Eine Hand blättert eine Seite in einem roten Buch um

Krimis

Die Geschichte des Kriminalromans

Sherlock Holmes, Miss Marple und die Bücher von Henning Mankell kennt heute jeder Krimi-Fan. Doch die Blutspur in der Literatur hat eine noch viel ältere Geschichte.

Von Alfried Schmitz

Die Spur führt in die Antike

Schon in den großen Dramen der Antike ging es um Mörder und ihre Taten. Sophokles und Euripides waren zwei bedeutende Dichter, die mit ihren Tragödien und Komödien breite Bevölkerungskreise ansprachen und begeisterten.

Mit dem Drama war eine neue Kunstgattung entstanden, durch die es möglich war, packende Handlungen zu schildern und den Menschen nahe zu bringen.

Der griechische Tragiker Aischylos schuf schon um 500 vor Christus äußerst populäre Werke, die meist auf den Mythen seiner Heimat basierten. Eines seiner wichtigsten Werke ist die Orestie-Trilogie.

In der griechischen Sagenwelt gilt Orest als Sohn des Agamemnon und der Klytämnestra. Durch das Gesetz der Blutrache gezwungen, tötet er seine Mutter und deren Geliebten, nachdem die beiden seinen Vater umgebracht hatten.

Orest wird daraufhin halb wahnsinnig und zudem auch noch von den Rachegöttinnen gehetzt. Vom athenischen Gerichtshof wird er aber freigesprochen. Diese Trilogie ist so bedeutend, dass sie auch in nachfolgenden Literaturepochen bearbeitet wird.

Kupferstich, nach einer Büste von Peter Paul Rubens, zeigt den griechischen Dichter Sophokles.

Der griechische Tragödiendichter Sophokles

Mordlust in Reden und Moritaten

Die Lust des Volkes an blutrünstigen Geschichten wurde auch im alten Rom befriedigt: Der Staatsmann und Anwalt Cicero (106-43 vor Christus) war ein Mann des Wortes. Vor allem seine veröffentlichten Gerichts-Reden dienten den römischen Bürgern als spannende Unterhaltung.

In einem Prozess, den Cicero gegen den sizilianischen Gouverneur Verres führte, ging es um Kunstraub und Mord. Cicero baute seine Anklagerede so geschickt auf, dass sich der Beschuldigte ohne den Versuch einer Verteidigung freiwillig in die Verbannung begab.

Noch spektakulärer war der Fall des jungen Mannes Sextus Roscius, der des Vatermordes angeklagt wurde. Cicero stellte den wahren Tathergang klar und erwirkte in dem zunächst ausweglos erschienenen Fall einen Freispruch.

Eine Marmorbüste zeigt den römischen Redner, Schriftsteller und Politiker Marcus Tullius Cicero

Cicero war Redner, Schriftsteller und Politiker

Auch im frühen Mittelalter waren Geschichten über Verbrechen beliebt. Da die meisten Menschen weder schreiben noch lesen konnten, wurden diese Moritaten von Bänkelsängern öffentlich und gegen Geld vorgetragen. In ihren oftmals frei erfundenen Liedtexten wussten sie spannende Geschichten von dreisten Raubrittern und marodierenden Banden zu erzählen.

Mit Gutenbergs Erfindung der Buchdruckkunst erhielt die Kriminalliteratur Mitte des 15. Jahrhunderts ein neues Medium. Das Volk liebte Geschichten über Mord und Totschlag, Betrügereien, Ehebrüche und Zechprellereien. Handlungsschilderung und Sprachstil waren allerdings noch von niedrigem Niveau.

Blutige Klassiker

Im Zeitalter der Aufklärung gewann ab Mitte des 18. Jahrhunderts die Literatur im Allgemeinen und die Kriminalliteratur im Besonderen an Bedeutung und sprachlicher Qualität.

Die veröffentlichten Verhandlungsprotokolle der sogenannten "Halsbandaffäre" wurden 1786 zu einem Bestseller. Buchhandlungen wurden regelrecht gestürmt. Jeder wollte Einzelheiten des Falls um die Gräfin de la Motte lesen, die den französischen Kardinal Rohan mit einer gelungenen Betrügerei hinters Licht geführt und blamiert hatte.

Die Aufzeichnungen und Veröffentlichungen solcher wahrer Kriminalfälle nannte man "Pitavalgeschichten" – nach dem Pariser Juristen François Gayot de Pitaval, dem ersten Herausgeber eines solchen "Gerichtssaalreports".

Auch die deutschen Klassiker bereicherten und kultivierten das Genre: Friedrich Schillers "Räuber", Heinrich von Kleists "Michael Kohlhaas", Annette von Droste-Hülshoffs "Judenbuche" und besonders E.T.A. Hoffmanns Kriminalnovellen wie "Das Fräulein von Scuderi" (1818) bildeten eine literarische Brücke zu den moderner aufgebauten Kriminalnovellen des Engländers Wilkie Collins ("Die Frau in Weiß" 1860) oder des Amerikaners Edgar Allen Poe.

Poe erlangte mit seiner Romanfigur Auguste Dupin große Bekanntheit. Seine Erzählungen "Der Doppelmord in der Rue Morgue" (1841) oder "Das Geheimnis um Marie Roget" (1842) wurden richtungsweisend für das gesamte Genre des Kriminalromans bis in die heutige Zeit.

Eine zeitgenössisches Schwarzweiß-Porträt zeigt den amerikanischen Schriftsteller Edgar Allan Poe.

Edgar Allan Poe (1809-1849)

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 16.06.2021)

Quelle: WDR

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