Freundschaft

neuneinhalb – Deine Reporter 06.05.2021 01:09 Min. Verfügbar bis 05.05.2099 Das Erste

Freundschaft

Freundschaft im Wandel der Zeit

Freundschaften zwischen Menschen gab es wahrscheinlich schon immer. Der Begriff hat sich aber im Laufe der Jahrhunderte stark gewandelt.

Von Anke Riedel

Von Mitstreitern und Weggefährten

Bei den alten Griechen war eine Freundschaft in erster Linie eine gut funktionierende Zweckgemeinschaft mit Nehmen und Geben. In den Werken des Dichters Homer waren sie meistens entweder Kampfgenossen oder Verwandte – oder beides. Nach dem Motto: Wer in der Schlacht neben mir kämpft, muss demnach mein Freund sein. In der römischen Republik waren Freunde zumeist lediglich politische Weggefährten.

Auch der griechische Gelehrte Aristoteles beschrieb eine Reihe von Verhältnissen als Freundschaften, die wir heute höchstens als entfernte Bekanntschaften oder Zweckgemeinschaften einstufen würden. Aristoteles lieferte auch die erste wissenschaftliche Analyse zum Thema: die "Ethica Nicomachea".

Demnach spielte das Thema Freundschaft schon in der griechisch-römischen Antike eine große Rolle. In vielen Schriften geht es um diese besondere Verbindung zwischen zwei Menschen, vor allem bei Diskussionen um die Ethik.

Wahre Freundschaft

Aristoteles lobte das Ideal einer Freundschaft: "Das ist eine Seele in zwei Körpern". Er nannte sie Tugend- oder Charakterfreundschaft. Als Voraussetzung für eine solche Bindung beschrieb Aristoteles den alltäglichen Umgang miteinander.

Auch der französische Philosoph Michel de Montaigne lobte im 16. Jahrhundert in seinen Essays die vollkommene Freundschaft, die er gegen die gewöhnliche Freundschaft oder Bekanntschaft abgrenzte: Freundschaft ist nicht einfach nur Kumpeltum.

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelten sich zunehmend Freundschaften außerhalb des Hauses. Man traf sich in Salons und verbrachte Zeit miteinander. Damit hatte die Freundschaft keinen weiteren Zweck als die Freundschaft selbst.

Durch die zunehmende Trennung von Arbeit und Privatleben gab es plötzlich Zeit für Freunde. Für den Philosophen Johann Gottfried Herder war dieses gemeinschaftliche Leben mit anderen das "Mark der wahren Freundschaft".

Mosaik mit Ringkämpfern.

Historisch: wahre Freundschaft durch gemeinsamen Zeitvertreib

Freundschaft war Männersache

Historisch betrachtet war Freundschaft eine Angelegenheit unter Männern. In der Antike galt Freundschaft als männlich besetzt, auch im Mittelalter wurde dieser Begriff fortgeführt.

In der Literatur der damaligen Zeit wird die freundschaftliche Bindung zwischen Frauen als minderwertig beschrieben. Die Beteiligten hätten zwar die Fähigkeit zur Zuneigung – allerdings fehle Frauenfreundschaften bedauernswerterweise der geistige Inhalt.

Erst im Zuge der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert brach langsam das Vorurteil, dass Frauen nicht zu Freundschaften fähig seien. Trotzdem waren Männerfreunde – wie Schiller und Goethe – noch lange die Prototypen.

Auch wenn ihnen zu Beginn ihrer freundschaftlichen Beziehung zweifellos auch Neid und Konkurrenz anhaftete, galten die berühmten Dichterkollegen als große Männerfreunde. Viele andere Beispiele sollten folgen: Karl Marx und Friedrich Engels, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, George Clooney und Brad Pitt.

Goethe- und Schillerdenkmal in Weimar.

Konkurrenten und Freunde: Schiller und Goethe

Erst seit einigen Jahrzehnten wandelt sich das Ideal der Männerkumpanei: Heute gilt die Beziehung zwischen schweigenden Sportkumpels als minderwertig, während weibliche Attribute – liebevoll, fürsorglich, verlässlich – in Freundschaften in den Vordergrund treten. Inzwischen gelten Frauen als die besseren Freunde. Eine Revolution, meinen Soziologen.

Freunde schubsen die Familie von der Couch

Dem Wandel der Zeit sind noch weitere Aspekte der Freundschaft unterworfen: Noch vor einigen Jahren war die Familie in Sitcoms wie "Eine schrecklich nette Familie" oder "Die Bill Cosby Show" der Mittelpunkt des Geschehens. Die Familie saß auf der Couch, während die Freunde kamen und gingen.

Einige Jahre später saßen bei der US-amerikanischen Serie "Friends" bereits die Freunde auf dem Sofa und durchlitten gemeinsam Lebenskrisen wie Arbeitslosigkeit und Liebeskummer.

Die sechs Hauptdarsteller der TV-Serie "Friends"

In der Serie "Friends" helfen Freunde im Alltag

Die wichtigen Themen des Lebens – Liebe, Beziehung, Bindung und Karriere – wurden hier fernab der Familie unter Gleichgesinnten abgehandelt.

Ein Spiegelbild der Realität. Denn für Soziologen ist klar, dass Freunde heutzutage mehr und mehr die Familie ersetzen. Inzwischen werden sogar Modelle überlegt, in denen Freunde pflegende Tätigkeiten im Alter übernehmen – noch vor einigen Jahren undenkbar.

Das Versorgen der Alten war Sache der Familie. Doch in Zeiten brüchig werdender Verwandtschaft, kurzlebiger Partnerschaften und eines überlasteten Wohlfahrtsstaats kann der Freundeskreis zu einer echten Alternative werden.

(Erstveröffentlichung: 2011. Letzte Aktualisierung: 17.11.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: