Leipzig ist eine Reise wert

Planet Wissen 27.10.2023 04:30 Min. Verfügbar bis 27.10.2028 WDR

Ostdeutschland

Leipzig

Jahrhundertelang war Leipzig eines der bedeutendsten Messe-, Literatur- und Musikzentren Deutschlands. Auch politisch stand die Stadt an der Weißen Elster häufig im Mittelpunkt deutscher und europäischer Geschichte.

Von Johannes Eberhorn

Gründung des "Lindenortes"

"Mein Leipzig lob ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute", lässt Johann Wolfgang von Goethe eine seiner Figuren im Drama "Faust" über die sächsische Metropole sagen.

Erste Siedlungsspuren auf dem heutigen Leipziger Gebiet stammen aus der Zeit um 4000 vor Christus. Später ziehen immer wieder wandernde Germanenvölker durch den mitteldeutschen Raum – wie etwa die Wandalen oder die Langobarden, die dort allerdings nicht sesshaft werden.

Das Dorf, aus dem später Leipzig hervorgeht, entsteht schließlich zwischen dem 7. und dem 9. Jahrhundert. Damals gründen die Sorben, ein slawischer Volksstamm, eine kleine Siedlung, die sie "Lipzk" nennen – auf hochdeutsch "Ort bei den Linden". Erstmals offiziell erwähnt wird Leipzig 1015 von Bischof Thietmar von Merseburg, der in seiner Chronik von einer deutschen Burg namens "urbs Libzi" berichtet.

In der Nähe der Burg wächst eine Siedlung von Handwerkern und Kaufleuten heran. Markgraf Otto der Reiche von Meißen verleiht ihr schließlich 1165, dem offiziellen Gründungsjahr Leipzigs, das Stadt- und Marktrecht.

Damit ist der Grundstein für den wirtschaftlichen Aufschwung gelegt, der Leipzig später zu einem der bedeutendsten Handelszentren Deutschlands macht.

Aufstieg zur Messestadt

Schon im Jahr der Stadtgründung gibt es in Leipzig erste Märkte. Ab 1190 finden regelmäßig zwei große Jahrmärkte statt: der Ostermarkt und der Michaelismarkt. Auf dieser Grundlage baut Leipzig – auch begünstigt durch Silberfunde im Erzgebirge – bis ins 15. Jahrhundert seine Stellung als wichtiger Warenumschlagplatz aus.

1497 schließlich verleiht Kaiser Maximilian I. der Stadt das Reichsmesseprivileg und später auch das "Stapelrecht". Letzteres ermächtigt Leipzig dazu, von Kaufleuten auf der Durchreise zu verlangen, dass diese mit ihren Waren zumindest zeitweise in der Stadt bleiben (diese also dort "stapeln") und Handel treiben.

Bis zum 18. Jahrhundert entwickelt sich die Leipziger Messe zur bedeutendsten deutschen Warenmesse.

Im Zuge der Industrialisierung wächst die Einwohnerzahl Leipzigs rasant. Um 1865 leben etwa 100.000 Menschen in der Stadt, Ende des 19. Jahrhunderts sind es bereits rund 400.000. Auch die Messe passt sich den neuen wirtschaftlichen Bedingungen an und bietet Industriegütern mehr Raum.

Ab 1894 wird die bisherige Waren- schließlich zur Mustermesse. Die Waren werden nun nicht mehr während der Messe selbst verkauft. Stattdessen begutachten potenzielle Käufer lediglich Muster, von denen sie anschließend beliebige Stückzahlen bestellen können.

Durch den Zweiten Weltkrieg verliert Leipzig stark an wirtschaftlicher Kraft und Bedeutung, bleibt aber während DDR-Zeiten ein wichtiger Ort für den Ost-West-Handel. Bis heute finden dort zahlreiche Messen statt, darunter die "Auto Mobil International", die "Games Convention" und die Leipziger Buchmesse.

Messestadt Leipzig

Planet Wissen 27.10.2023 02:30 Min. Verfügbar bis 27.10.2028 WDR Von Ina Klempnow

Zentrum für Wissenschaft und Literatur

Auch für Literatur und Bildung ist Leipzig schon früh weit über die Grenzen Sachsens hinaus bekannt. Bereits 1409 wird die Leipziger Universität gegründet, an der in den folgenden Jahrhunderten berühmte Köpfe wie Goethe, Gottfried Wilhelm Leibniz, Robert Schumann oder Gotthold Ephraim Lessing studieren.

Zusätzlich etabliert sich Leipzig als wissenschaftliches Zentrum mit der Gründung der "Sächsischen Akademie der Wissenschaften" 1846. Noch heute zieht es viele junge Leute an die verschiedenen Hochschulen der Stadt.

