Bevor Frida Kahlo berühmt wurde 07:08 Min. Verfügbar bis 21.07.2026 Von funk

Kunst

Frida Kahlo

Sie war eine der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Mit ihrem Mann Diego Rivera teilte sie die Leidenschaft für die Kunst und die politische Haltung. In ihren Werken verarbeitete Kahlo ihre Gefühle und Erlebnisse – unter anderem einen schrecklichen Unfall.

Von Andrea Böhnke

Politische Unruhen und körperliche Schmerzen

Frida Kahlo, eigentlich Magdalena Carmen Frida Kahlo y Calderón, wird am 6. Juli 1907 in Coyoacán geboren, einem Vorort von Mexiko-Stadt. Sie ist die dritte Tochter des deutschen Fotografen Guillermo Kahlo und der mexikanischen Hausfrau Matilde Calderón y González.

Das Mädchen wächst zur Zeit der mexikanischen Revolution auf und erlebt mit, wie sich Arbeiter, Bauern und die indigene Bevölkerung gegen die herrschende soziale Ungleichheit in ihrem Land auflehnen. Ein jahrelanger Bürgerkrieg bricht aus.

Diese Erfahrung wird Kahlos eigene politische Gesinnung und ihre Kunst entscheidend beeinflussen. Sie wird später sogar manchmal behaupten, dass sie 1910 geboren ist – in dem Jahr, in dem die mexikanische Revolution begann.

Kahlo macht als Kind noch eine weitere Erfahrung, die ihr Erwachsenenleben prägt. Mit sechs Jahren erkrankt sie an Kinderlähmung (Polio), was damals als der Grund gilt, dass ihr rechtes Bein verkümmert.

Neurologen, die sich nach Kahlos Tod mit ihrer Krankheitsgeschichte beschäftigt haben, vermuten allerdings, dass Kahlo von Geburt an einem offenen Rücken (Spina bifida) litt. Das sei der Hauptgrund für ihre Bein- und späteren Rückenprobleme.

Zu den Beschwerden, die die Erkrankung mit sich bringt, kommt im Alter von 18 Jahren eine schwere Verletzung: Bei einem Busunfall bohrt sich eine Stahlstange durch das Becken der jungen Frau. Das Erlebnis verarbeitet Kahlo 1926 in ihrem Werk "Das Busunglück".

Die fünfjährige Frida Kahlo (vorne links auf dem Stuhl) mit Schwestern, Cousinen und Onkel | Bildquelle: Interfoto / Granger, NYC

Malerei auf dem Krankenlager

Frida Kahlo wird aufgrund ihrer Verletzung durch den Busunfall im Laufe ihres Lebens mehr als 30 Mal an Beinen und Wirbelsäule operiert, verliert ihren rechten Unterschenkel und erleidet zwei Fehlgeburten – was ihr nicht nur körperliche Qualen bereitet, sondern auch emotionale.

Unmittelbar nach dem Unglück muss die junge Frau monatelang Bettruhe halten und ein Gipskorsett tragen. Während dieser Zeit beginnt sie, sich mit der Malerei zu beschäftigen. Ihre Eltern befestigen einen Spiegel an ihrem Bett und lassen eine Staffelei anfertigen, mit deren Hilfe sie liegend malen kann.

1926, im Alter von 19 Jahren, fertigt Kahlo ihr erstes Selbstporträt, das sie ihrem damaligen Freund schenkt. "Ich male mich, weil ich sehr viel Zeit allein verbringe und weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne", wird sie heute oft zitiert.

1927 beginnt Frida Kahlo wieder am Leben außerhalb ihres Zimmers teilzunehmen: Sie geht nach draußen, trifft Freunde. Die junge Frau malt aber auch weiter Bilder; auch weil sie Geld verdienen möchte, um ihren Eltern zu helfen, ihre Arztrechnungen zu bezahlen.

