Ein Mann hält mit Regenwürmern durchsetzte Erde

Lebendiger Boden

Bodenleben

Das Edaphon, also sämtliche im Boden lebende Organismen, kann in einem Wald ein Gewicht von rund 25 Tonnen pro Hektar erreichen. Wird der Wald gerodet und als Ackerland genutzt, verringert sich das Edaphon schnell auf vier bis fünf Tonnen pro Hektar.

Von Dieter Engelmann

Bakterien

Die kleinsten Lebewesen im Edaphon sind Pilze und Bakterien. Sie machen rund drei Viertel der Masse aus. Generell lässt sich sagen: Je kleiner die Lebensform, umso größer ihre Anzahl.

Bakterien sind einzellige Lebewesen in der Größenordnung von wenigen Mikrometern. Was ihnen an Größe fehlt, gleichen sie jedoch durch ihre Anzahl aus. So können in einer Fingerspitze voll gesunder Erde bereits mehrere Millionen Bakterien vorkommen.

Bodenbakterien leben vor allem in den von Pflanzen durchwurzelten Bereich des Bodens, der sogenannten Rhizosphäre. Sie werden in vier Gruppen unterteilt: Zersetzer, Mutualisten, Pathogene und lithotrophe oder chemoautotrophe Bakterien.

Zu den Zersetzern gehören die sogenannten Actinomyceten, eine große Gruppe von Bodenbakterien, die für den charakteristischen "erdigen" Geruch des Bodens verantwortlich sind. Sie können selbst nur sehr schwer abbaubare Bestandteile der anfallenden Streu zersetzen, wobei sie vor allem in basischen Böden aktiv sind.

Daneben konsumieren sie auch einfache Kohlenstoffverbindungen, die Pflanzen über ihre Wurzeln ausscheiden. Einige Zersetzer sind auch in der Lage, Pestizide und Schadstoffe zu zersetzen. Vor allem aber sind ihre Zellen ein lebendiges "Nährstofflager", zum Beispiel für Stickstoff, der somit dem Wurzelraum erhalten bleibt.

Mutualistische Bakterien haben im Laufe ihrer langen Entwicklung Partnerschaften mit den Pflanzen entwickelt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Symbiose zwischen Knöllchenbakterien und Pflanzen aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Leguminosen).

Angelockt durch Wurzelausscheidungen dringen die Bakterien in die Wurzeln ein, und leben hier dann in speziellen Verdickungen, den sogenannten Knöllchen. Die Bakterien sind in der Lage, den in der Luft enthaltenen Stickstoff in eine pflanzenverfügbare Form umzuwandeln. Leguminosen werden daher in der Landwirtschaft gern als Gründünger eingesetzt.

Pathogene Bakterien könenn für Pflanzen durchaus gefährlich sein und Krankheiten verursachen, die häufig durch die Ausbildung von Pflanzengallen sichtbar werden.

Die Krankheitserreger sind immer im Konkurrenzkampf mit den "guten" Bakterien wie Zersetzern oder Mutualisten. Die Pflanzen versuchen, durch ihre Wurzelausscheidung dieses Gleichgewicht immer zugunsten der "Guten" zu beeinflussen.

Die litotrophen oder chemoautotrophen Bakterien gewinnen ihre Energie unabhängig von Kohlenstoffverbindungen. Sie nutzen Stickstoff-, Schwefel-, Wasserstoff- oder Eisenverbindungen zur Energiegewinnung. Einige von ihnen sind für den Stickstoffkreislauf und den Abbau von Schadstoffen von Bedeutung.

Insgesamt stehen Bakterien für eine bessere Bodenqualität, da sie Nahrung für höher entwickelte Lebewesen im Boden sind, organischen Abfall zersetzen, Nährstoffe im Boden halten und Schadstoffe aus dem Boden filtern.

Elektronenrastermikroskopie von Bakterien

Bakterien verbessern die Bodenqualität

Pilze

Pilze bestehen aus winzigen Zellen, die sich zu schmalen, langen Fasern oder Strängen (Hyphen) von nur wenigen Mikrometern Durchmesser und Längen bis zu mehreren Metern ausbilden. Die Hyphen durchdringen den Boden als ein mikroskopisches Geflecht, dem sogenannten Myzel, das an verdickten Stellen an Pflanzenwurzeln erinnert.

Pilze sind die dominanten Mikroorganismen in Wäldern oder in trockenen Naturräumen, während Bakterien verstärkt in landwirtschaftlich genutzten, offenen Flächen auftreten. Analog zu den Bakterien werden Pilze im Boden in drei Gruppen unterteilt: den Zersetzern, den mutualistischen Pilzen und den pathogenen oder parasitischen Pilzen.

Die Zersetzer bauen die anfallende organische Substanz ab, wobei sie in der Lage sind, auch schwer abbaubare Substanzen wie Holz zu zersetzen. Durch ihre Tätigkeit entsteht zu einem großen Teil der für den Boden so wichtige Dauerhumus.

Aber auch einige äußerst resistente Schadstoffe werden von ihnen geknackt. Wie die Bakterien sind auch die Pilze von großer Bedeutung als "lebender" Speicher für Nährstoffe, die dadurch den Pflanzen erhalten bleiben.

Zu den mutualistischen Pilzen gehört die Mykorrhiza, eine Symbiose zwischen Pflanzen und Pilzen. Ihre Bedeutung kann man allein daran ermessen, dass rund 90 Prozent aller Landpflanzen mit einem Mykorrhiza-Pilz in Symbiose stehen. Manche Forscher vermuten, dass die Pflanzen erst mit Hilfe der Mykorrhiza das Land als Lebensraum erobern konnten.

Pathogene oder parasitische Pilze können Pflanzen stark schwächen oder, wenn sie die Wurzeln befallen, gar zum Absterben der Pflanzen führen. Einige Vertreter dieser Pilze verursachen Jahr für Jahr hohe Verluste in der Landwirtschaft.

Aber es gibt auch Pilze, die inzwischen als biologische Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden. Einige von ihnen lauern mit ihren kleinen Schlingen Fadenwürmern im Boden auf, fangen diese und zersetzen sie.

Da auch Fadenwürmer zum Teil als Pflanzenschädlinge wirken, kann eine Impfung der Böden mit den richtigen Pilzen einen wirksamen Schutz bedeuten.

Einzeller

Zu den Einzellern gehören Amöben, Geißel- und Wimperntierchen . Sie sind in der Regel deutlich größer als Bakterien (5 bis 500 Mikrometer) und leben in dünnen Wasserfilmen, die im Boden vorliegen. Die Geißeln und Wimpern sind ihre Fortbewegungsmittel. Damit können sie sich fließend durch das Wasser bewegen.

Amöben können sich durch die Ausbildung von Fortsätzen, sogenannten "Scheinfüßchen", fortbewegen. Die Einzeller ernähren sich von Bakterien, artverwandten Einzellern, organischem Material oder Pilzen. In gesunden Böden können rund eine Millionen Einzeller in einem Teelöffel Boden leben.

Einzeller spielen eine wichtige Rolle bei der Mineralisierung der Nährstoffe. Die Bakterien haben in Relation zu den Einzellern einen deutlich höheren Stickstoffgehalt.

Das Zuviel an Stickstoff wird in Form von pflanzenverfügbarem Ammonium ausgeschieden. Dadurch setzen die Einzeller die von den Bakterien gespeicherten Nährstoffe zum Teil wieder frei und sorgen so für eine beständige Versorgung der Pflanzen.

Eine weitere wichtige Rolle der Einzeller besteht in der Regulierung der Bakterienpopulationen. Indem sie sich von Bakterien ernähren, werden diese in ihrem Wachstum stimuliert. Doch es kann auch zu einer Überweidung kommen, was zu einer Dezimierung des Bakterienbestandes fühen kann oder die Zusammensetzung der Arten verändern kann.

Fadenwürmer

Fadenwürmer (Nematoden) sind bodenbewohnende Rundwürmer mit einem langgestreckten Körper von rund 50 Mikrometer Durchmesser und einer Länge von 1 bis 50 Millimeter.

In Waldböden können mehrere Hundert der Tiere in einem Teelöffel Boden leben. Ihr Lebensraum ist der Wasserfilm an Bodenteilchen, die untere feuchte Streuschicht oder der obere Horizont von humusreichen Böden.

Fadenwürmer nutzen die unterschiedlichsten Futterquellen im Boden. Einige ernähren sich von Pflanzenteilen und Algen, andere ernähren sich von Bakterien oder Pilzen, wiederum andere machen Jagd auf Einzeller und andere Fadenwürmer.

Fadenwürmer spielen eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf, in dem sie pflanzenverfügbaren Stickstoff freisetzen, der vor allem von bakterien- und pilzfressenden Fadenwürmern ausgeschieden wird.

Mikrokopaufnahme von einem Fadenwurm.

Mehrere Hundert dieser Tiere können in einem Teelöffel Boden leben

Springschwänze

Springschwänze (Colembolen) sind flügellose Insekten mit einer Größe von 0,1 bis 9 Millimeter. Sie leben im Boden und der Streuschicht, können aber teilweise auch auf Pflanzen und an Baumstämmen angetroffen werden. Bis zu 100.000 Tiere leben auf einem Quadratmeter Boden.

Manche Springschwänze weisen einen langgestreckten Körper auf, während andere einen gedrungenen, kugeligen Körper besitzen. Springschwänze, die im oberen Boden oder in der Streuschicht leben, sind pigmentiert und haben Augen.

Mit der namensgebenden Springgabel am Hinterleib können sie sich bei Bedarf aus dem Gefahrenbereich katapultieren. Springschwänze, die in den tieferen Bodenschichten leben, sind weiß und ihre Augen sowie ihre Springgabeln sind verkümmert.

Springschwänze sind wichtige Zersetzer im und auf dem Boden. Sie zernagen Falllaub und anderes pflanzliches Material und sorgen dadurch für eine erste Zerkleinerung der organischen Substanz.

Asseln

Asseln sind landbewohnende Krebstiere und atmen wie ihre Verwandten im Meer durch Kiemen. Dadurch sind sie an gleichbleibende Feuchtigkeit in ihrem Lebensraum gebunden. Sie leben vor allem an der Bodenoberfläche.

Hier sind sie wesentlich an der Zerkleinerung von Pflanzenresten beteiligt, die in ihrem Darm zu Humus umgewandelt werden. Auf einem Quadratmeter Boden können mehrere Hundert Asseln leben.

Zwei Asseln

Asseln zerkleinern Pflanzenreste und Falllaub

Gliederfüßer

Generell haben die Gliederfüßer (Arthropoden), zu denen Insekten, Tausendfüßer, Krebse, Spinnen, Skorpione und Milben gehören, für den Boden eine große Bedeutung.

Sie zersetzen das organische Material und vergrößern dadurch die Oberfläche, die von den Mikroorganismen besiedelt werden kann. Sie spielen so für die Umwandlung der organischen Substanz in fruchtbaren Humus eine wichtige Rolle.

Außerdem sorgen sie mit ihren Ausscheidungen für eine Verteilung der Nährstoffe im Boden und transportieren auf ihrem Panzer und in ihrem Verdauungsapparat Bakterien und Pilze zu neuen Nahrungsquellen.

Zusätzlich werden im Darm pflanzliches Material und Mikroorganismen bestens gemischt, was die Zersetzung der organischen Substanz deutlich beschleunigt. Auch für die Mineralisierung von Pflanzennährstoffen spielen sie neben den Einzellern und den Fadenwürmern eine große Rolle.

Tausendfüßer auf einem Ast

Auch Tausendfüßer gehören zu den Gliederfüßern

Regenwürmer

Charles Darwin bezeichnete den Regenwurm als "den wichtigsten Helfer der Bauern". Die auf einem Hektar Boden lebenden Regenwürmer können zusammen ein Gewicht von bis zu 2500 Kilogramm erreichen.

Rund 600 Tonnen Wurmlosung scheiden sie jährlich aus und die von ihnen gegrabenen Gänge können eine Gesamtlänge von rund 9000 Kilometer erreichen. Kein Wunder also, dass Regenwürmer zu den wichtigsten Bodentieren gezählt werden und ihre Anzahl als Indikator für den Gesundheitszustand des Bodens gilt.

Tatsächlich sind sie die Hauptzersetzer in den meisten Lebensräumen. Regenwürmer gehören zu den Wenigborstern (Oligochaeten). Die sogenannten "anektischen" Regenwürmer graben senkrechte Gänge bis in mehrere Meter Tiefe. Sie kommen meist nachts oder wenn es feucht ist zur Nahrungssuche an die Oberfläche.

Vermoderte pflanzliche aber auch tierische Reste umschließen sie fest mit ihrem Kopflappen und ziehen sie in ihre Gänge, um sie hier geschützt und in Ruhe zu verspeisen. Dabei verdauen sie in erster Linie die Bakterien und Pilze, die sich bereits auf dem verwesenden Material angesiedelt haben.

Durch ihr unermüdliches Graben und Fressen bringen sie die organische Substanz, die normalerweise auf dem Boden liegt, direkt in den Boden hinein. Ihre senkrechten Gänge sind eine Art "Minikanalisation": Regenwasser kann schnell in den Boden eindringen und geht nicht als Oberflächenabfluss verloren.

Die sogenannten "endogäischen" Regenwürmer graben waagrechte Gänge in der obersten Bodenschicht und pflügen diesen langsam und beständig um. Sie sind sehr blass gefärbt, da sie nur selten an die Erdoberfläche kommen.

Im Darm der Regenwürmer werden Bodenteilchen, organische Substanz und Mikroorganismen regelrecht durchmischt. Die Zersetzung der organischen Substanz wird entsprechend forciert. Dies geschieht auch noch, nachdem das Gemisch als Wurmlosung abgegeben wurde.

Weiter verbessern Regenwürmer die Qualität eines Bodens, in dem sie dessen Stabilität, Porosität und Fähigkeit Wasser zu speichern deutlich verbessern. Für Pflanzenwurzeln sind die mit Wurmlosung ausgekleideten Gänge ein gedeckter Tisch mit reichlich Wasser und Nährstoffen.

Quelle: SWR | Stand: 02.03.2020, 14:00 Uhr

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