Die Leipziger Universität

Planet Wissen 27.10.2023 02:33 Min. Verfügbar bis 27.10.2028 WDR Von Barbara Garde

Lernen

Universitäten

Universitäten sind die heiligen Hallen der Bildung und des Wissens. Hier soll der kritische Geist geschult werden und die Freiheit der Gedanken hochgehalten. Sie bieten Raum für intensive Forschung und Lehren, die die Welt verändern können.

Von Sabine Kaufmann

Die Anfänge im Mittelalter

Die erste Universität in Europa wurde vermutlich in Bologna um 1088 gegründet, gefolgt von Paris im Jahr 1257. Da die Quellenlage nicht eindeutig ist, gibt es keine absolute Klarheit, welche Universität tatsächlich die älteste der Welt ist.

In Paris stand hinter der Gründung der Universität die Kirche. Aus päpstlicher Sicht sollte in der Seine-Metropole die universitäre Zentrale der europäischen Theologie aufgebaut werden. In Bologna waren es freie Magister, die andere Studierende um sich sammelten und einen Lehrbetrieb errichteten, der am Anfang noch wenig institutionalisiert war. Versammlungen und Prüfungen fanden zuerst in Klöstern und Kirchen statt.

Schon im Mittelalter erhielten die Universitäten das Synonym "Alma mater", zu deutsch: "gütige Mutter" oder "nährende Mutter". Die Hochschulen sollten – so das Bild – die nährende Mutter sein, die die Studenten mit Wissen speist. Doch bis die Studenten mit höheren Weihen gesegnet wurden, nahmen sie in der Regel zuerst an einem vorbereitenden Unterricht teil.

Buchmalerei: Theologische Vorlesung an der Sorbonne zu Ende des 15.Jahrhunderts.

Die nährende Mutter speist die Studenten mit Wissen

Die Vorlesungen bestanden aus dem sprachwissenschaftlich orientierten Trivium (lateinisch für "drei Wege") mit den Fächern Grammatik, Dialektik und Rhetorik sowie dem mathematisch ausgerichteten Quadrivium (lateinisch für "vier Wege"), bestehend aus Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik.

In einem weiterführenden Studium konnten die Studenten Medizin, Rechtswissenschaft oder Theologie belegen. Über allen Fächern stand jedoch die Philosophie, aufgeteilt in die Teildisziplinen Metaphysik, Natur- und Moralphilosophie.

Unterrichtet wurde in Latein, da die Landessprachen verpönt waren. Während der Vorlesung diktierte der Magister seinen Studenten Texte, da es im Mittelalter nur wenige Bücher gab.

Die Vorlesungen und Übungen begannen bereits in den frühen Morgenstunden und zogen sich über den ganzen Tag. Das Leben der Studenten spielte sich so überwiegend zwischen der Universität und dem Wohnheim, der Burse, ab.

In den Gemeinschaftsräumen war so ziemlich alles verboten, vor allem: Lärm, Streit und Würfelspiel. Doch trotz der harten Sitten gab es genügend freie Tage, an denen die Studenten ausgelassen waren und ihre Studienzeit genossen.

Frühe Neuzeit: die Landesuniversitäten

Seit der frühen Neuzeit übernahm der Landesherr, und nicht mehr die Kirche, die Kontrolle über die Universität. Humanismus und Aufklärung veränderten das Denken der Epoche und somit auch die Fächerstruktur an der Universität. Der Buchdruck beschleunigte die Verbreitung universitären Wissens, Lehrbücher standen nun massenhaft zur Verfügung.

Viele neue Landesuniversitäten wurden gegründet, wie die Albertina in Königsberg (1544) oder die Philipps-Universität in Marburg (1527). Die adligen Landesherren verfolgten mit den Gründungen das Ziel, Beamte und Juristen auszubilden, die für die Verwaltung der Territorien dringend benötigt wurden.

Der Universität gelang es, durch die Vergabe von Abschlüssen und Titeln ein neues soziales Milieu zu entwickeln. Die Akademiker, die in den Verwaltungen und Bürokratien die Karriereleiter nach oben stiegen, kamen dem Stand des Geburtsadels sehr nahe, nach dem Motto: Wissenschaft adelt.

Schon sehr früh machten sich die Universitäten auch untereinander Konkurrenz und warben Studenten ab. Bestes Beispiel ist die Leipziger Universität, die von einem Nationalitätenkonflikt an der berühmten Prager Karls-Universität profitierte: In Prag protestierten sächsische, polnische sowie bayerische Studenten und Professoren gegen die interne Regelung der Karls-Universität, dass nur böhmische Universitätsmitglieder den Rektor stellen durften.

