Die Rolle der USA in der Nato

Planet Wissen 29.05.2023 01:58 Min. Verfügbar bis 23.09.2027 SWR

Nato

Die Anfänge der Nato

Die Geschichte der Nato teilt sich auf in die Zeit vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Bis 1989 liefert sich das westliche Verteidigungsbündnis ein Wettrüsten mit dem Warschauer Pakt. Und auch intern gibt es Konflikte.

Von Beate Krol

Die Gründung der Nato

Am 4. April 1949 nimmt die westliche Welt den Kampf gegen den Kommunismus auf. In einem feierlichen Akt in Washington sichern sich zehn westeuropäische Staaten, Kanada und die USA im sogenannten Nordatlantikpakt zu, dass sie sich im Fall eines sowjetischen Angriffs gegenseitig helfen.

Die Sowjetunion, die damals West-Berlin blockiert und ein Jahr zuvor den kommunistischen Umsturz in der Tschechoslowakei unterstützt hat, soll wissen, dass sie für weitere Expansionsversuche einen hohen Preis zu zahlen hat.

Schwarzweißfoto: US-Präsident Harry Truman unterzeichnet den Nordatlantikpakt am 4. April 1949.

US-Präsident Harry Truman unterzeichnet den Nordatlantikpakt

In den ersten Jahren sind die Nato-Staaten mit dem Auf- und Ausbau des Bündnisses beschäftigt. Die Mitglieder einigen sich auf eine erste Verteidigungsstrategie, legen Streitkräfteziele und Kommando-Standorte fest und richten eine ständige Organisation in Paris ein. Außerdem besetzen sie ihre beiden Spitzenämter.

Der britische Lord Hastings Ismay wird 1952 der erste Nato-Generalsekretär, der US-General und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower übernimmt das militärische Oberkommando. Mit der Türkei und Griechenland kommen 1952 zudem zwei neue Mitglieder dazu.

Wettrüsten mit dem Warschauer Pakt

Anfangs agiert die Nato noch ohne ein Bündnis auf der Gegenseite. Als die Nato-Mitglieder im Oktober 1954 beschließen, auch die Bundesrepublik Deutschland (BRD) in die Nato aufzunehmen, treibt die Sowjetunion die Gründung eines eigenen Bündnisses voran.

Fünf Tage nach dem offiziellen Beitritt der BRD zur Nato konstituiert sich der Warschauer Pakt. Auch er ist als militärischer Beistandspakt konzipiert. Neben der Sowjetunion gehören ihm sieben weitere Staaten an.

Mit der Gründung des Warschauer Pakts nimmt das Wettrüsten im Kalten Krieg eine neue Dimension an. Schon 1952 hatten die Nato-Staaten ihre erste Eindämmungsstrategie durch eine Vorneverteidigung ersetzt.

1957 beschließt der Nordatlantikrat als höchstes Entscheidungsgremium der Nato außerdem die Nuklearstrategie der "Massiven Vergeltung". Künftig will das Verteidigungsbündnis Angriffe auf die Territorien ihrer Mitglieder mit einem nuklearen Gegenschlag beantworten.

Soldaten mit einer Pershing II Atomrakete auf dem NATO-Armeestützpunkt Mutlangen

Auch in Deutschland werden Mittelstrecken-Raketen stationiert

Von da füllen sich die Nuklearwaffen-Arsenale auf beiden Seiten in rasender Geschwindigkeit. 1958 stellt die Nato erste Mittelstreckenraketen in Großbritannien auf, die als Trägerraketen für Nuklearsprengköpfe dienen. Auch in der Türkei und Italien werden Mittelstreckenraketen stationiert.

Die Warschauer Pakt-Staaten erarbeiten ihrerseits Strategien für einen präventiven Nuklearkrieg in Westeuropa. 1960 verfügt die Nato bereits über 18.743 und der Warschauer Pakt über 1.627 gefechtsbereite atomare Sprengköpfe.

