Paris
Paris in Literatur und Film
Lässt sich die Faszination einer Stadt festhalten? Ja, zum Beispiel im Buch oder im Film. Die Straßen, Gebäude und Bewohner von Paris haben schon viele Künstler weltweit inspiriert. Auch in einigen Filmen spielt die französische Metropole eine Hauptrolle.
Von Kathrin Schamoni
Paris – ein Fest fürs Leben (1965)
"Wenn du das Glück hattest, als junger Mensch in Paris zu leben, dann trägst du die Stadt den Rest deines Lebens in dir, wohin du auch gehen magst, denn Paris ist ein Fest fürs Leben." So sagte es Ernest Hemingway 1950 zu einem Freund. Er hielt seine Erinnerungen an Paris fest und schrieb sie während seiner letzten Lebensjahre auf. 1965 wurde das Buch "Paris – Ein Fest fürs Leben" veröffentlicht, vier Jahre nach seinem Tod.
Die Geschichten beschreiben die Jahre von 1921 bis 1926, in denen der US-Schriftsteller mit seiner Frau in der französischen Hauptstadt lebte: Es ist eine arme Zeit, so wird es in Hemingways Erzählungen immer wieder deutlich, aber dennoch sprüht er vor Heiterkeit, Zufriedenheit – einer vollkommenen Unbeschwertheit.
Paris, das sind für ihn Cafés, in denen er schreiben und Leute beobachten kann, Spaziergänge durch den Jardin du Luxembourg. Im Museum sieht er sich an Cézanne satt, in der kleinen Buchhandlung mit Bibliothek "Shakespeare and Company" leiht er sich Bücher aus. Reichtum bedeutet für Hemingway die "Genugtuung in der Arbeit", Glück ist für ihn zum Beispiel der Frühling.
"Wenn der Frühling kam, gab es keine Probleme, außer dem, wo man am glücklichsten sein würde." Hemingways Paris-Erzählungen spiegeln das Lebensgefühl der 1920er-Jahre wider und des Pariser "vie bohème", der schillernden, unkonventionellen Lebensart, die man vor allem in Künstlerkreisen fand.
Hemingway (rechts) liebte die Bibliothek "Shakespeare and Company"
Das Parfum (Buch 1985 und Film 2006)
Die ersten Seiten wird man nie vergessen – dieses Ekel erregende Paris, der Markt in der Nähe des Cimetière des Innocents, wo Blut, Urin, Kot und Kadaver einen bestialischen Gestank zusammenbrauen. Patrick Süskind beschreibt genau – so virtuos, dass man glaubt zu riechen, was man liest. Sein Debütroman "Das Parfum" von 1985 wurde ein weltweiter Bestseller. Er begibt sich in das Paris des 18. Jahrhunderts.
Im Jahre 1738 wird der Junge Jean-Baptiste Grenouille geboren, auf dem Fischmarkt inmitten der Abfälle. Seine Mutter wird nach seinem ersten Schrei hingerichtet. Von niederer Geburt als dieser Grenouille kann niemand sein. Er selbst hat keinen Geruch und wird deswegen überhaupt nicht wahrgenommen.
Dafür hat er die feinste Nase, die man sich vorstellen kann, erschnüffelt sich die Welt – und wird auf seiner Suche nach dem perfekten Duft zum Frauenmörder. Grenouille ist ein abstoßender Held, doch mit seiner sprachlichen Finesse zieht Süskind den Leser auf die Seite des Mörders. So eine erfolgreiche Geschichte verlangt nach einer Verfilmung. Aber kann der Film leisten, was die Sprache leistet?
Weltweit gelesen: "Das Parfum"
"Das Parfum" galt lange als unverfilmbar: Zum einen, weil dem Buch Handlungsdynamik und dem Helden Emotionalität fehlen – zwei Dinge, auf die das Kino kaum verzichten kann. Zum anderen, weil Patrick Süskind den Stoff nicht hergab.
Erst 15 Jahre nach der Veröffentlichung erwarb Produzent Bernd Eichinger die Rechte und machte sich mit Regisseur Tom Tykwer ans Werk. 2006 kam der Film, der ein Budget von 60 Millionen Euro verschlungen hatte, in die Kinos. Gedreht wurde nicht in Paris, sondern in den Bavaria-Studios in München, in der französischen Provence sowie im spanischen Barcelona, Girona und Figueres.
Eine Literaturverfilmung? "Ich hasse dieses Wort", sagte Eichinger. "Ich schaffe ein Werk auf der Grundlage eines anderen." Er übersetzte den angeblich unverfilmbaren literarischen Stoff ins Medium Film. Die erste Szene: Aus einem Lichtkegel wird eine Nase, die die gesamte Leinwand einnimmt. Die Nüstern beben. Grenouille sitzt im Gefängnis, zum Tode verurteilt. Das Ende.
Und dann der Anfang: die Geburt auf dem Fischmarkt, diese perversen, intensiven Bilder des Ekels, die einen mit all ihren Details packen, die Kehle zuschnüren. Denn man glaubt zu riechen, was man sieht.
