Eine Heuschrecke mit braun-weiß gemustertem Rücken und hellgrünem Bauch segelt durch die Luft und rudert mit den sechs Beinen.

Insekten und Spinnentiere

Heuschrecken

Heuschrecken liefern mit ihrem Zirpen den Soundtrack zum Sommer. In den warmen Monaten zwischen Juni und September erklingt die Melodie der Insekten auf Feldern, auf Wiesen und in Gärten.

Von Joachim Budde

Viele Arten sind Allesfresser

Mit ihren grünen, beigen oder braunen Panzern sind Heuschrecken gut getarnt. Nähert sich ein Fressfeind oder Mensch ihnen doch mal zu sehr, springen sie davon. Das sind die zwei Besonderheiten dieser Insektengruppe, die Wissenschaftler Orthopetera nennen: Ihre kräftigen Sprungbeine und ihr Gesang.

Laien vermuten oft, dass sich Heuschrecken rein vegetarisch ernähren. Dabei verzehren nur wenige Heuschreckenarten ausschließlich Gras und andere Pflanzen. Viele sind Allesfresser und haben es zum Beispiel auf Blattläuse abgesehen.

Unter Gärtnern haben vor allem die Maulwurfsgrillen einen schlechten Ruf, weil man ihnen nachsagt, dass sie die Wurzeln von Pflanzen anknabbern. Aber auch sie fressen Insekten und deren Larven, Würmer und Schneckeneier. Daher sind sie sogar sehr nützlich. Weil erschreckte Gärtner ihnen oft zu sehr nachstellen, sind sie aus vielen Regionen bereits verschwunden und stehen als gefährdet auf der Roten Liste.

Eine große kaffeebraune Grille mit zu Schaufeln geformten Vorderbeinen liegt in einem Erdloch. Sie hat sich um einen Haufen von zig Eiern gelegt, die wie winzige karamellfarbene Weintrauben aussehen.

Die Maulwurfsgrille legt ihre Eier in eine unterirdische Höhle

Die Larven ähneln den erwachsenen Tieren

Wenn die Heuschrecken im Hochsommer nicht mehr zu übersehen oder vielmehr zu überhören sind, haben sie den größten Teil ihres Lebens bereits hinter sich. Schon im Frühjahr schlüpfen sie aus ihren Eiern. Anders als zum Beispiel Schmetterlinge, die die ersten Wochen ihres Lebens als Raupen verbringen, sehen die Larven oder Nymphen der Heuschrecken den erwachsenen Tieren recht ähnlich. Allerdings fehlen ihnen in diesem Entwicklungsstadium zum Beispiel noch die Geschlechtsteile und die Musikinstrumente.

Die kleinen Schrecken fressen und wachsen und häuten sich immer wieder, bis sie im Juni oder Juli fertig entwickelt sind. Dann gehen sie auf Partnersuche. Die Männchen singen für die Weibchen, trommeln auf Blätter oder schnarren im Flug. Es gibt Arten, bei denen können die Weibchen antworten, in den meisten Fällen bleiben sie jedoch stumm.

Haben sich zwei Partner gefunden, produziert das Weibchen ein paar Hundert Eier. Die platziert es mit einem Legebohrer, der oft weit über den Hinterleib hinausragt, in den Boden, in die Stängel von Pflanzen oder in die Rinde von Bäumen.

Maulwurfsgrillen graben mit ihren Vorderbeinen, die geformt sind wie Grabschaufeln, kleine Kammern im Boden. Die Weibchen bewachen und putzen darin die Eier, um sie vor Pilzen und Bakterien zu schützen. Alle anderen Heuschreckenarten überlassen ihren Nachwuchs sich selbst.

Bei den meisten Heuschreckenarten überwintern die Eier und schlüpfen erst im nächsten Frühjahr. Anders ist es zum Beispiel bei den Grillen: Sie entwickeln sich im ersten Jahr zu Larven, überdauern in diesem Stadium den Winter und sind dann bereits im nächsten April ausgewachsen.

Makroaufnahme von der Kante eines Heimchenflügels, an der sich etwa 30 bernsteinrbaune abgerundete Zähnchen aneinanderreihen.

Das Heimchen erzeugt seinen Gesang mit kleinen Zähnchen auf seinem Vorderflügel

Singen mit den Flügeln, hören mit den Beinen

Es gibt zwei Gruppen von Heuschrecken: die Langfühlerschrecken und die Kurzfühlerschrecken. Die Fühler der Langfühlerschrecken sind – wie der Name schon sagt – in der Regel extrem lang, mindestens so lang wie der restliche Körper. Die meisten Arten dieser Gruppe haben ein rechtwinkliges Profil. Lediglich die Grillen haben von der Seite betrachtet einen runden Kopf, bei den Schiefkopfschrecken ist er keilförmig. Die Fühler der Kurzfühlerschrecken dagegen sind maximal halb so lang wie ihr Körper.

