystems, die Informationen zum ZNS hin leiten, werden als sensorisch oder afferent (von lateinisch affere = hintragen, zuführen) bezeichnet. Die Nerven, die Signale vom ZNS weg zu Muskeln oder Organen leiten, nennt man motorisch oder efferent (von lateinisch efferens = hinausführend).
Siesta oder Puma: das vegetative Nervensystem
Nicht nur bei heißen Herdplatten, auch in anderen brenzligen Situationen spielt unser Nervensystem eine entscheidende Rolle. Schmetterlinge im Bauch, Prüfungsangst oder der Adrenalinkick bei der Achterbahnfahrt – all diese Gefühle haben wir unserem vegetativen Nervensystem zu verdanken.
Das vegetative Nervensystem ist ein Teil des peripheren Nervensystems und reguliert alle automatisch ablaufenden Körperfunktionen wie beispielsweise Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Verdauung. Dabei unterscheidet es praktischerweise, ob man gerade im Schatten eines Baumes ein Mittagsschläfchen hält oder sich mit einem Puma konfrontiert sieht.
Signale, die den Energieverbrauch des Körpers drosseln (indem sie unter anderem den Herzschlag verlangsamen und den Magen aktivieren), werden vom parasympathischen Teil des vegetativen Nervensystems übermittelt.
Nervenzellen bestimmen unser Denken und Fühlen
Dieser hat auch einen Gegenspieler: den sympathischen Teil, der dann aktiv wird, wenn wir in Alarmbereitschaft sind und Energie freigesetzt werden soll. Das heißt: Der Herzschlag wird beschleunigt, die Bronchien werden geweitet, die Durchblutung der Muskeln steigt – wir sind bereit zur Flucht. Der Parasympathikus wird auch Erholungsnerv genannt, der Sympathikus Stress- oder Leistungsnerv.
Nerven müssen gepflegt werden
Vom einfachen Schutzreflex bis hin zu essenziellen Körperfunktionen: Ohne Nerven wären wir nicht lebensfähig. Wir sollten uns also gut um sie kümmern. Alter, Umweltgifte und Drogen (auch das Zellgift Alkohol) sind die größten Feinde der Nervenzellen. Neben gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung können wir ihnen (und damit uns selbst) etwas Gutes tun, indem wir sie auf Trab halten.
Wissenschaftler sind heute der Auffassung, dass an dem Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" weniger dran ist, als immer vermutet wurde.
Studien mit Senioren haben gezeigt, dass das menschliche Gehirn auch im Alter noch wachsen kann, wenn wir etwas Neues lernen. Jonglieren, Klavier spielen oder eine Fremdsprache lernen – was es ist, ist egal. Die Hauptsache: Es ist neu und macht Spaß. Die grauen Zellen werden es uns danken, denn sie sind immer bereit für neue Aufgaben.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 14.11.2019)
Quelle: WDR