Ben Whishaw spielt in den Film den Jean-Baptiste Grenouille
Außer Atem (1960)
Da liegt dieser junge Mann zusammengebrochen auf der Straße, angeschossen von einem Polizisten. Im Todeskampf schneidet er Grimassen, sagt seiner Geliebten Patricia, die über ihn gebeugt ist, noch diese letzten Worte: "Du bist wirklich zum Kotzen."
Es sind berühmte Worte, die die kühle, abstoßende, irritierende, aber auch eindringliche Atmosphäre im Film "Außer Atem" ("À bout de souffle") verdichten. Dieses Gefühl überträgt sich auf das Bild der Stadt: Das Paris der 1950er-Jahre strahlt etwas Atemloses und Rastloses aus, wirkt farblos, schmucklos und einfach, was der gesamten Drehweise des Films entspricht.
Der mehrfach ausgezeichnete Klassiker von Jean-Luc Godard (1960) hat wie kein anderer Film den Stil der sogenannten Nouvelle Vague geprägt. Filmkritiker François Truffaut, der das Szenario des Films entwickelt hatte, sagte voraus, dass das Kino danach nicht mehr so sein würde, wie es einmal war.
Jean-Luc Godard hat eine kleine filmische Revolution vorangetrieben. Die Nouvelle Vague steht für eine Stilrichtung im französischen Film Ende der 1950er-Jahre, die sich gegen das etablierte kommerzielle Kino wandte und eine Art neue Ästhetik erfand.
Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in "Außer Atem"
In "Außer Atem" schockierte Godard die Zuschauer, indem er die geltenden ästhetischen Gesetze auf den Kopf stellte. Gedreht wurde nicht im Studio, sondern auf der Straße, auf dem Land, in Zimmern – "dort wo das Leben ist", wie der französische Regisseur betonte. Es gab kein Kunstlicht, die Handkamera brauchte kein Stativ, keine Schienen, die szenischen Anschlüsse stimmten nicht, Dialoge wurden abgebrochen, die klassische Erzählweise auf den Kopf gestellt.
All das erzeugt besondere Bilder: Da ist einerseits die Enge in den Räumen, die Beklemmung hervorruft. Andererseits vermitteln Außenaufnahmen von der Hektik auf den Straßen, mit dem Blick auf den Arc de Triomphe und den Eiffelturm ein lebendiges und klassisch schönes Paris.
In den Hauptrollen spielen Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg. Es geht um die Liebesgeschichte des Kriminellen Michel mit der amerikanischen Studentin Patricia. Sie begegnen sich auf den Champs-Elysées. Der Autodieb und Polizistenmörder will sie überreden, gemeinsam mit ihm nach Rom zu fliehen.
Die Kamera begleitet das ungewöhnliche Paar – im Auto, im Hotelzimmer, wo sie über Liebe und Tod sinnieren. Patricia verpfeift Michel am Ende an die Polizei. Daher richtet er diese grausamen letzten Worte an sie: "Du bist wirklich zum Kotzen."
Die fabelhafte Welt der Amélie (2001)
Montmartre erlebte einen Tourismusboom, ein kleines Café namens "Deux Moulins" erlangte große Berühmtheit: Der Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" hat Paris ein bisschen verändert.
Jean-Pierre Jeunet hat ein Filmmärchen geschaffen, in dem die französische Metropole wahrlich zur Märchenstadt verklärt wird – ein Paris, das mit der heutigen Großstadt nur wenig gemein hat: Autolärm, Touristenströme, Müll, Graffiti gibt es nicht, vieles wurde digital entfernt. Die Stadt hat eine nostalgische Wirkung, ein bisschen so, als sei die Zeit stehen geblieben.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Amélie Poulain, Kellnerin im Café "Deux Moulins" auf Montmartre. Sie lebt in ihrer eigenen kleinen Traumwelt, hat eine blühende, herzerfrischende Fantasie.
Kellnerin Amélie lebt in ihrer Traumwelt
Amélie findet eines Tages in ihrem Badezimmer eine kleine Schachtel ihres Vormieters. Sie möchte, dass er sie zurückbekommt, lässt sie ihm wie zufällig zukommen – und als sie sieht, wie glücklich er ist, beschließt Amélie, von nun an viel Gutes zu tun. Sie wird zur Liebesbotin und kämpft schließlich auch für ihr eigenes Herz.
Der Film handelt von der Magie des Alltags, von den kleinen Dingen des Lebens – all das verpackt Jean-Pierre Jeunet in rauschende Bilder. Er spielt mit extremen Großaufnahmen, mit ungewöhnlichen Kamerafahrten und zahlreichen digitalen Effekten.
Doch jenseits des Traums entdeckt der Zuschauer auch Tragik: zum Beispiel die Kühle von Amélies Eltern, den Tod der Mutter – erschlagen von einer herabstürzenden Selbstmörderin.
Dennoch bleibt "Die fabelhafte Welt der Amélie" ein bezaubernder, optimistischer Film. Die zuvor weitgehend unbekannte Schauspielerin Audrey Tautou gab ihm ihr Gesicht, ihren kindlichen, besonderen Charme – es ist ihr Gesicht, das man seitdem ein Stück weit mit Paris, Montmartre und dem Café "Deux Moulins" verbindet.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 18.03.2020)
Quelle: WDR