Natutschutzgebiet Rur in Jülich

Flüsse und Seen

Lebensraum Fluss

Bäche und Flüsse sind ein einzigartiges Biotop. Die Artenvielfalt ist groß im, am und auf dem Wasser. Doch das Ökosystem unserer Fließgewässer ist in Gefahr.

Von Ulrich Neumann

Binnengewässer in Not

Der Mensch hat in den vergangenen zwei Jahrhunderten viele Flüsse begradigt und Teile der ursprünglichen Überflutungsflächen durch Bebauung versiegelt. Dadurch ist nicht nur die Hochwassergefahr gestiegen: Viele Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Renaturierungsprogramme sollen jetzt retten, was noch zu retten ist.

Den Bächen und Flüssen geht es mittlerweile wieder etwas besser, aber immer noch nicht gut. Durch den Bau von Kläranlagen und die Überwachung der kommunalen Abwässer aus Industrie und Landwirtschaft hat sich vor allem die Wasserqualität verbessert.

Inzwischen sind wieder mehr als 60 verschiedene Fischarten in unseren Binnengewässern heimisch geworden – mit Ausnahme des Störs.

Doch nach wie vor belasten zahlreiche Faktoren das Ökosystem der Gewässer. Durch den Bau von Staustufen ist die Durchgängigkeit der Flüsse für manche Fischarten beeinträchtigt und die natürliche Sedimentation gestört.

Gravierender ist jedoch, dass durch die Zerstörung von Flussauen der Lebensraum vieler Kleinlebewesen und damit das Nahrungsaufkommen und die Laichgründe der Flussbewohner verloren gegangen sind.

Fluss-Auen als natürlicher Hochwasserschutz

Fluss-Auen beherbergen auf kleinem Raum eine ungeheure Artenvielfalt. In diesem Habitat sind gut zwei Drittel aller Lebensgemeinschaften Mitteleuropas vertreten. Fluss-Auen sind auch ein natürlicher Hochwasserschutz.

In den vergangenen 200 Jahren sind zahlreiche Auen im Zuge der Bewirtschaftung verloren gegangen, tausende Flusskilometer wurden aufgestaut, zubetoniert und in ein künstliches Korsett verlegt.

Gab es beispielsweise entlang der Elbe ursprünglich einmal eine über 6000 Quadratkilometer große Wasserausdehnungsfläche, so stehen dafür heute nur noch etwas mehr als 800 Quadratkilometer zur Verfügung.

Die Folgen bekommen wir immer dann zu spüren, wenn im Frühjahr nach Schneeschmelze und heftigen Niederschlägen die Flüsse über die Ufer treten und die Flutpegel auf neue Höchststände klettern.

Altarm des Rheins in Frankreich

Auenlandschaft am Rhein

Renaturierung als Zukunftsaufgabe

Bei der Flussrenaturierung geht es vor allem darum, die Gewässer an ausgewählten Abschnitten wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Ein Ziel ist es, die natürlichen Schwankungen zwischen dem Grundwasser und dem Oberflächenwasser wieder herzustellen. Dafür müssen Staumauern beseitigt, abgetrennte Altarme wieder angeschlossen und künstlich angelegte Steinaufschüttungen entfernt werden.

Solche Maßnahmen verändern nicht nur den Temperaturhaushalt, die Strömungsgeschwindigkeit und den Sedimenttransport, sie beeinflussen auch den Lebensraum auf der Flusssohle.

Hier sollen durch Renaturierungsmaßnahmen wieder Sand- und Kiesflächen entstehen, die mit ihrem Lückensystem vor allem Kleinstlebewesen Nahrung, Unterschlupf und Laichgründe bieten. So könnte sich allmählich in Bächen und Flüssen wieder ein natürlicher Lebensraum mit einer ausgeprägten Artenvielfalt bilden.

Vom Bach zum Fluss

Fließgewässer nehmen in der Regel zwischen Quelle und Mündung einen charakteristischen Verlauf, der hinsichtlich Strömung, Sauerstoffgehalt sowie dem Nährstoffanteil, der Bodenbeschaffenheit und dem Temperaturhaushalt charakteristische Unterschiede aufweist. So folgt auf die noch nährstoffarme Quellregion der eher gradlinige Oberlauf.

Anschließend geht es weiter in den sich sanft dahin schlängelnden Mittellauf und dann in den typischerweise mäandrierenden Unterlauf mit dem häufig breiten Mündungsgebiet.

Den drei Haupteinteilungen werden bestimmte Leitorganismen zugeordnet. So gilt der Oberlauf als Forellenregion, der Mittellauf als Äschen- und Barbenregion und der Unterlauf als Brassen-, Kaulbarsch und Flunderregion.

Selbstregulierung der Flüsse

In Flüssen besteht ein eigenes ökologisches Gleichgewicht, in dem recycelt wird, was an Schad- und Schwebstoffen in die Flüsse eingeleitet wird. Dabei übernehmen Muscheln eine wichtige Funktion. Sie sind die biologischen Kläranlagen im Ökosystem der Flüsse.

In unseren Gewässern gibt es etwa 30 verschiedene Muschelarten, die nahezu unablässig das Flusswasser filtrieren. Dabei entziehen die Muscheln dem Wasser Schwebstoffe, die dann dem eigenen Stoffwechsel zugeführt und in Form von Nährstoffen wieder in den Schlammboden abgeführt werden.

Muscheln spielen auch bei der Fortpflanzung von Fischen eine wichtige Rolle. Bestimmte Fischarten wie beispielsweise Bitterlinge nutzen Muscheln zur Laichablage. Die Weibchen platzieren ihr Gelege dabei in das geschützte, sauerstoffhaltige Milieu der Kiemen von Flussmuscheln.

Muscheln und Steine

Muscheln übernehmen in Flüssen eine wichtige Funktion

Fremdlinge in unseren Gewässern

Bäche und Flüsse sorgen unablässig für den Artenaustausch und transportieren Erbmaterial flussabwärts. Im Zuge der Vernetzung der Gewässer gelangen dabei allerdings auch fremde Pflanzen und Tiere in die Flüsse, die hier ideale Wachstumsbedingungen finden, weil oft die Fraßfeinde fehlen.

So verzeichnen die Wissenschaftler seit der Öffnung des Main-Donau-Kanals einen deutlichen Anstieg von Tier- und Pflanzenarten aus Osteuropa.

Eine andere Art, die aus China stammende Wollhandkrabbe, kam vermutlich um die Jahrhundertwende im Ballastwasser von Handelsschiffen in unsere Binnengewässer und konnte sich hier rasend schnell ausbreiten.

Andere Neozoen aus fernen Ländern, wie zum Beispiel der nordamerikanische Ochsenfrosch, wurden vermutlich ausgesetzt und drohen einheimische Amphibien zu verdrängen.

Ochsenfrosch

Der nordamerikanische Ochsenfrosch

Quelle: SWR | Stand: 26.05.2020, 11:45 Uhr

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