Die Leipziger Universität

Planet Wissen 27.10.2023 02:33 Min. Verfügbar bis 27.10.2028 WDR Von Barbara Garde

Wo es Hochschulen gibt, werden viele Bücher gebraucht. Es verwundert deshalb nicht, dass Leipzig sich auch zu einem Zentrum für Buchdrucker und -händler entwickelt. Erstmals wird 1481 in Leipzig ein Buch gedruckt, 50 Jahre später erscheinen in der Stadt bereits 1300 Titel.

Noch heute bekannte Verlage entstehen oder siedeln sich in Leipzig an, wie Brockhaus, Reclam oder Baedeker. Die Buchmesse wird zwischenzeitlich zur wichtigsten Literaturschau Deutschlands und macht Leipzig damit zur "Buch-Hauptstadt" – noch vor Frankfurt am Main.

Durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges verliert Leipzig aus literarischer Sicht zwar an Bedeutung, doch die Stadt beherbergt auch heute noch die zweitälteste Universitätsbibliothek Deutschlands, die Deutsche Zentralbibliothek für Blinde sowie das Deutsche Buch- und Schriftmuseum.

Musikalisches Leipzig

Neben Buchhändlern und Gelehrten finden auch viele Musiker ihre Heimat in Leipzig. Der vielleicht berühmteste Sohn der Stadt ist der 1685 in Eisenach geborene Johann Sebastian Bach. Von 1723 bis zu seinem Tod 1750 hat er das angesehene Amt des Kantors an der Thomaskirche inne.

Besonders in seinen ersten Leipziger Jahren komponiert Bach zahlreiche Musikstücke, darunter auch die berühmte Matthäus-Passion. Zur Erinnerung an den Komponisten unterhält die Stadt heute ein Bach-Archiv und ein Bach-Museum. Thomanerchor und Gewandhausorchester führen die Werke des ehemaligen Kantors regelmäßig auf.

Das 1781 gegründete Gewandhausorchester zieht hervorragende Musiker aus dem ganzen Land an. Chefdirigenten sind Genies wie Felix Mendelssohn Bartholdy, Wilhelm Furtwängler und Kurt Masur. Auch heute noch ist das Orchester, das unter anderem in der Leipziger Oper und in der Thomaskirche spielt, eines der besten Deutschlands.

Johann Sebastian Bach

Bach war der berühmteste Thomaskantor

Leipzig und die Politik

Gleich mehrfach steht Leipzig ab dem 19. Jahrhundert im Mittelpunkt bedeutender politischer Ereignisse. In der Völkerschlacht 1813 schlagen die verbündeten Armeen von Österreich, Preußen, Russland und Schweden die Truppen des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte und beenden damit dessen europäische Vormachtstellung.

Mit über 500.000 beteiligten Soldaten geht die Schlacht als die bis dahin größte kriegerische Auseinandersetzung in die Geschichte ein. Zwischen 90.000 und 120.000 Männer sterben. Ihnen zu Ehren wird 1913 das 91 Meter hohe Völkerschlachtdenkmal eingeweiht.

Auch während des Zweiten Weltkrieges wird Leipzig nicht verschont und mehrmals von den Alliierten bombardiert. Der schwerste Luftangriff am 4. Dezember 1943 kostet rund 1800 Menschen das Leben, 140.000 verlieren ihr Zuhause. Nach insgesamt 38 Bombardements und dem Ende des Krieges wird Leipzig Teil der sowjetischen Besatzungszone und später die zweitgrößte Stadt der DDR.

In den folgenden Jahrzehnten lehnen sich die Leipziger Bürger wiederholt gegen das zentralistische System der regierenden "Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands" (SED) auf. Zunächst beteiligen sich Tausende Demonstranten am Aufstand vom 17. Juni 1953, der von sowjetischen Truppen blutig beendet wird.

Weitaus erfolgreicher sind die Leipziger 36 Jahre später. Die berühmten Montagsdemonstrationen, an denen sich im Herbst 1989 bis zu 300.000 Menschen beteiligen, sind der Ausgangspunkt der friedlichen Revolution, die schließlich zum Ende der DDR führt.

Viele Menschen mit Kerzen in der Hand stehen um eine große, rot erleuchtete Skulptur, die die Form einer 89 hat.

Leipzig gedenkt des Herbstes 1989

Leipzig heute

Nach dem Mauerfall hat Leipzig – wie der gesamte Osten Deutschlands – mit erheblichen wirtschaftlichen und strukturellen Problemen zu kämpfen. Viele junge Leute verlassen die Stadt, so dass die Einwohnerzahl rapide sinkt.

Doch in den folgenden Jahren erholt sich Leipzig relativ gut von den Nachwehen der Wende. Die Messe zieht 1996 auf ein neues Gelände um, große Automobilfirmen siedeln sich mit Werken an, der Flughafen wird ausgebaut.

Trotz einiger Rückschläge können die Bürger der Stadt deshalb heute wieder sagen: "Mein Leipzig lob ich mir!"

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 26.08.2020)

Quelle: WDR

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