Friedrich der Streitbare, Markgraf zu Meißen, hatte die Vehemenz der Auseinandersetzung zwischen den nationalen Gruppen richtig eingeschätzt und nutzte die Gunst der Stunde. Er lockte die nicht-böhmischen Studenten, Magister und Professoren an seine 1409 neu gegründete Universität in Leipzig.

Das 19. Jahrhundert: Geisteswissenschaften kontra Naturwissenschaften?

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts reformierte Wilhelm von Humboldt (1767-1835) die preußischen Universitäten. Ihm ging es um die Einheit von Forschung und Lehre, die Freiheit der Wissenschaft und die "einheitsstiftende Funktion" der philosophischen Fakultäten.

Der preußische Bildungsreformer hing einem idealistischen Wissensbegriff an: Der Mensch sollte sich durch Wissenschaft jenseits aller Nützlichkeitserwägung bilden. Vor allem im Gespräch zwischen Professoren und Studenten, so der Reformer, sei dies möglich.

Das Wilhelm von Humboldt-Denkmal in Berlin

Wilhelm von Humboldt

Das Seminar wurde zum Markenzeichen der Humboldt’schen Universität. Entsprechend der preußischen Regierungsvorstellungen sollten die Universitäten aber auch zu Bildungsinstituten ausgebaut werden, um zuverlässige Beamte und Politiker hervorzubringen.

Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung von industriellem und technischem Wissen erheblich zu. Parallel entstanden verstaatlichte Universitäten, denen die Ausbildung von Lehrern und technischen Berufen oblag. Die Fakultäten wurden in Natur-, Geistes-, Staats- und Wirtschaftswissenschaften aufgeteilt.

In Medizin und Naturwissenschaften erhielten die Studenten eine praxisnahe Ausbildung in Laboratorien. Die neu gegründeten Technischen Hochschulen und Handelshochschulen standen immer mehr unter dem Druck, technisch und ökonomisch nützliches Wissen zu vermitteln. Neben den akademischen Abschlüssen Magister und Doktor setzten sich staatliche Abschlüsse und Diplome durch.

An der Wende zum 20. Jahrhundert erlebten die Naturwissenschaften einen Boom. Die Erforschung der Radioaktivität brachte der Chemie hohes Ansehen. Robert Koch revolutionierte durch die Entdeckung des Tuberkulose- und des Cholera-Erregers das medizinische Wissen, und Albert Einstein führte die Physik durch seine Relativitätstheorie in eine neue Dimension.

Fortan verdrängten Naturwissenschaften die Geisteswissenschaften in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Verschulung des Wissens in den Naturwissenschaften stand und steht im Gegensatz zum "Humboldt’schen Bildungsideal".

20. Jahrhundert: Studenten gehen auf die Barrikaden

1968 erschütterten die Studenten das bis dahin friedliche Hochschulleben und die Autorität der Professoren. Als Teil eines internationalen reformerischen Aufbruchs erreichte die Studentenbewegung, ausgehend von Berkeley über Paris, auch Berlin und Frankfurt.

Die deutsche 68er-Generation rebellierte gegen die von der Elterngeneration totgeschwiegenen Verbrechen des Nationalsozialismus und deckte die unaufgearbeiteten Verstrickungen erheblicher Teile der deutschen Wissenschaft in der Hitlerzeit auf. Mit den Traditionen, die das Dritte Reich festgeschrieben hatte, musste nach Meinung der Studenten Schluss gemacht werden, um einen wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt zu erzielen.

Studenten mit einem Spruchband: Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren beim Eintritt des neuen und des alten Rektors der Universität Hamburg ins Auditorium Maximum.

Der bekannteste Spruch der Studentenbewegung

Das berühmteste Transparent der Studentenbewegung wurde 1967 während der Rektoratsübergabe an der Universität Hamburg enthüllt: "Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren". Auch der Fächerkanon der Universitäten veränderte sich im Zuge der studentischen Auseinandersetzungen. Die Sozialwissenschaften, allen voran die Soziologie und die Sozialphilosophie, kamen in Mode und prägten die wissenschaftlichen Debatten an den Universitäten.

(Erstveröffentlichung 2007, letzte Aktualisierung 14.07.2017 )

Quelle: SWR

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