Der britische Schauspieler Peter Cushing auf einem Schwarzweiß-Photo. Das Brustbild zeigt ihn in der Filmrolle des Sherlock Holmes mit einer karierten Tweedmütze und einem karierten Regencape. Seine linke Hand hält eine Pfeife an den Mund.

Sherlock Holmes

Sherlock Holmes' Methode: Beobachtung und Logik

Wie arbeitet das Hirn eines Meisterdetektivs? Sherlock Holmes sammelt zunächst möglichst viele Fakten und Beobachtungen. Dann zieht er aus einem winzigen Detail eine ganze Reihe von verblüffenden Schlussfolgerungen. Hier ein paar Beispiele.

Von Christoph Teves

"Der blaue Karfunkel"

Für Dr. Watson, den Partner des Ermittlers Sherlock Holmes, ist ein alter Hut nur ein alter Hut. "Was können Sie schon aus dem alten schäbigen Filz schließen?", fragt er in der Kurzgeschichte "Der blaue Karfunkel".

Für Sherlock Holmes dagegen erzählt dieser Hut die Lebensgeschichte seines Besitzers: Die Größe des Hutes verrät ihm, dass der Hutträger sehr intellektuell sein muss, denn "ein Mann mit so einem so großen Hirn muss auch etwas drin haben." Da der Hut eine sehr gute Qualität hat und rund drei Jahre alt ist, war der Besitzer vor drei Jahren wahrscheinlich wohlhabend.

Nun macht er allerdings schlechte Zeiten durch, schließt Holmes, denn sonst hätte er sich schon längst einen neuen Hut zugelegt. Tinte, die die Flecken kaschieren soll, ist für Holmes ein Zeichen dafür, dass sich der Mann seine Selbstachtung trotz seiner schlimmen Lage erhalten hat.

Hausstaub auf dem Hut verrät dem Meisterschnüffler, dass der Mann nur selten fortgeht, Schweißflecken im Hutinneren, dass er schnell schwitzt und vermutlich in körperlich schlechter Form ist.

Der Mann hat graue Haare, die vor kurzem noch geschnitten wurden und die er mit Zitronencreme pflegt – das erkennt Holmes an den winzigen Haarspitzen, die er im Hut findet. Und: Der Hutbesitzer hat wahrscheinlich keinen Gasanschluss im Haus – auf dem Hut befinden sich Talgspritzer.

Also, folgert Holmes, hat der Mann häufig Kontakt mit Talglichtern, "wenn er nachts die Treppe hinaufgeht, wahrscheinlich den Hut in der einen Hand, eine tropfende Kerze in der anderen." Fast überflüssig zu erwähnen, dass Holmes mit seinen Vermutungen recht behält.

"Die einsame Radfahrerin"

Für Frauen hat Sherlock Holmes in der Regel wenig übrig. Wenn überhaupt, wecken sie eher sein analytisches als sein romantisches Interesse – zum Beispiel die junge hübsche Frau in der Erzählung "Die einsame Radfahrerin":

Spät abends sucht sie den Detektiv in seiner Wohnung in der Baker Street auf. Holmes mustert sie "mit so viel Aufmerksamkeit und so wenig Gefühl wie ein Wissenschaftler, der ein Präparat ansieht", schreibt Holmes' Erfinder Arthur Conan Doyle.

Ergebnis dieser Musterung: Ihre Schuhsohlen sind seitlich aufgeraut, das muss durch das ständige Reiben an Fahrradpedalen kommen – also ist sie Radfahrerin. Ihre Fingerkuppen sind löffelförmig, zugleich liegt in ihrem Gesicht eine "Geistigkeit" – keine Frage: sie ist Musikerin. Und ihr Teint verrät ohne Zweifel, dass sie auf dem Land lebt.

Sherlock Holmes und Dr. Watson im Zug

Sherlock Holmes und Dr. Watson im Zug

"Ein Skandal in Böhmen"

"Mein lieber Holmes, das ist zuviel. Sie wären sicherlich verbrannt worden, hätten Sie ein paar Jahrhunderte früher gelebt," entfährt es Dr. Watson, als ihn der Detektiv wieder einmal mit seiner Kombinationsgabe verblüfft.

Holmes erkennt in "Ein Skandal in Böhmen" nicht nur auf den ersten Blick, dass sein Freund wieder als Arzt praktiziert, sondern auch, dass er vor kurzem bei Regen übers Land spaziert ist. Doch woher weiß er das nur, schließlich hat Watson danach doch die Kleider gewechselt? Und wie kommt Holmes darauf, dass die Watsons ein "äußerst ungeschicktes und nachlässiges Dienstmädchen" haben?

Alles eine Frage genauer Beobachtung und logischer Schlüsse: Holmes hat an der Innenseite von Watsons linkem Schuh sieben Schnitte bemerkt. Offensichtlich stammen sie von jemandem, der die Sohle abgekratzt hat, um getrockneten Schlamm zu entfernen und dabei sehr nachlässig war.

Und zu schließen, dass der Doktor wieder praktiziert, ist für Holmes ein Leichtes, als er merkt, dass Watson nach Jod riecht und einen Silbernitrat-Fleck am Finger hat.

"Die Liga der rothaarigen Männer"

Der stämmige Mann, der Holmes in "Die Liga der rothaarigen Männer" um Hilfe bittet, ist für den Meisterdetektiv ein offenes Buch: Dass er zu den Freimaurern gehört, ist noch leicht zu erkennen, da er – entgegen der Regeln des Bundes – das Erkennungszeichen offen trägt.

Doch wie kommt Holmes nur darauf, dass sein Klient längere Zeit in China gelebt hat? Hier kommt dem Detektiv sein umfassendes Wissen zu Hilfe: Der Mann hat über dem linken Handgelenk einen Fisch tätowiert. Holmes, der sich intensiv mit Tätowierungen befasst hat, sieht sofort: "Die Art, wie die Schuppen des Fisches mit einem Anflug von Rosa eingefärbt sind, ist ganz bezeichnend für China."

Zu folgern, dass der Mann handwerklich gearbeitet und vor kurzem ziemlich viel geschrieben hat, ist für den Meister der Logik reine Formsache: Die rechte Hand des Klienten ist größer als die linke. Ganz klar, er hat damit gearbeitet, darum sind die Muskeln stärker entwickelt.

Und: "Was kann man schon schließen, wenn der rechte Ärmel fünf Zoll hoch glänzt und der linke einen abgeriebenen Fleck nahe am Ellbogen hat, an der Stelle, wo Sie den Arm auf das Pult aufstützen." Für Holmes ein eindeutiger Hinweis auf intensive Schreibarbeit.

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 16.06.2021)

Quelle: WDR

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