Stahlkorsett und Beinprothese von Frida Kahlo in einer Ausstellung in Paris 2022 | Bildquelle: AFP / Emmanuel Dunand

Politische Einstellung und Gefühle

1928 tritt Frida Kahlo einer kommunistischen Jugendorganisation bei. Sie engagiert sich gegen Armut und Unterdrückung und für Frauen und die mexikanische Kultur und Identität. Kahlos politische Haltung spiegelt sich in ihrer Kunst wider.

Mit ihren Selbstporträts verleiht Kahlo zudem Frauen weltweit eine Stimme. Sie macht darauf aufmerksam, welche Herausforderungen Frauen meistern und welche Leiden sie ertragen müssen – vor allem im Hinblick auf die Geburt und das Muttersein.

Ihre Einstellung und Werte drückt Kahlo aber auch schon früh über ihr Äußeres aus: Sie kleidet sich stets in mexikanische Trachten, trägt traditionellen Schmuck und steckt ihre Haare hoch. Auch dafür wird sie später berühmt werden.

Nur wenige Künstler haben sich selbst in einem Gemälde doppelt porträtiert | Bildquelle: Akg images

Diego Rivera, ihre große Liebe

Über ihr politisches Engagement lernt Frida Kahlo gleichgesinnte Künstler kennen und kommt dem etwa 20 Jahre älteren Wandmaler Diego Rivera näher. Rivera ist zu dem Zeitpunkt bereits ein bekannter Künstler, der auch aus dem Ausland engagiert wird.

Das Paar führt bis zu Kahlos Tod eine zwiespältige, aber leidenschaftliche Beziehung. Er ist oft untreu und geht zwischendurch sogar eine Liaison mit einer ihrer Schwestern ein. Auch Kahlo hat Affären.

Trotzdem können sich Kahlo und Rivera nie richtig voneinander trennen. Sie heiraten insgesamt zweimal. Das erste Mal 1929, ein Jahr vor ihrem Umzug nach San Francisco. Dort soll Rivera zwei Werke anfertigen. In den folgenden Jahren leben die beiden unter anderem in New York und Detroit – bedingt durch Riveras Arbeit.

Diego Rivera, mexikanischer Maler (Geburtstag 08.12.1886) WDR ZeitZeichen 08.12.2011 14:35 Min. Verfügbar bis 05.12.2051 WDR 5

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Kahlo erregt zu dieser Zeit vor allem Aufsehen durch ihre Schönheit und ihre auffällig traditionelle Kleidung, weswegen sie auch öfter vor der Kamera von Fotografen steht. Sie definiert sich aber auch mehr und mehr selbst als Künstlerin.

Frida Kahlo und Diego Rivera verbindet die Kunst und die Politik | Bildquelle: picture alliance / Everett Collection

Erste Karriereschritte

Vor allem ihre Selbstporträts helfen Frida Kahlo, ihre Erfahrungen und Emotionen zu verarbeiten: die Schmerzen, die sie seit ihrer Kindheit begleiten (zum Beispiel in "Die gebrochene Säule", 1944). Die Fehlgeburten, die sie aufgrund ihrer Vorerkrankungen erleidet (zum Beispiel in "Henry Ford Hospital", 1932). Die emotionalen Höhen und Tiefen ihrer Ehe (zum Beispiel in "Selbstporträt mit kurzem Haar", 1940).

Was Kahlo und Rivera unabhängig aller Streitigkeiten eint, sind die Kunst und das politische Engagement. Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbricht, bietet das Paar den demokratisch gewählten Republikanern Zuflucht vor den rechtsgerichteten Nationalisten unter Führung des Generals Francisco Franco.

Ein Jahr später sorgt Diego Rivera dafür, dass der kommunistische Politiker und russische Revolutionär Leo Trotzki politisches Asyl in Mexiko erhält. Trotzki und seine Frau leben für zwei Jahre im Haus des Ehepaars Rivera-Kahlo.

Im selben Jahr ist ein Foto Kahlos im Vogue-Magazin zu sehen. Die Künstlerin stellt zudem das erste Mal eines ihrer Werke außerhalb ihrer Heimat aus. Ihr Selbstporträt mit einem Affen ("Fulang-Chang und ich") ist in einer New Yorker Galerie zu sehen – was einen Wendepunkt in ihrer Karriere darstellt.

