Robin Hood als edler Räuber
Von Sherwood nach Hollywood: das ist der Weg des Robin Hood, des edelsten aller Räuber der Geschichte. Ob es ihn überhaupt je gegeben hat, weiß man bis heute nicht genau. Aber in Legenden, Balladen und Erzählungen gibt es genug Stoff, um daraus viele unterhaltsame Filme über ihn zu machen.
In England drehte man schon zwischen 1912 und 1914 erste Stummfilme über ihn. In den USA begeisterte der erste Stummfilm von 1922 die Amerikaner, die sich schnell mit seinem heldenhaften Kampf gegen die Reichen und für die armen Bauern identifizierten.
Der Ehrenkodex des Robin von Locksley entsprach perfekt der klassischen Westernmoral der Zuschauer und seine Taten spiegelten den amerikanischen Pioniergeist wider. Diese Mischung wurde 1938 in einem farbenprächtigen Abenteuerfilm noch durch Spannung, Liebe, Patriotismus und einige nette Figuren in seiner Bande ergänzt.
Regisseur Michael Curtiz drehte den Klassiker "Robin Hood, König der Vagabunden". Damit war der Mythos des Helden Robin Hood für immer auf der Leinwand verewigt.
Spätere Versionen von Walt Disney bis Kevin Costner ergänzten zwar das ein oder andere Thema, bauten aber letztlich alle auf der klassischen Hollywood-Version von Curtiz auf.
Jesse James und Butch Cassidy als gute Banditen
Einen weiteren Schwerpunkt des Hollywood-Kinos bildet der Western. Er bedient den Wunsch des Publikums, für ein paar Stunden den tristen Alltag zu vergessen und echte, siegreiche Helden bewundern zu können, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
Und auch in diesem Genre stehen die Biographien der berühmtesten amerikanischen Banditen immer wieder im Mittelpunkt. Schon in den 1920er-Jahren entstanden die ersten Stummfilme über Jesse James. Sie dienten dazu, seine Taten zu verstehen und sie zu rechtfertigen. Aus dem Täter wurde ein Opfer der Schrecken des Amerikanischen Bürgerkrieges.
Der Klassiker "Jesse James – die Geburt einer Legende" mit Tyrone Power und Henry Fonda aus dem Jahr 1938 festigte dieses Bild. Er rekonstruierte alle wichtigen Stationen im Leben des Helden und erklärte sein Handeln.
Jesse James mordet und raubt im Film, schenkt aber auch einer armen Witwe die Pacht für ihr Land. Er wird dadurch zum Robin Hood des Wilden Westens. Auch zahlreiche Versuche anderer Regisseure, wahrheitsgetreuere Filme zu drehen, konnten dieses Bild nicht mehr erschüttern.
Das gleiche gilt für den berühmten Film "Zwei Banditen" von George Roy Hill aus dem Jahre 1969, in dem Paul Newman und Robert Redford das legendäre Duo Butch Cassidy und The Sundance Kid spielten. Trotz gelegentlicher Kritik überwog das Bild des guten Gangsters, mit dem sich der Zuschauer identifizieren kann.

Butch Cassidy und Sundance Kid
Schinderhannes als nationaler Held
Auch in Deutschland wird das Bild der Räuber im Film nicht von der historischen Wahrheit bestimmt. Jeder Regisseur sieht in den Helden, was er sehen will, so dass diese mit dem historischen Vorbild immer weniger zu tun haben. Das sieht man vor allem am "Schinderhannes" Johannes Bückler.
Obwohl es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass er je ein anderes Motiv für seine Morde und Überfälle hatte als die Vermehrung seines eigenen Reichtums, wird er in verschiedenen Filmen zum Helden stilisiert.
1928 erschien "Schinderhannes – der Rebell vom Rhein", gedreht nach Carl Zuckmayers Drama. Der Film zeigt, wie der Held durch die grausame Besatzung der französischen Armee zum Mörder, Räuber und Rebellen gemacht wird.
Als nationaler, politischer Kämpfer und als sozialer Rebell kämpft er letztlich einen aussichtslosen Kampf gegen die Franzosen, die ja zur Entstehungszeit des Films auch wieder Teile des Rheinlands besetzt hielten.
1958 drehte Regisseur Helmut Käutner einen weiteren Film über den Schinderhannes, der auf dem heroischen Bild des ersten Films aufbaute. Aus dem anarchischen Rebell war nun ein eleganter Räuberhauptmann geworden, der sich zwar nicht an die Gesetze hielt, aber in seinem wild-romantischen Leben bis zu seinem Untergang für das Edle kämpfte. Auch hier wurde aus dem Täter ein Opfer.

Eine Szene aus dem Spielfilm "Der Schinderhannes"
Salvatore Giuliano, "El Tempranillo" und "Lampião" als soziale Rebellen
Erst ab den 1960er-Jahren versuchte eine neue Generation kritischerer Regisseure, ihre Porträts von Räubern und Banditen wieder mehr an deren wirklichen Leben auszurichten.
Sie nahmen sich viel Zeit für Recherchen und setzten ihre Filme wie ein Puzzle zusammen, das sie dann unter verschiedenen Perspektiven betrachteten. Sie verwendeten dazu auch Presseberichte, Interviews und, falls vorhanden, Filmmaterial.
Drei sehr gelungene Beispiele für ein ausgewogenes Bild sind die Filme über den Sizilianer Salvatore Giuliano vom italienischen Regisseur Francesco Rosi, ("Salvatore Giuliano", 1962), über José María "El Tempranillo" Hinojosa Cobacho vom Spanier Carlos Saura ("Llanto por un bandido", 1963) und über Virgulino "Lampião" Ferreira ("Baile perfumado", 1997) von den brasilianischen Regisseuren Lírio Ferreira und Paulo Caldas.
Ihnen ging es nicht in erster Linie darum, den Geschmack eines großen Publikums zu befriedigen und damit möglichst viel Geld zu verdienen. Sie wollten stattdessen hinter den Legenden und Mythen die wirkliche Person rekonstruieren und ihr Handeln begreiflich machen.
Das gibt uns die Möglichkeit, wieder genauer zwischen Verbrechern, Räubern und Banditen und edlen Helden unterscheiden zu können.
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 03.01.2020)
Quelle: WDR