Die Geschichte der Pest

Planet Wissen 29.06.2023 01:44 Min. UT Verfügbar bis 04.11.2027 SWR

Leben im Mittelalter

Der Schwarze Tod – die Pest in Europa

Mitte des 14. Jahrhunderts wurden die Menschen in Europa plötzlich von einer seltsamen Krankheit heimgesucht: Sie bekamen Fieber, merkwürdige Beulen am ganzen Körper, und kurz darauf starben sie – einer nach dem anderen. Die Pest war ausgebrochen.

Von Martina Janning

Die Pest breitete sich in Europa aus

Die Pestpandemie beginnt 1347 und verbreitet sich rasant. Innerhalb weniger Jahre stirbt geschätzt ein Drittel der europäischen Bevölkerung. Zuverlässige Opferzahlen gibt es nicht, Schätzungen schwanken zwischen 20 und 50 Millionen Toten.

Im Jahr 1353 endet die erste Pestwelle, die später "Schwarzer Tod" genannt werden sollte. Heutzutage wird der Begriff "Schwarzer Tod" auch häufig als Synonym für die Pest benutzt – und nicht nur für die Pestpandemie von 1347 bis 1353.

Europakarte mit Teilen des asiatischen Raumes, auf der in Farben die Ausbreitung der Pest ab 1347 eingetragen ist.

Nach dem Abebben der ersten Welle kam es in der Folgezeit immer wieder zu Pestausbrüchen in Europa, die bis ins 18. Jahrhundert hinein reichten. 1722 brach die Pest ein letztes Mal in Europa aus: in Marseille und der Provence.

Schon lange vor dem 14. Jahrhundert hatte es Pestepidemien gegeben. In Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, war die Krankheit immer wieder ausgebrochen – bis sie für mehrere hundert Jahre verschwand.

Der "Schwarze Tod" hatte seinen Ursprung im Tian-Shan-Gebirges in Kirgistan, wie ein Forscherteam 2022 zeigen konnte. Im Jahr 1347 kam der "Schwarze Tod" dann nach Mitteleuropa – vermutlich auf Schiffen aus dem Vorderen Orient.

Von der Krim-Halbinsel aus verbreitete die Pest sich über die Handelswege in Europa aus. Unter anderem waren Frankreich, England, Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland und schließlich sogar Grönland betroffen.

Auf der Suche nach Erklärungen für die Pest

Die Menschen des Mittelalters wussten nicht, woher die Pest kam. Das schürte Vermutungen: Schlechte Winde, eine ungünstige Sternen-Konstellation oder verseuchtes Wasser wurden vielerorts für die unheimliche Krankheit verantwortlich gemacht.

Wer das Wasser verseucht hatte, stand schnell fest: Die Juden wurden als Brunnenvergifter beschuldigt und daraufhin in ganz Europa verfolgt, vertrieben oder ermordet.

Die Juden – Sündenböcke für die Pestepidemie

03:40 Min. UT Verfügbar bis 13.10.2027

Skeptiker bemerkten zwar, dass auch Juden an der Pest erkrankten und starben, konnten aber nicht viel bewirken: Ganze jüdische Viertel wurden abgebrannt und ihre Bewohner ermordet – in Köln beispielsweise gab es Schätzungen zufolge mindestens 800 Opfer.

Krankheiten und Glaube im Mittelalter

Für die Menschen im Mittelalter waren Krankheiten vor allem eine Strafe Gottes. Deshalb nahm während großer Seuchen auch die Verehrung bestimmter Heiliger wie der Jungfrau Maria oder die des Pestheiligen Sebastian zu. Auch unternahmen die Menschen vermehrt Wallfahrten zu heiligen Orten.

Manche Gläubige begannen damit, sich selbst zu geißeln: Sie zogen tagelang umher und schlugen sich währenddessen selbst blutig. Durch diese Maßnahmen wollten sie für ihre Sünden büßen und dafür sorgen, dass sie es im Jenseits gut haben würden.

Menschen mit Kreuzen, die sich selbst blutig schlagen.

Geißler in Deutschland (1349)

Auch der Ablasshandel der Kirche nahm in den Zeiten der Pest enorm zu. Mithilfe von Ablässen konnten sich die Menschen für eine bestimmte Zeit von ihren Sünden und somit auch vom reinigenden Prozess des Fegefeuers freikaufen.

Aderlass und Kräuter als Mittel gegen die Pest

Im Mittelalter kannten die Menschen kein wirksames Mittel gegen die Pest. Häufig wurden die Erkrankten zur Ader gelassen: Man entnahm ihnen Blut, indem man – meist im Oberarm – in eine Vene schnitt.

Andere Kranke bekamen Brechmittel oder Einläufe. Heute ist bekannt, dass diese Maßnahmen den ohnehin geschwächten Patienten und Patientinnen eher schadeten als nützten.

Wie Menschen sich vor der Pest geschützt haben

Planet Wissen 29.06.2023 06:45 Min. UT Verfügbar bis 04.11.2027 SWR

Um sich zu schützen, trugen die Menschen Tücher oder Masken vor dem Gesicht. Außerdem versuchten sie durch das Verbrennen duftender Hölzer und Kräuter sowie durch das Versprühen von Essig- oder Rosenwasser gegen die Krankheit anzukämpfen. Doch auch das blieb erfolglos.