Das Selbstporträt „Die gebrochene Säule“ von 1944 zeigt die Leiden Frida Kahlos | Bildquelle: Picture alliance / dpa / Ulrich Perrey

Internationaler Durchbruch

1938 kommt der französische Schriftsteller André Breton nach Mexiko, um Leo Trotzki zu interviewen. Während seines Aufenthalts bietet er Frida Kahlo an, ihre Kunst international zu fördern.

Ein Jahr später eröffnet die Mexikanerin ihre erste eigene Ausstellung in New York. Sie verkauft mehrere Werke und erhält durchweg positive Rückmeldungen. Kahlo bleibt für einige Monate in der Stadt. Während dieser Zeit entstehen auch einige bekannte Fotografien von ihr.

Auf Einladung von André Breton richtet Kahlo 1939 eine Ausstellung in Paris aus, zu der ihr zahlreiche bekannte Künstler gratulieren, unter anderem Marcel Duchamp, Wassily Kandinsky und Pablo Picasso.

Ein daran anschließendes Ausstellungsangebot aus London schlägt Kahlo aufgrund der politischen Situation in Europa aus; der Zweite Weltkrieg bahnt sich an. Kahlo kehrt nach Mexiko zurück, wo Rivera und sie sich scheiden lassen.

Knapp ein Jahr später heiraten die beiden allerdings in San Francisco erneut. Kahlos Karriere erreicht in den folgenden Jahren einen Höhepunkt: Sie stellt unter anderem in Boston, New York und Philadelphia aus und lehrt zeitweise an der Nationalen Kunstschule in Mexiko.

Frida Kahlo steht oft vor der Kamera, einmal sogar für das Modemagazin „Vogue“ | Bildquelle: WDR / Interfoto / Madeleine

Erneute Operationen und Tod

Ab 1940 verschlechtert sich Frida Kahlos Gesundheitszustand stetig. Um die Schmerzen in ihrer Wirbelsäule zu minimieren, muss sie unter anderem einen Streckverband tragen und immer wieder Bettruhe halten.

Da die Schmerzen jedoch nur bedingt nachlassen, unterzieht Kahlo sich 1946 einer größeren Operation an der Wirbelsäule und verbringt zwei Monate in einem New Yorker Krankenhaus. Zurück in Mexiko muss sie für acht Monate ein Stahlkorsett tragen.

Auch in den folgenden Jahren wird sie immer wieder operiert und verbringt längere Zeit im Bett. Wie zu Beginn ihrer Karriere malt sie nun öfter liegend.

Zu ihrer ersten Ausstellung in ihrem Heimatland Mexiko im Jahr 1953 wird sie liegend in einem Krankenbett gefahren. Wenige Monate später wird ihr rechter Unterschenkel amputiert, dann erkrankt sie an einer Lungenentzündung.

Entgegen den Empfehlungen ihrer Ärzte schließt sich Frida Kahlo am 2. Juli 1954 im Rollstuhl sitzend einem Protest an, der sich gegen die geplante Intervention der USA in Guatemala richtet. Rivera begleitet die bereits sehr angeschlagene Kahlo.

Elf Tage später, am 13. Juli 1954, stirbt Frida Kahlo an ihrem Leiden. Sie wird nur 47 Jahre alt.

"Das kleine Reh oder das verwundete Reh oder Karma" (1946) | Bildquelle: Akg-images

Kahlos künstlerische Wirkung bis heute

Nach Kahlos Tod wird ihre Kunst von der feministischen Kunstbewegung in den 1960ern und 1970ern wiederentdeckt und als feministische Botschaft interpretiert. In den folgenden Jahrzehnten werden ihre Werke auch international bekannter.

André Breton, Kahlos Förderer, bezeichnete ihre Kunst zu Lebzeiten als surrealistisch. Der Surrealismus ist eine Kunstrichtung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden ist.

