Ratten

Warum Ratten besser sind als ihr Image

Etwa 870 Tonnen Giftköder werden pro Jahr in Deutschland gegen Ratten und Mäuse ausgelegt – eine riesige Menge. Aber warum gehen wir überhaupt gegen Tiere vor, die eigentlich sehr menschenscheu sind? Vielleicht weil wir Angst vor ihnen haben? Ein paar beruhigende Fakten über Ratten…

Von Tanja Fieber

Einige Fakten über Ratten

  • Die Tiere sind scheu und nachtaktiv.
  • Als soziale Tiere brauchen sie Artgenossen, weil sie nicht gerne alleine sind.
  • Ratten sind überraschend schlau.
  • Es gibt Millionen von Ratten in Deutschland. Trotzdem sehen Experten keine Gefahr, dass eine Rattenplage droht.
  • Wie alle Wildtiere können auch Ratten Krankheiten übertragen, das kommt in Deutschland aber sehr selten vor.
  • Die Pest wurde nicht von den Ratten selbst übertragen, sondern vom Rattenfloh.
  • Ratten, die als Haustier gehalten werden, gehören einer zahmen Zucht-Rattenart an und sind keine Wildtiere.

Ratte ist nicht gleich Ratte

Es gibt weltweit 65 Ratten-Arten. In Deutschland leben nur zwei Ratten-Arten wild:

  • Die Hausratte ist hierzulande sehr selten geworden. Sie mag es warm und lebt eher hoch oben, zum Beispiel auf dem Dachboden.
  • Die Wanderratte dagegen ist bei uns weit verbreitet. Sie lebt gerne tief unten, mag Wasser, gräbt Gänge und liebt Abwasserkanäle, um sich unentdeckt und geschützt bewegen zu können. Deswegen ist auch die Kanalisation ein Schlaraffenland für die Wanderratte: Sie ernährt sich von dem, was wir durch die Toiletten spülen. Über Abwasserrohre kann das Tier in Keller gelangen, in denen es sich ebenfalls wohlfühlt.

Die Farbratte ist keine Wildratte, sondern eine zahme Zucht-Rattenart, die meist als Haustier gehalten wird. Sie stammt von der Wanderratte ab, ist aber kein Wildtier mehr.

Warum Ratten ein schlechtes Image haben

Im Mittelalter wandern die ersten Hausratten nach Europa ein. Sie fressen Abfall und das Wichtigste, was der Mensch zum Überleben braucht: Getreide. Damit haben die Tiere ihren schlechten Ruf weg: Ratten leben auf Kosten anderer.

Seit dem Mittelalter sind Ratten auch untrennbar mit der Pest verbunden. Dabei übertragen sie nicht selbst die Krankheit, sondern der Rattenfloh, der in ihrem Fell lebt. Pest-Seuchen gibt es heute nicht mehr, vereinzelt bricht die Krankheit aber wieder aus. Der Pesterreger selbst gilt jedoch als nahezu ausgestorben.

Zwar stimmt es, dass Ratten bis zu 120 verschiedene Krankheiten übertragen können, das gilt jedoch für viele andere Wildtiere auch. Es werden jeweils nur die Krankheiten weitergegeben, die in einer Region sowieso vorkommen.

In Europa ist das in extrem seltenen Fällen die Leptospirose. Das ist eine seltene Infektionskrankheit, die durch Bakterien, die sogenannten Leptospiren, ausgelösten wird. In Deutschland erkranken nur rund 100 Menschen pro Jahr an Leptospirose.

Kritisch beäugt werden Ratten zudem, weil sie überaus vermehrungsfreudig sind. Die Tiere gelten als sexuell maßlos. Eine Rattenmutter kann theoretisch knapp 2.000 Kinder und Kindeskinder pro Jahr bekommen. Das schürt die Angst, dass die Tiere eine Plage auslösen könnten. Dafür gibt es aber keine Anzeichen.

Rattengift nur noch in Profi-Hand

Ratten gelten als gefräßig, dreckig, als Krankheitsüberträger – ein sagenhaft schlechter Ruf! Kein Wunder, dass viele die Tiere loswerden wollen. Das Mittel der Wahl ist Rattengift. Es ist das einzig wirksame Mittel gegen Ratten, aber gefährlich für den Menschen, für Haustiere und auch für andere Wildtiere, die nicht bekämpft werden sollten, wie etwa Schleiereulen und Mäusebussarde.

Neue Rattengifte werden nur unter strengen Auflagen zugelassen und nur an Profis verkauft. Rund 870 Tonnen Giftköder werden jährlich in Deutschland gegen Ratten und Mäuse ausgelegt.

Rattengift funktioniert heute anders

Ratten sind Rudeltiere. Sie brauchen Artgenossen und achten auch auf sie. Frisst eine Ratte einen Giftköder und verendet daran, schreckt das andere Ratten ab. Sie fressen den Köder nicht mehr.

Rattengift funktioniert deshalb heute anders als früher: Die tödliche Wirkung setzt zeitverzögert ein. Ratten, die das Gift gefressen haben, sterben erst einige Tage später. So schöpfen andere Ratten keinen Verdacht und fressen den Giftköder ebenfalls.

Wie man Ratten ohne Gift abwehrt

  • Spülen Sie kein Essen in der Toilette oder im Ausguss herunter.
  • Im Freien sollten Mülltonnen, Müllsäcke und die Biotonne verschlossen stehen und nicht mit Essensresten überquellen. Stellen Sie Müll für die Müllabfuhr, wenn möglich, erst kurz vor Abholung vors Haus.
  • Werfen Sie keine Essensreste auf den Komposthaufen, vor allem kein Fleisch und keine Knochen.
  • Werfen Sie Essensreste nicht einfach in die Natur.
  • Tierfutter lockt Ratten an. Lassen Sie größere Mengen deshalb nicht im Freien stehen.
  • Taubenfütterungen locken Ratten an.
  • Halten Sie Hof- und Gartentüren sowie Kellerfenster geschlossen (vor allem im Winter).
  • Sichern Sie Türspalten, Ritzen, Fugen und das Abflusssystem gegen Ratten ab (Bürstenstreifen, Gitter etc.).

Schlau und sozial

Wie schlau und sozial Ratten sind, zeigt folgendes Experiment, das Sie im Video ganz oben auf dieser Seite sehen können: Zwei Ratten befinden sich in getrennten Ställen, die nebeneinander stehen. Vor den Käfigen liegen eine Haferflocke und ein Stab.

Ein Tier angelt durch die Gitterstäbe nach der Haferflocke. Doch das Futter liegt außer Reichweite. Das andere Tier könnte mit dem Stab nachhelfen. Hilft eine Ratte der anderen? Ja! Die Ratte ist kooperativ und hilft mit dem Stab nach, so dass das andere Tier an die Haferflocke kommt.

Doch Ratten sind nicht nur lernfähig, sondern auch nachtragend: Hilft eine Ratte einer anderen Ratte bei diesem Experiment nicht, wird ihr auch nicht geholfen.

Info: Das Experiment findet bei Rotlicht statt. Das ist ein Trick, weil Ratten nur nachts aktiv sind, Forscher im Dunkeln aber nichts sehen. Ratten wiederum können Rotlicht nicht sehen und denken so, es sei Nacht.

Quelle: BR | Stand: 10.01.2020, 10:20 Uhr

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