Fotografie des Alten Rathauses in Leipzig

Mathematik

Der Goldene Schnitt

Ein bestimmtes Teilungsverhältnis einer Strecke empfinden wir in Kunstwerken und Architektur als besonders ästhetisch: den so genannten "Goldenen Schnitt". Auch in der Natur kommt diese Aufteilung vor.

Von Susanne Decker

Hieronymus Lotter und das Leipziger Rathaus

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Architekt Hieronymus Lotter mit dem Bau des Leipziger Rathauses beauftragt (350 Jahre später wurde ab 1899 ein neues gebaut – deshalb spricht man heute im Zusammenhang mit Lotters Gebäude vom Alten Rathaus).

Kunst und Architektur standen damals, in der Epoche der Renaissance, ganz im Zeichen mathematischer Klarheit und Schönheit. Und so ließ Hieronymus Lotter den Turm des Rathauses nicht mittig an der Vorderfront des Gebäudes anbringen, sondern positionierte ihn ungefähr dort, wo er die Vorderfront im Goldenen Schnitt teilte.

Unser Bauchnabel

Ein Punkt teilt eine Strecke im Goldenen Schnitt, wenn das Verhältnis von der Gesamtstrecke zum größeren Abschnitt genau gleich zum Verhältnis des größeren Teilabschnittes zum kleineren ist.

Dabei kommt immer die gleiche Zahl heraus: 1,618033988749... (diese Zahl wird auch "Phi" genannt – nach dem griechischen Bildhauer und Architekten Phidias). Aber was hat das Ganze mit unserem Bauchnabel zu tun?

Man nehme als Gesamtstrecke die Körpergröße eines Menschen. Teilt man dann die Gesamtlänge des Menschen durch den Abstand "Boden-Bauchnabel", ergibt das dieselbe Zahl, die auch dabei herauskommt, wenn man den größeren Teil-Abstand "Boden-Bauchnabel" durch den kleineren Teil-Abstand "Bauchnabel-Kopf" teilt, nämlich "Phi". Unser Bauchnabel liegt also mittendrin im Goldenen Schnitt.

Gebäude und Gemälde

Bereits in der Antike fanden die Menschen diese spezielle geometrische Teilung einer Strecke besonders schön. Die erste genaue Beschreibung des Goldenen Schnittes stammt von Euklid (325 bis 270 vor Christus).

Ein griechischer Tempel.

Auch antike griechische Tempel wurden nach dem Goldenen Schnitt erbaut

Seitdem entdeckte man den Goldenen Schnitt in der Mathematik, in Kunstwerken und der Architektur, in der Musik und vor allem auch in der Natur. Eine Blütezeit erlebte der Goldene Schnitt in der Renaissance.

Vor allem in dieser Kunstepoche setzten ihn Maler oder Bildhauer oft ganz bewusst ein, um eine harmonische Aufteilung des Bildes zu erzielen. Ein berühmtes Beispiel aus dieser Zeit ist das Gemälde "Triumph der Galatea" von Raffael, bei dem der Kopf der Galatea genau im Goldenen Schnitt der Bildhöhe liegt.

Ausschnitt aus dem Gemälde "Triumph der Galatea" von Raffael (1512)

Nicht nur bei Raffaels "Triumph der Galatea" spielt der Goldene Schnitt eine Rolle

Auch heute wird der Goldene Schnitt in der Kunst oft verwendet. So strikt geplant und berechnet, wie zum Beispiel in der Renaissance, wird er von Malern, Bildhauern, Architekten und Fotografen heute allerdings eher seltener.

Er wird in den meisten Fällen ganz intuitiv eingesetzt. Viele Menschen finden die "göttliche Proportion", wie der Goldene Schnitt auch genannt wird, einfach naturgemäß schön.

Quelle: SWR | Stand: 13.01.2020, 09:39 Uhr

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