Ein Stethoskop in den Händen eines Arztes.

Medizin

Beruf Arzt

Krankheiten sind so alt wie die Menschheit selbst. Und genauso lange gibt es Menschen, die versuchen, Leiden zu heilen. Einige stellten dabei teils waghalsige Theorien auf – wie die Griechen Hippokrates und Galen.

Von Mareike Potjans

Nur die Götter können helfen

Seit es Menschen gibt, gehen Schamanen, Seher und Heiler ihrer Arbeit nach. Aus der ältesten Periode der Menschheitsgeschichte, der Urgeschichte, gibt es zwar keine schriftlichen Quellen. Doch Skelett-Funde weisen darauf hin, dass schon in der Steinzeit Kranke gepflegt, Knochenbrüche behandelt und sogar Schädel angebohrt wurden.

Als der Mensch vor etwa 10.000 Jahren sesshaft wurde, entstand so etwas wie der Beruf des Arztes. Die Schamanen und Ärzte-Priester sahen ihre Aufgabe vor allem darin, Dämonen auszutreiben und die Götter um Hilfe zu bitten. Denn eine Heilung ohne den Beistand von oben war undenkbar. Und das sollte noch sehr lange so bleiben.

Aus dem antiken Mesopotamien – dem Gebiet des heutigen Anatolien, Syrien und des Iraks – sind die ältesten schriftlichen Zeugnisse der Medizin erhalten: Es gab dort bereits Ärzte, die Medikamente verabreichten und Operationen durchführten. Parallel dazu boten Seher ihre Dienste an, die zum Beispiel aus der Leber von Opfertieren lasen, und Priester, die sich auf Zauberformeln verstanden.

Auch im alten Ägypten praktizierten drei Arten von Heilern: Ärzte, Priester und Hexenmeister. Das Übernatürliche gehörte zum Heilen dazu.

Asklepios – Gott der Heilkunde

Die Griechen beteten verschiedene Götter und Helden an, von denen sie sich Gesundheit erhofften, vor allem aber Asklepios, den Sohn des Gottes Apollon und einer Irdischen. Er wird mit Stab und Schlange dargestellt, seit dem Altertum Symbol der Heilkunde. Das Bild hat sich über die Jahrtausende gehalten: Noch heute ist der Äskulapstab ein Zeichen von Ärzten und Apothekern.

Bereits um 200 vor Christus gab es in jedem griechischen Stadtstaat (polis) einen Asklepios-Tempel. Teil des Kultes war der heilende Tempelschlaf der Patienten, während dessen die Götter in Traumorakeln medizinische Ratschläge erteilen sollte. Daraus leiteten die Priesterinnen und Priester des Tempels ihre Therapien ab.

Lange Zeit vertrauten die Menschen diesen Priestern, aber auch Wurzelsammlern, Hellsehern und anderen traditionellen und religiösen Heilern. Doch im fünften Jahrhundert vor Christus trat ein Mann auf, der im Arzt nicht mehr den Fürsprecher bei den Göttern sah, sondern einen weisen Freund und Begleiter am Krankenbett. Sein Name war Hippokrates.

Statue des griechischen Gottes Asklepios.

Asklepios war bei den Griechen für die Heilung zuständig

Hippokrates und der Eid

Über Hippokrates' Leben (etwa 460 bis 377 vor Christus) ist wenig bekannt, über seine Lehre dafür umso mehr. Auch wenn er nicht alle 60 Schriften verfasste, die ihm später zugeschrieben wurden, und auch wenn er oft irrte – mit Hippokrates begann die moderne, rationale Medizin.

Seiner Meinung nach entstehen Krankheiten, wenn sich die vier Körpersäfte (schwarze Galle, gelbe Galle, Schleim und Blut) nicht im Einklang miteinander befinden. Mit Methoden wie Aderlass, Erbrechen und guter Ernährung ("Diät") wollte er das richtige Verhältnis wieder herstellen; aus heutiger Sicht wirkungsvolle Heilmethoden entwickelte er jedoch nicht.

Den hippokratischen Eid kennt man noch heute – ob ihn aber tatsächlich Hippokrates geschrieben hat, ist ungeklärt. Er wird inzwischen nicht mehr von Ärzten geleistet, dient aber immer noch als Grundlage für moderne Gelöbnisse. Denn viele seiner Forderungen sind zeitlos, zum Beispiel die Schweigepflicht oder das Gebot, Kranken nicht zu schaden.

Ein Kupferstich aus dem 16. Jahrhundert zeigt Hippokrates.

Schrieb Hippokrates wirklich den Eid?

Auch ein anderer Grieche, der ungefähr 500 Jahre nach Hippokrates lebte und in Rom praktizierte, hinterließ seine Spuren in der Geschichte: Die Lehren des Galen von Pergamon (129 bis etwa 216), der die hippokratische Säftelehre weiterentwickelte, blieben unglaubliche 1500 Jahre lang von Bedeutung.

Medizinstudenten mussten jahrhundertelang beim Sezieren das finden, was Galen aufgeschrieben hatte. Er ging zum Beispiel von der Existenz eines Herzknöchelchens aus. Wenn man etwas nicht fand, wurde das damit erklärt, dass Galen den idealen Menschen der Antike beschrieben hatte.

Beten und hoffen im Mittelalter

Im frühen Mittelalter entwickelte sich die Medizin in Europa kaum weiter. Einfache Ratschläge ersetzten detaillierte Krankheitsbeschreibungen und die Heiligenverehrung trat an die Stelle der medizinischen Kunst. Christus war der höchste aller Ärzte, und je nach Krankheit wurden bestimmte Heilige angebetet.

Im Orient bot sich zur gleichen Zeit ein ganz anderes Bild: Dort wurden die antiken medizinischen Texte, die in Europa langsam in Vergessenheit gerieten, ins Arabische und Altsyrische übersetzt und so vor dem Verschwinden gerettet. Ärzte waren damals dort hoch angesehen.

Seit dem 8. Jahrhundert gab es sogar Krankenhäuser mit hygienischen Verhältnissen und verschiedenen Stationen, während sich in Europa Mönche ohne entsprechende Ausbildung um die Kranken kümmerten. Oft konnten sie nur beten und hoffen.

Diese Entwicklung drehte sich jedoch im späteren Mittelalter wieder um: Die Medizin in Europa erfuhr einen großen Aufschwung und der Orient verlor an Bedeutung. Ab dem 12. Jahrhundert wurden im Abendland Universitäten gegründet und die antiken medizinischen Texte wiederentdeckt – aus islamischen Quellen.

Studenten mussten nun sieben Jahre lang Vorlesungen besuchen und Prüfungen ablegen, um Arzt zu werden. Daneben gab es Chirurgen, die nur für Operationen zuständig sind und deren Ansehen sehr viel geringer war als das der studierten Mediziner.

Die Zeichnung aus dem 13. Jahrhundert zeigt, wie ein Arzt einem Patienten mit Meißel und Hammer den Schädel öffnet.

Unsanfte Methoden im Mittelalter

Hilflose Ärzte

Doch obwohl die Ärzte mittlerweile studierten, änderte das nichts daran, dass sie bis ins 20. Jahrhundert hinein die meisten Krankheiten nicht heilen konnten. Zwar wurden immer wieder bahnbrechende Entdeckungen gemacht – Edward Jenner erfand die Impfung gegen Pocken, Robert Koch entdeckte Bakterien –, aber es starben immer noch Erwachsene und vor allem Kinder an einfachen Infektionen.

Der Arzt konnte oft nur abwarten und gut zureden oder radikale Methoden wie den Aderlass anwenden. Wirksame Medikamente gab es kaum.

Das änderte sich erst ab den 1930er-Jahren, als man infektiöse Krankheiten mit Antibiotika behandeln konnte. Weil die Menschen immer älter wurden, nahmen nun aber die chronischen Leiden zu.

Auch das Verhältnis von Arzt und Patient veränderte sich: Lange Zeit war das Reden und Zuhören ein wichtiges Instrument des Arztes, weil er nicht genau wusste, was sich im Körper abspielt.

Diese einfache Methode befindet sich im Zeitalter der Hightech-Medizin auf dem Rückzug – zum Leidwesen vieler Patienten, die auf ihre Krankheit reduziert werden. Andererseits fordern Patienten heute mehr ein und sehen den Arzt nicht mehr als Halbgott in Weiß, vor dem sie ehrfürchtig erstarren.

Robert Koch in einem kolorierten Holzstich.

Robert Koch erhielt den Nobelpreis

Wie wird man heute Arzt?

Bevor jemand in Deutschland als Arzt praktizieren darf, muss er oder sie eine lange und anstrengende Ausbildung durchlaufen. Die Regelstudienzeit für Humanmedizin beträgt bis zum Staatsexamen sechs Jahre und drei Monate.

Die Theorie wird durch praktische Abschnitte ergänzt. Das letzte Studienjahr, das "Praktische Jahr" (PJ), verbringen die angehenden Ärzte in verschiedenen Fachbereichen an Unikliniken und Lehrkrankenhäusern.

Nach dem bestandenen Staatsexamen, das Studenten wegen der Fülle des abgefragten Fachwissens Hammerexamen nennen, kann der angehende Arzt seine Approbation beantragen. Das ist vor allem ein Verwaltungsakt, für den man allerhand Nachweise an die zuständige Bezirksregierung schicken muss.

Gibt diese grünes Licht, bekommt man die staatliche Berufserlaubnis als Arzt zugeschickt und muss sich nur noch bei der Ärztekammer des jeweiligen Bundeslandes anmelden.

Einen Eid muss der frischgebackene Arzt nicht leisten. Es gibt aber eine Berufsordnung für jedes Bundesland, die Rechte und Pflichten der Ärzte gegenüber Patienten und Kollegen regelt. Ihr vorangestellt ist das vom Weltärztebund 1948 in Genf formulierte ärztliche Gelöbnis – eine moderne Fassung des hippokratischen Eides.

Medizinstudenten sitzen in einer Vorlesung in einem Anatomie-Hörsaal.

Medizinstudenten müssen viel auswendig lernen

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 24.07.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: