Buchmalerei: Aderlass im Mittelalter

Klostermedizin

Medizin im Mittelalter

Um die Betreuung und Verpflegung von Kranken kümmerten sich im Mittelalter vor allem religiöse Ordensgemeinschaften. Für Nonnen und Mönche war das ein Akt christlicher Nächstenliebe.

Von Sabine Kaufmann

Die Vier-Säfte-Lehre

Ihr Wissen schöpften die Nonnen und Mönche aus den medizinischen Überlieferungen des klassischen Altertums. Vorbilder waren der Grieche Hippokrates und der römische Arzt Galen.

Auch der Glaube an wundertätige Heilige war ein wichtiger Aspekt bei der Krankenbetreuung. Kirchliche Dogmen und Erlasse behinderten aber auch das freie Forschen und Operieren und somit die gezielte Erweiterung des Wissens um die Zusammenhänge im menschlichen Körper.

Gemälde von Hippokrates, der den Kranken hilft

Hippokrates sorgte für die Kranken

Die Mediziner des Mittelalters gingen davon aus, dass die Gesundheit des Menschen vom ausgewogenen Verhältnis seiner vier Körpersäfte abhängig sei. Dazu zählten sie Blut, Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Cholera) und schwarze Galle (Melancholie).

Diese vier Säfte regelten angeblich nicht nur den Stoffwechsel des menschlichen Organismus' und das körperliche Gleichgewicht von Kälte und Wärme, Trockenheit und Feuchtigkeit. Sie prägten auch den Gemütszustand jedes Menschen, je nachdem, welcher der vier Säfte überwog.

Die Theorie: Dominierte das Blut, war man ein sanguinischer Typ; überwog der Schleim, zählte man zu den Phlegmatikern. Hatte die gelbe Galle das Übergewicht, wurde man zu den Cholerikern gerechnet, und wer ein Übermaß an schwarzer Galle aufwies, war demnach melancholisch veranlagt.

Das Ungleichgewicht der Körpersäfte

Als Krankheitsursache sah man oft eine fehlerhafte Lebensführung im Hinblick auf Kleidung, Nahrung oder körperliche Anstrengung an. Starke Gerüche, hohe Temperaturen und Feuchtigkeit zählten ebenso zu den Krankheitsauslösern. Durch das Einatmen von "schlechter" Luft, die zu viel Feuchtigkeit enthalte, werde das Blut mit "erhitzter Fäule entzündet" und verdorben, so glaubte man.

Letztendlich seien viele Krankheiten auf ein Ungleichgewicht der Körpersäfte zurückzuführen und mit einer Wiederherstellung der Harmonie zu behandeln. Daraus entwickelten sich Diäten in allen möglichen Formen.

Bei der Reinigung (Griechisch: "katharsis") wurden dem Körper alle überflüssigen oder ungesunden Säfte entzogen. In den Reinigungsprozess involviert wurde nicht nur die erkrankte Stelle, sondern der gesamte Organismus, der als Einheit empfunden wurde.

Buchmalerei zeigt in drei Bildern Untersuchungen im Mittelalter

Untersuchungen im Mittelalter

Die Heilung

Durch Anwendungen wie Schwitzen und Aderlassen versuchte man das vermeintlich krankmachende Gift wieder aus dem Körper herauszubringen. Das beliebteste Heilverfahren war der Aderlass. Er wurde bei vielen Krankheiten angewendet, aber auch als Entlastung nach allzu üppigen Mahlzeiten. Dieses Verfahren wurde an verschiedenen Adern vorgenommen.

Es gab festgelegte Tage, an denen zur Ader gelassen wurde, Tage des abnehmenden Mondes wurden bei dieser Praktik bevorzugt. Eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Kranken nahmen Heilkräuter ein.

Kenntnisse über die pharmakologische Wirkung von Pflanzen und Heilkräutern lieferte das ganzheitliche Denken der Hildegard von Bingen bereits im frühen Mittelalter.

Die Ausbildung

Wer Mediziner werden wollte, absolvierte bei einem bereits geprüften Arzt eine mehrjährige Lehrzeit. Der angehende Heilkundige begleitete den Arzt bei den Patientenbesuchen. Durch Zuschauen und Beobachten sollte der Kandidat den Arztberuf erlernen. Parallel hatte der Student aber auch Vorlesungen an Universitäten oder medizinischen Schulen zu besuchen.

Die medizinischen Akademien bildeten das eigentliche Zentrum der Medizin im Mittelalter. Die erste Hochschule im Rang einer Universität existierte bereits im 9. Jahrhundert in Byzanz. Die erste medizinische Schule in Europa entstand 1057 im süditalienischen Salerno. Es folgten die medizinischen Fakultäten an den Universitäten von Bologna, Montpellier, Paris, Padua, Prag und Oxford.

Die Prüfung bestand aus einem theoretischen Teil, die der Kandidat vor den Gelehrten der Schule ablegen musste. Der medizinische Lehrmeister bestätigte die praktischen Fähigkeiten. Und nach dem Schwur des Hippokratischen Eides erhielt man die Erlaubnis, als Arzt zu arbeiten.

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 29.04.2024)

Quelle: SWR

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