Bei den Langfühlerschrecken sind die Adern der vorderen Flügel hart und verstärkt – wie bei einem Waschbrett. Die Männchen reiben die Flügel schnell übereinander und erzeugen so ihr Zirpen. Bei den Kurzfühlerschrecken ist das anders: Grashüpfer etwa reiben kleine Zähnchen an den Hinterbeinen über die harte Kante ihrer Flügel. Die Ödlandschrecken wiederum haben kleine runde Zähnchen auf ihren Flügeln, die sie an ihren Hinterschenkeln entlangratschen.

Heuschrecken besitzen zwar – wie der Mensch – Augen und Mund am Kopf und die Fühler gehen als Nase durch, aber Ohren sucht der Betrachter vergeblich. Langfühlerschrecken haben ihre Ohröffnungen, Trypanalorgan genannt, am vordersten der insgesamt drei Beinpaare unterhalb der Knie. Bei den Kurzfühlerschrecken liegen sie an beiden Seiten des hinteren Körpersegments, oberhalb der Hüfte des hintersten Beinpaares.

Ausschnitt eines braunen Insektenbeins mit spitzen Borsten und einer nierenförmigen fast weißen Mulde.

Die Hör-Öffnung sitzt beim Heimchen am Vorderbein unterhalb des Knies

Die meisten Heuschrecken mögen es warm

Die meisten Heuschrecken mögen es warm und trocken. Die Artenvielfalt ist daher im Rheintal, am Main und im Mitteldeutschen Trockengebiet zwischen Harz und Saale am größten. Ist es den Sommer über feucht und eher kühl, sterben viele Heuschrecken an Pilzkrankheiten.

Je wärmer es in Deutschland wird, desto bessere Chancen haben Heuschrecken aus Süd- und Südwesteuropa, sich hierzulande neue Lebensräume zu erschließen. Seit einigen Jahren breiten sich zum Beispiel die Große Schiefkopfschrecke und die Italienische Schönschrecke aus. In den Städten ist es noch einmal etwas wärmer. Das Weinhähnchen hat sich daher inzwischen im gesamten Ruhrgebiet angesiedelt.

Manche Heuschrecken begnügen sich bei ihren Wanderungen nicht mit den eigenen Fähigkeiten. Die Südliche Eichenschrecke zum Beispiel kann sich problemlos an Autos festklammern und verträgt auch Tempo 120 auf der Autobahn. Auf diese Weise legt sie große Distanzen zurück. Einige Arten überleben hierzulande dennoch nicht ohne den Menschen: Heimchen etwa brauchen im Winter geschützte Keller. Auch Gewächshausschrecken vertragen – ihr Name deutet darauf hin – keine Kälte.

Eine hellgrüne Heuschrecke mit roten Augen und langen orangefarbenen Fühlern hält sich an ein paar Grashalmen fest.

Die Südliche Eichenschrecke ist nach Mitteleuropa eingewandert

Spezialisten für jeden Lebensraum

Wer Heuschrecken nur mit Wiesen in warmen Gefilden in Verbindung bringt, übersieht ihre Vielfalt: Spezialisierte Arten haben sich so gut wie jeden Lebensraum erobert. Die Sumpfheuschrecke etwa liebt Feuchtgebiete. Der Kiesbank-Grashüpfer bevorzugt die Mäander wilder Alpenflüsse, kommt aber auch auf Sandheiden im Ostdeutschen Tiefland vor. Krauss’ Höhlenschrecke wiederum haben Insektenforscher in einer Marmor-Höhle im Fichtelgebirge, im Mayener Grubenfeld in der Eifel und an einigen Stellen im Elbsandsteingebirge gefunden.

Manche Arten, zum Beispiel die Waldgrille, brauchen Laubwälder. Besonders stark spezialisiert hat sich die Ameisengrille: Sie lebt in Ameisennestern und tarnt sich vermutlich, indem sie den Geruch ihrer Gastgeber annimmt. Auch ansonsten verhält sie sich unauffällig. Sie kann weder singen noch hören, wird dafür aber mehrere Jahre alt.

So unterschiedlich wie ihre Lebensräume sind auch die Größen der Heuschrecken: Die Ameisengrille ist die kleinste Art; die Tiere werden gerade einmal vier Millimeter lang. Das Grüne Heupferd ist die größte Heuschrecke und bringt es auf über vier Zentimeter, ähnlich wie die Maulwurfsgrillen.

Wie alle Insekten sind auch Heuschrecken unersetzlich als Nahrung für andere Tiere. Viele Eidechsen, aber auch viele Vogelarten sind darauf angewiesen. Weißstörche zum Beispiel fressen sehr gern Heuschrecken. Wenn wir Menschen eine vielfältige Vogelwelt erleben wollen, müssen wir dafür sorgen, dass es auch den Heuschrecken gut geht.

Ein Vogel mit beigem Rücken, cremefarbener Brust, braunem Schnabel und fast schwarzen Augen hält eine Heuschrecke im Schnabel. Er sitzt auf dem Rand seines Nests. Drei rosafarbene Küken sperren ihre gelben Schnäbelchen auf.

Ein Neuntöter füttert seine Küken mit Heuschrecken

(Erstveröffentlichung 2021. Letzte Aktualisierung 03.03.2021)

Quelle: WDR

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