Das Foto zeigt zwei Jungen in Großaufnahme, die sich mit Gebärden verständigen. Sie schauen einander an. Der linke Junge ist blond und trägt eine Brille. Der andere Junge ist dunkel und trägt ebenfalls eine Brille.

Gehörlos

Gebärdensprachen

Können sich Gehörlose aus aller Welt problemlos miteinander verständigen?

Von Annette Holtmeyer und Britta Schwanenberg

Irrtümer über die Gebärdensprache sind häufig und weit verbreitet. So glauben zum Beispiel viele Hörende, dass man sich mit Gebärden nur über die konkreten Alltagsdinge unterhalten kann, nicht aber über abstrakte Themen. Das ist falsch.

In der Gebärdensprache sind Diskussionen über Philosophie, Literatur oder Politik genauso möglich wie in der Lautsprache. Wie in jeder anderen Sprache gilt allerdings auch hier: Je größer der Wortschatz, desto besser sind die Ausdrucksmöglichkeiten und die Bandbreite der Bereiche, über die man sich austauschen kann.

Auch Ironie oder Witze sind in der Gebärdensprache möglich.

Ein anderer Irrtum ist die Annahme, dass in der Gebärdensprache die deutsche Grammatik Wort für Wort in einzelne Gebärden übersetzt wird. Auch das ist nicht richtig. Die Gebärdensprache hat eine eigene Grammatik und ein eigenes Vokabular.

Der Irrtum, der sich am hartnäckigsten hält, ist aber wohl der, dass sich Gehörlose aus aller Welt in derselben universalen Gebärdensprache unterhalten. Richtig ist dagegen, dass jedes Land seine eigene Gebärdensprache hat.

Neben der Deutschen Gebärdensprache (DGS) gibt es weltweit rund 5000 weitere Gebärdensprachen, die sich alle im Lauf der Jahrhunderte genau wie die gesprochenen Sprachen nach und nach gebildet haben und sich auch heute immer noch weiterentwickeln. Innerhalb der einzelnen Länder gibt es übrigens auch bei den Gebärden regionale Dialekte.

Und doch steckt etwas Wahres in der Annahme, dass sich Gehörlose aus aller Welt verständigen können. Tatsächlich ist es für Gehörlose verschiedener Nationalitäten leichter, sich mithilfe der Gebärdensprache über einfache Dinge auszutauschen, als das in zwei unterschiedlichen gesprochenen Sprachen möglich wäre.

Denn eins haben alle Gebärdensprachen gemeinsam: Sie nutzen natürliche Gesten und Mimik. Wer als Gebärdender in einem fremden Land also zum Beispiel ein elementares Bedürfnis ausdrücken möchte wie "Ich habe Hunger" oder mitteilen will "Ich bin wütend", dürfte im Zweifelsfall von den Gehörlosen des Gastlandes verstanden werden.

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 28.09.2020)

Quelle: WDR

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