Ein kleines Mädchen schreibt auf eine Tafel.

Schulgeschichte

Das Schulglossar

Früher gab es die Volksschule, die Mittelschule und die Höhere Schule. Wer heute versucht, durch das Begriffswirrwarr von Integrierten und Kooperativen Gesamtschulen, Werkrealschulen, Oberschulen, Sekundarschulen, Realschulen und anderen durchzublicken, muss schon Experte sein.

Von Martina Frietsch und Tobias Aufmkolk

Von Bundesland zu Bundesland

Jedes Bundesland pflegt seine eigenen Schulformen und Bezeichnungen. Dazu kommen als Folge des PISA-Schocks zahlreiche Reformen und Zusatzschulformen. Zumindest mit der Vielfalt an Schulformen und Bezeichnungen dürfte Deutschland international einen Spitzenplatz einnehmen.

Planet Wissen hilft Ihnen mit dem kleinen Schulglossar durch den Dschungel der häufigsten und gebräuchlichsten Bezeichnungen für allgemeinbildende Schulen.

Grundschule

Die Grundschule umfasst in den meisten Bundesländern vier Jahre. In ihr werden alle schulpflichtigen Kinder gemeinsam unterrichtet. Lediglich Berlin und Brandenburg haben bisher einen Sonderweg beschritten. Hier dauert die Grundschule sechs Jahre.

Primarschule

Primarschule sollte die in Hamburg geplante sechsjährige Grundschule heißen. Durch einen Volkentscheid wurde die einstimmige Entscheidung der Hamburger Bürgerschaft jedoch im Sommer 2010 wieder gekippt.

Dreigliedriges Schulsystem

Das dreigliedrige Schulsystem, die klassische Aufteilung in Haupt-, Realschule und Gymnasium (früher Oberschule), wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten wieder eingeführt. Jahrzehntelang wurde es wegen der zu frühen Auslese der Schüler nach der vierten Klasse kritisiert.

Ein Schulkind steht an der Tafel

Die Hauptschule soll abgeschafft werden

Dies verschlechtert nach Meinung zahlreicher Experten die Bildungschancen vieler Schüler, insbesondere aus sogenannten bildungsfernen Schichten und Migrantenfamilien. Die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie führten zu heftigen Diskussionen über das deutsche Schulsystem.

Im November 2011 beschloss die schwarz-gelbe Bundesregierung, sich vom dreigliedrigen Schulsystem zu verabschieden und damit die Hauptschule weitgehend abzuschaffen. Trotz alledem bleibt die Schulpolitik Ländersache.

Gesamtschule

In den 1970er Jahren entstanden in der Bundesrepublik die ersten Gesamtschulen – eine Schulform, in der Schüler nicht auf verschiedene Schulformen verteilt, sondern gemeinsam unterrichtet werden. Inzwischen haben sich verschiedene Schulformen herausgebildet, die in ihrem Namen die Bezeichnung Gesamtschule tragen:

  • Integrierte Gesamtschule: In dieser weiterführenden Schule werden Haupt- und Realschüler gemeinsam mit den Gymnasiasten unterrichtet. Die Differenzierung nach Leistung erfolgt in Kursen verschiedener Schwierigkeitsstufen. Nicht alle Integrierten Gesamtschulen bieten eine eigene Oberstufe. In diesen Fällen müssen Schüler, die das Abitur machen wollen, nach der 10. Klasse die Schule wechseln.
  • Kooperative/Additive Gesamtschule: In der Kooperativen bzw. Additiven Gesamtschule werden die Schüler der Haupt- und Realschule sowie des Gymnasiums getrennt unter einem Dach unterrichtet. Lediglich in einzelnen Fächern wie beispielsweise Sport wird ein Schulzweig-übergreifender, gemeinsamer Unterricht erteilt.
  • Teilintegrative Gesamtschule: Bei der teilintegrativen Gesamtschule handelt sich um eine Kombination von Haupt- und Realschule. Sie führt zum Hauptschulabschluss oder zur mittleren Reife. Teilintegrative Gesamtschulen gibt es inzwischen in allen ostdeutschen Bundesländern, in Schleswig-Holstein, Bremen, dem Saarland und Rheinland-Pfalz. Allerdings hat dieser Schultyp gleich mehrere Namen, obwohl sich die Schulformen nur in Kleinigkeiten unterscheiden.

Werkrealschule

Baden-Württemberg bietet neben den klassischen Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium seit 2010/2011 die Werkrealschule als eigenständige Schulform an. Die Werkrealschule führt zur Mittleren Reife. Bis 2010 wurde damit das 10. Schuljahr bezeichnet, das nur an einigen Hauptschulen und nur Schülern mit einem besonders guten Notenschnitt offenstand.

Integrierte Sekundarschule

Berlin hat in den integrierten Sekundarschulen, die bis zum 10. Schuljahr gehen, die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengefasst. Neben dieser Schule gibt es als weiterführende Schule nur noch das Gymnasium.

Stadtteilschule

Die Stadtteilschule ersetzt seit 2010 in Hamburg Haupt-, Realschule und Gesamtschule. An der Stadtteilschule kann nach 13 Schuljahren das Abitur erreicht werden. Daneben gibt es in Hamburg weiterhin das achtjährige Gymnasium.

Gemeinschaftsschule

Grundsätzlich ist die Gemeinschaftsschule dazu da, die Schüler länger zusammen lernen zu lassen, anstatt sie auf verschiedene Schulzweige aufzuteilen. Die Ausgestaltung der Gemeinschaftsschule kann jedoch –je nach Bundesland oder gar nach Schulbezirk –unterschiedlich sein.

Kinder im Unterricht

Länger gemeinsam lernen

In Thüringen sollen die Schüler bis zur 8. Klasse in die Gemeinschaftsschule gehen, in Baden-Württemberg kann die Gemeinschaftsschule ab dem Schuljahr 2012/2013 die Sekundarstufe I (Klasse 5-10) umfassen. Es können aber auch die Klassen 1-4 und 11-13 einbezogen werden.

Sachsen hat im Schuljahr 2006/2007 versuchsweise die Gemeinschaftsschule eingeführt. Von der Grundschule bis zum Gymnasium konnten alle Gemeinschaftsschule werden. Dieser Versuch wurde wieder eingestellt.

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit dem Schuljahr 2011/2012 einen Modellversuch, die Gemeinschaftsschule unter dem Namen Sekundarschule zu etablieren. Alle Parteien im Landtag mit Ausnahme der FDP haben sich Ende 2011 auf diesen Schulkonsens geeinigt.

Neben den bereits bestehenden Schulformen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule) wird die Sekundarschule ins Schulgesetz mit aufgenommen. Von den Klassen 5 bis 10 sollen die Schüler in dieser Schulform gemeinsam lernen und je nach Leistungsvermögen individuell gefördert werden.

Ganztagsschule

Selbst bei der Ganztagsschule gibt es verschiedene Formen. Die Kultusministerkonferenz unterscheidet, beziehungsweise definiert, vier:

  • Gebundene Ganztagsschule: Die Schüler müssen an mindestens drei Tagen in der Woche sieben Stunden lang in der Schule sein. Für den Unterricht und die weiteren Aktivitäten am Nachmittag gibt es ein zusammenhängendes Konzept. Die Schüler werden außerdem mit Mittagessen versorgt. Bei dieser Form der Ganztagesschule haben die Schüler Anwesenheitspflicht.
  • Teilweise gebundene Ganztagesschule: Das Angebot entspricht in etwa dem der gebundenen Ganztagesschule, betrifft aber nur bestimmte Klassen oder Jahrgangsstufen.
  • Halboffene Ganztagesschule: Auch dieses Angebot entspricht dem der gebundenen Ganztagesschule, allerdings ist die Teilnahme freiwillig. Wer sich dafür entscheidet, muss mindestens ein halbes Jahr dabeibleiben.
  • Offene Ganztagesschule: Eine Betreuung zusätzlich zum Unterricht wird an mehreren Wochentagen angeboten. Die Teilnahme ist freiwillig, muss aber für mindestens ein halbes Jahr erklärt werden.

Einheitsschule

Kurz gesagt: Die Einheitsschule gibt es nicht. Die Bezeichnung hat historische Wurzeln, die bis ins Revolutionsjahr 1848 zurück reichen. Damals machte sich der Deutsche Lehrerverein für eine Einheitsschule für alle Kinder vom Kindergarten bis zu Universität stark.

Der Begriff Einheitsschule lebt bei der Diskussion um Schulreformen immer wieder auf, beispielsweise 2004 in Schleswig-Holstein, als sich die damalige Kultusministerin Erdsiek-Rave für eine Einheitsschule nach skandinavischem Vorbild aussprach.

Für Aufregung sorgten in Rheinland-Pfalz auch die Grünen, als sie im Januar 2012 eine Einheitsschule forderten. Mit Einheitsschule wird häufig auch das Schulsystem der DDR bezeichnet, wo von der 1. bis zur 10. Klasse alle die Polytechnische Oberschule besuchen mussten.

In vielen Diskussionen wird der Begriff Einheitsschule nicht für ein bestimmtes Schulkonzept verwendet, sondern als Gegenstück zum gegliederten Schulsystem oder schlicht als abwertender Begriff.

Quelle: SWR/WDR | Stand: 12.11.2019, 09:40 Uhr

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