Surrealistische Künstler versuchen die Grenzen zwischen Realität und Traum aufzulösen und kreieren oft Bilder, die eigenartig und unerklärlich erscheinen. Eine der bekanntesten Vertreter ist Salvador Dalí.

Tatsächlich enthalten viele von Kahlos Werken fantastische Elemente, die der Welt des Unterbewussten oder der Träume zuzuordnen sind. Deswegen ordnen einige Kunstexperten sie auch heute noch dem Surrealismus zu. Kahlo selbst sieht sich jedoch nicht als Teil der Kunstbewegung.

Ihre Selbstporträts zeigen auf einzigartige Weise ihre persönlichen Erfahrungen und Gefühle. Sie betrachtet sie weniger als Traumvorstellungen und eher als eine Art visuelles Tagebuch.

2022 ist die immersive Ausstellung "Viva Frida Kahlo" in München zu sehen | Bildquelle: xx

Symbolik ihrer Werke

Kahlo drückt in ihren Werken auf verschiedene Weise ihre Gefühle aus. Mit Dornen und Nägeln versucht sie zum Beispiel die Schmerzen und Leiden zu verbildlichen, die ihre Erkrankungen und die Untreue ihres Mannes Rivera Diego verursachen (zum Beispiel in "Selbstporträt mit Dornenkette und Kolibri", 1940).

Auf vielen Selbstporträts ist Kahlo zudem an der Seite von Tieren wie Affen, Hunde und Vögel zu sehen, die sie auch als Haustiere hält. Die Tiere können ebenfalls als Symbole für die Gefühle der Künstlerin gedeutet werden.

Im "Selbstporträt mit Kette aus Dornen und Kolibri", das Kahlo nach ihrer Scheidung fertigt, hängt ein toter Kolibri an der Dornenkette um ihren Hals. Kolibris gelten in der mexikanischen Kultur als Boten der Liebe.

In vielen Kunstwerken Frida Kahlos taucht die mexikanische Folklore auf; zum Beispiel in Form von bunten Kleidern, traditionellem Schmuck und hochgesteckten Haaren. Ihre Identität als Mexikanerin ist ein wichtiges Motiv in Kahlos Gemälden.

Im Selbstporträt verarbeitet Kahlo ihren Liebeskummer | Bildquelle: Picture Alliance / dpa / Jorge Rios Ponce

Kahlos besondere Farbpalette

Frida Kahlo greift in ihren Werken auf eine charakteristische Farbpalette zurück, die Kunstexperten heute oft als "lebendig", "intensiv" und "dramatisch" beschreiben. Eine der prominentesten Farben ist Rot; es taucht zum Beispiel in Form von Blut auf oder in Form ihres Herzens und steht für Schmerz, Leiden und Liebe.

Eine weitere wichtige Farbe in Kahlos Kunst ist Grün: vom blassen Pastellgrün bis zum leuchtenden Smaragdgrün. Grün symbolisiert die Natur und das Leben. So ist die Künstlerin in ihren Selbstporträts oft vor großblättrigen, grünen Pflanzen zu sehen. Auf einem Bild, das ihre Hochzeit mit Rivera zeigt, trägt sie ein grünes Kleid.

Die Mexikanerin verwendet in ihren Werken auch oft Blau, vor allem für den Hintergrund. Die Farbe kann als Symbol für Spiritualität angesehen werden oder für die Atmosphäre. In einigen Gemälden ist der Himmel blass-rauchblau, in anderen leuchtend azurblau.

Ihre herausragende Biografie, ihre Bedeutung für den Feminismus und die mexikanische Identität sowie ihr einzigartiger Stil sind nur drei Gründe, warum Frida Kahlo heute als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gilt.

Ihre Gemälde sind oder waren in vielen bedeutenden Ausstellungen weltweit zu sehen, zum Beispiel in der Galerie Beaux-Arts in Paris, im Museum of Modern Art in New York und im Tate Modern in London.

1931 malt Frida Kahlo ihre erste Hochzeit mit Diego Rivera | Bildquelle: Interfoto / fine art images

(Erstveröffentlichung 2023. Letzte Aktualisierung 27.04.2023)

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