Porträt Elisabeth Kübler-Ross.

Trauer

Die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross

"Die Zeiten sind vorbei, in denen ein Mensch in Frieden und Würde sterben durfte", schrieb die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross 1969 wütend in ihrem Buch "On Death and Dying" (deutsch: "Interviews mit Sterbenden").

Von Jürgen Dreyer

Den Patienten reden lassen

Die These von Kübler-Ross: Die Welt wäre friedlicher, wenn Menschen endlich aufhören würden, ihre eigene Sterblichkeit zu verdrängen und den Tod zu fürchten. Kurz nach der Veröffentlichung wurde ihr Buch zum Bestseller und sie selbst zur Autorität in Sachen Sterben.

Als Erste thematisierte Kübler-Ross in "On Death and Dying" das gute, zufriedene Sterben. Neu daran war vor allem, dass die Autorin nicht selbst über das Sterben schrieb, sondern dass sie die Sterbenden reden ließ: "Wir haben den Patienten gebeten, unser Lehrer zu werden, damit wir mehr als bisher über die Endstation des Lebens wissen, über seine Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Ich berichte hier einfach die Geschichte der Patienten..." (Kübler-Ross in ihrem Vorwort).

Ihre Herkunft

Zu dieser Zeit war sie Psychiaterin und Assistenz-Professorin am Billings Hospital der University of Chicago (Illinois). Ursprünglich war Kübler-Ross jedoch Schweizerin: 1926 wurde sie in Zürich geboren.

Ihr Medizinstudium finanzierte sie größtenteils durch Nachtwachen. Während dieser Zeit besuchte sie außerdem bei freiwilligen Einsätzen das kriegszerstörte Ausland, auch das ehemalige Konzentrationslager Maidanek in Polen.

Als sie einen amerikanischen Arzt heiratete und in die USA übersiedelte, brachte sie aus dem zerstörten Europa besondere Erfahrungen mit. Sie scheute sich nicht, über den Tod zu reden, den sie während des Krieges so nah erlebt hatte.

Elisabeth Kübler-Ross, Sterbeforscherin (Geburtstag 08.07.1926)

WDR ZeitZeichen 08.07.2011 14:39 Min. Verfügbar bis 05.07.2051 WDR 5


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Hospizbewegung und Trauerforschung

Durch ihre Arbeit und vor allem durch ihre Bücher wurde sie zur Mitbegründerin der Hospizbewegung. Ziel dieser Bewegung ist es, Räume zu schaffen, in denen Sterbende sich wohl fühlen und in denen ihr Sterben persönlich begleitet wird.

Auch für die Trauerforschung wurde die Arbeit von Elisabeth Kübler-Ross wichtig. Man merkte schnell: So wie Sterbende um den Verlust ihres eigenen Lebens trauern, so ähnlich trauern auch Menschen um den Tod eines anderen.

Denn auch der Tod eines nahen Menschen ist ein unwiederbringlicher Verlust von eigenem Leben. Das Sterbephasenmodell, das Kübler-Ross entwickelte, ähnelt den Trauerphasen, die andere Forscher beschreiben.

Elisabeth Kübler-Ross an der Schreibmaschine

Elisabeth Kübler-Ross entwarf das Modell der fünf Sterbephasen

Der Wert von Sterbe- und Trauergeschichten

Es sind aber nicht die von ihr entdeckten Phasen eines Sterbeprozesses, die die Trauerforschung nachhaltig veränderten, sondern die Grundhaltung von Kübler-Ross: Sie interessierte sich für die Geschichte ihrer Patienten – für jede einzelne.

Sterbende und Trauernde rückten dank Elisabeth Kübler-Ross in ein neues Licht: Es ging nicht mehr nur um die medizinisch-psychologische Betreuung. Man begann zu ahnen, dass es sich lohnen würde, den Sterbenden und den um sie Trauernden selbst zuzuhören.

Nach langer Krankheit und mehreren Schlaganfällen starb die berühmte Sterbeforscherin im August 2004. Sie wurde 78 Jahre alt.

(Erstveröffentlichung 2002. Letzte Aktualisierung 21.06.2019)

Quelle: WDR

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