Gesundheitsapps - ein übersehbarer Markt

Gesundheitssystem

Gesundheits-Apps

Ob Fitness, Ernährung oder medizinisch relevante Vital-Daten – fast alles kann man heute per App messen und die Daten zur Aus- und Bewertung an vermeintlich seriöse Anbieter schicken. Aber Vorsicht! Nur ganz wenige dieser Apps sind geprüft und als Medizinprodukte überhaupt zugelassen.

Von Gabriele Knetsch

Mehr als 100.000 Gesundheits-Apps gibt es inzwischen. Der Markt boomt. Aber wie verlässlich sind die so beworbenen Medizin-Apps überhaupt? Wer kontrolliert sie? Und sind die unzähligen Messprodukte überhaupt eine Hilfe für kranke Menschen?

Gesundheit als Geschäftsmodell

Jeder kann im Prinzip eine Gesundheits-App auf den Markt bringen. Große Internetkonzerne haben die Welt der Gesundheit längst als Geschäftsmodell entdeckt. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte brauchen die meisten Apps keine Zertifizierung. Eine Kontrolle gibt es nicht – ein Sicherheitsrisiko für Patient*innen und ein Problem für die behandelnden Ärzt*innen, die den so erhobenen Daten nicht trauen können.

Gesundheit per App?

Planet Wissen 22.10.2019 02:11 Min. Verfügbar bis 22.10.2024 ARD-alpha

Kaum Kontrolle

Unter „Medizinprodukte“ fallen etwa Apps, die zur Diagnose eingesetzt werden oder die Dosierung einer Arznei berechnen. Dafür gibt es ein EU-weites Prüfverfahren. Private Stellen können die Prüfung durchführen oder bei gesundheitlich nur geringen Risiken sogar die Hersteller selbst. Ärzte fordern daher, dass dieser Bereich mehr kontrolliert wird und bundesweit einheitliche Kriterien für die Zulassung als zertifizierte Gesundheits-App gelten sollen.

Nur wenige Apps gelten als Medizinprodukte

Nur wenige Apps gelten als Medizinprodukte

Sebastian Kuhn Zitat Gesundheits-Apps

Sebastian Kuhn, Orthopäde und Digitalexperte


Dr. Sebastian Kuhn:

"Wir haben über 100 000 Apps, die Gesundheit zumindest vorgeben. Auf der anderen Seite haben wir etwa 25 bis 70 - da streiten sich die Experten - Anwendungen, die wirklich als Medizinprodukt zertifiziert sind. ...
Es gibt keine vertrauenswürdige Ressource, wie man das vielleicht von Medikamenten kennt, der Arzt schaut in die Rote Liste, er kann sich informieren. Das ist im Bereich von Apps bisher nicht der Fall."

App statt Psychiater

In verschiedenen Forschungsprojekten wird derzeit getestet, inwieweit auch bei der psychiatrischen Behandlung Smartphone und Computer helfen können. Die Forscher versprechen sich durch Apps mehr Kontrolle. Neben beispielsweise wöchentlichen oder monatlichen Besuchen können Apps genau dann weiterhelfen, wenn etwa eine angstauslösende Situation zu entstehen droht. Gerät der Patient in eine für ihn psychisch schwierige Situation, hilft in der analogen Welt eine Intervention. Es wird Mut zugesprochen. Die Forscher gehen davon aus, dass das auch ein Algorithmus übernehmen kann. Etwa mit Anreizen zum richtigen Verhalten, dem "Nudging", und dem "Boosting", das das richtige Verhalten verstärkt.

Selbstdiagnose per App

Selbstdiagnose per App

Gefahr der Manipulation

Auch wenn Nudging und Boosting positive Anreize schafft für gesundes Verhalten, fragen Kritiker, wo die positive Gesundheitsförderung endet und die Manipulation anfängt. Zwar hätten die Nutzer die Wahl, dennoch würden sie durch die Technik gesteuert werden.

Quelle: BR | Stand: 08.10.2019, 18:00 Uhr

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