Spannungen innerhalb der Nato

Trotz erster Abkommen zur Rüstungskontrolle ist der Kalte Krieg für die Nato-Staaten 1969 so heiß, dass sie sich darauf einigen, ihr ursprünglich auf 20 Jahre angelegtes Bündnis fortzusetzen.

US-Präsident Richard Nixon an einem Rednerpult bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen der Nato 1969

1969 beschließen die Nato-Staaten, das Bündnis fortzusetzen

Aber es gibt auch Probleme. Einige Nato-Mitglieder fühlen sich von den USA bevormundet, die als stärkste Militärmacht und Hauptfinanzier des Bündnisses die Führung für sich reklamieren. Besonders unzufrieden ist Frankreich, seit 1960 die dritte Atommacht in der Nato. Schon 1959 hatte die französische Regierung die Flotte dem Nato-Kommando entzogen.

1966 verlässt Frankreich sämtliche militärischen Nato-Gremien, weil sich die USA weigern, in Frankreich stationierte US-Soldaten unter französisches Kommando zu stellen. 30.000 Nato-Soldaten und drei Nato-Hauptquartiere müssen Frankreich daraufhin verlassen.

Zuckerbrot und Peitsche

1967 modifiziert die Nato ihre von den USA ausgearbeitete Nuklearstrategie. Der nukleare Gegenschlag soll nun nicht mehr vernichtend ausfallen, sondern abgestuft. Gleichzeitig setzt die Nato auf Entspannung gegenüber dem Warschauer Pakt.

Damit beginnt auf beiden Seiten ein vorsichtiges Abrüsten. Allerdings provozieren sich die beiden Militärbündnisse weiterhin wechselseitig mit Manövern an den Außengrenzen ihrer Territorien und nach wie vor fließt viel Geld in die Entwicklung und Stationierung von Waffen.

Mit dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 bekräftigt die Nato ihre Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie. Der Beschluss sieht vor, die Zahl der Mittelstreckenwaffen in Europa zu erhöhen und gleichzeitig dem Warschauer Pakt Verhandlungen anzubieten. Die Folge ist ein erneutes Wettrüsten.

Zwei OSZE-Beobachter aus der Sowjetunion im Wintermantel und Pelzmütze beim NATO-Wintermanöver

Bei Nato-Manövern sind auch OSZE-Beobachter aus der Sowjetunion dabei

Aber die USA und die Sowjetunion unterzeichnen auch Abrüstungsverträge, die sich indirekt auf die Nato und den Warschauer Pakt auswirken. Dazu gehört unter anderem der 1988 geschlossene Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (INF-Vertrag), in dem sich die USA und die Sowjetunion zur Vernichtung aller boden- und landgestützten Flugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern verpflichten.

Der Feind löst sich auf

Das Inkrafttreten des letzten Abkommens, des Vertrags über Konventionelle Streitkräfte in Europa, erlebt der Warschauer Pakt nicht mehr. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löst er sich am 1. Juli 1991 auf.

Für die Nato stellt sich damit zum zweiten Mal die Frage, ob sie weiter bestehen soll. Wie 1969 entscheiden sich die nunmehr 16 Mitglieder für eine Fortsetzung des Bündnisses. Damals steht mit dem seit Juli 1988 amtierenden Generalsekretär Manfred Wörner erstmals ein Vertreter der BRD an der Spitze der Nato.

UNSERE QUELLEN

  • Johannes Varwick: Nato in (Un-)Ordnung – Wie transatlantische Sicherheit neu verhandelt wird. Wochenschau Verlag
  • Falk Ostermann: Die Nato. Institution, Politiken und Probleme kollektiver Verteidigung und Sicherheit von 1949 bis heute. utb
  • Mathias Dembinski und Caroline Fehl (Hrsg.): Atlantische Zukünfte. Eine vergleichende Analyse nationaler Debatten über die Reform der Nato. Friedrich Ebert Stiftung
  • Recherche-Gespräche mit Dr. Mathias Dembinski, Dr. Caroline Fehl und Prof. Johannes Varwick.

Quelle: SWR | Stand: 06.10.2022, 13:00 Uhr

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