Isolation und Quarantäne im Kampf gegen die Pest

Anfangs wurden die Pestkranken ohne besondere Vorkehrungen in die örtlichen "Hospitäler" gebracht und die Toten wurden normal beerdigt. Später kennzeichnete man die Häuser von Pestkranken mit einem Kreuz und die Betroffenen mussten in Zwangsunterkünfte außerhalb der Städte ziehen.

Mit der zunehmenden Zahl der Toten verbreitete die Pest Angst und Schrecken unter den Menschen. Das führte dazu, dass die Erkrankten oft von ihren eigenen Familien und Freunden im Stich gelassen wurden. Selbst Geistliche verweigerten ihren Beistand.

Erst nachdem mehrere Hunderttausend Menschen gestorben waren, wurde manchen klar, dass die Ausbreitung der Seuche durch die Isolation der Kranken eingedämmt werden konnte.

Zeichnung: Pestkranke in einem Hospital

Die ersten Pestkrankenhäuser entstanden in Europa um 1423

1377 erließ die Stadt Ragusa (heute Dubrovnik) ein Gesetz, wonach es Schiffen verboten war, in den Hafen einzulaufen, wenn diese aus einem von der Pest betroffenen Gebiet kamen. Die Besatzung sollte zuerst 30 Tage auf einer nahegelegenen Insel verbringen.

Etwa zu dieser Zeit führten auch andere europäische Städte derartige Quarantänemaßnahmen ein, zum Beispiel Venedig, wobei sie die Dauer der Isolation teils auf 40 Tage verlängerten. Warum sie die Zeitspanne ausdehnten, können Historiker bis heute nicht genau beantworten.

Gesichert ist jedoch, dass der Begriff "Quarantäne" auf diese Verlängerung zurückgeht, denn "quaranta" ist das italienische Wort für 40. Um 1423, lange nachdem die Verbreitung der Seuche ihren Höhepunkt erreicht hatte, entstand auf einer Insel bei Venedig das erste Pestkrankenhaus Europas.

1894 wurde das Rätsel der Pest gelüftet

Erst 1894 wurde der Pesterreger vom Schweizer Arzt Alexandre Yersin entdeckt. Heute weiß man, dass es sich bei der Pest um eine bakterielle Infektionskrankheit handelt, die im Mittelalter vor allem durch Ratten und andere Nagetiere auf Flöhe und durch Flohbisse auf Menschen übertragen wurde.

Alexandre Yersin, Entdecker des Pesterregers (Geburtstag 22.09.1863)

WDR ZeitZeichen 22.09.2013 14:29 Min. Verfügbar bis 20.09.2053 WDR 5


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Die Ratten trugen das verantwortliche Bakterium in sich und wurden von den Flöhen gestochen. Starben die Ratten, befielen die Flöhe auch Menschen und infizierten sie. Da die hygienischen Zustände im Mittelalter schlecht und sowohl Flöhe als auch Ratten alltäglich waren, konnte sich die Krankheit gut ausbreiten.

Ratte in der Kanalisation.

Von Ratten über Flöhe auf den Menschen übertragen

Pestarten und heutige Verbreitung

Es gibt die Beulenpest (Bubonenpest), die Lungenpest und die abortive Pest. Infolge der Beulen- oder der Lungenpest kann es außerdem durch die Erreger zu einer Blutvergiftung (Pestsepsis) kommen.

Bei der Beulenpest entstehen an den Stellen der Flohstiche schwarze Flecken, die Patienten bekommen am ganzen Körper eitrige Beulen. Teilweise haben sie hohes Fieber und starke Schmerzen. Wenn die Kranken rechtzeitig behandelt werden, können sie die Beulenpest überleben.

Die Lungenpest kann Folge der Beulenpest sein, sie kann aber auch durch Tröpfchen (zum Beispiel beim Husten oder Niesen) von Mensch zu Mensch übertragen werden. Unbehandelt führt sie auch heute noch innerhalb von wenigen Tagen zum Tod.

Im Mittelalter hatten die Menschen gegen die Lungenpest keine Überlebenschancen. Sie bekamen Atemnot und hatten Husten mit blutigem Auswurf, schließlich versagten Lunge und Herz.

Die abortive Pest ist eine milde Form der Krankheit: Die Betroffenen haben kaum Symptome – meist nur leichtes Fieber und eine geringe Lymphknotenschwellung. Anschließend sind sie für längere Zeit gegen die Krankheit immun.

Pesterreger unter dem Mikroskop.

Pestbakterium "Yersinia pestis"

Während die Pest im Mittelalter weltweit verbreitet war, tritt sie heute nur noch vereinzelt auf.

In manchen Regionen Nord- und Südamerikas sowie in weiten Teilen Nordasiens und Afrikas existiert der Pesterreger noch. Jedes Jahr erkranken laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis zu 3000 Menschen an der Pest. Immer wieder gibt es Ausbrüche der Krankheit, zum Beispiel 2021 auf Madagaskar.

Die Pest ist heute gut mit Antibiotika behandelbar.

Quelle: SWR | Stand: 05.12.2022, 15:00 Uhr

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