Zwei Menschen mit großen weißen Keschern stehen in einer Wiese mit hüfthohem Gras.

Insekten und Spinnentiere

Heuschrecken findet man am besten mit den Ohren

Der Biogeograf Tobias Rautenberg ist über das Beobachten von Vögeln und Libellen auf die Heuschrecken gekommen. Er hat Tipps für alle, die sich für die Tierchen interessieren.

Von Joachim Budde

Beitrag zur Wissenschaft

"Ich bin immer daran interessiert, neue Sachen kennenzulernen", sagt Tobias Rautenberg. Er ist seit 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet für die Erfassung von Tier- und Pflanzenarten zuständig – so wie er es im Studium der Biogeographie an der Universität Trier gelernt hat.

Ursprünglich hat er Vögel beobachtet. Dann ist er erst auf Libellen aufmerksam geworden, und schließlich auch auf Heuschrecken. Dass er die Tierchen ins Visier genommen hat, liegt auch daran, dass die Heuschrecken eine gut überschaubare Gruppe der Insekten sind. Gerade einmal um die 80 Arten sind in Deutschland heimisch – für Insekten ist das sehr wenig.

Tobias Rautenberg hat zudem das Glück, dass sein Arbeitsplatz in einem Gebiet liegt, das viele Heuschreckenarten lieben: im Landschaftspark Duisburg-Nord. Die vielfältige Industriebrache mit ihrem Mosaik aus Birkenwäldchen, hellen Wiesen, Schotterflächen und offenem Erdreich, die sich in der Sonne schnell erwärmen, bieten den Hüpfern gute Bedingungen. Zwischen 15 und 20 Heuschreckenarten findet Rautenberg regelmäßig auf dem Areal. "Das ist für ein Gebiet mitten in der Stadt schon sehr artenreich", sagt er.

Ein Mann mit grauer Fließjacke und brauner Baseball-Kappe betrachtet einen Schmetterling, der auf seinem Finger sitzt.

Viele Exkursionsteilnehmer begeistern sich auch für Schmetterlinge

Heuschrecken mögen es sonnig und warm

Aber auch in naturnahen Gärten, an den Rändern von Waldwegen oder auf Wiesen und Weiden entdecken Beobachter die kleinen Hüpfer. Zwar ziehen manche Arten feuchte Gebiete oder die Kühle der Berge vor, aber die meisten Heuschrecken mögen es hell und warm. Das ist auch der Grund, warum sie erst ab mittags richtig aktiv werden.

Auf Wiesen und Weiden mit vielfältigen Blütenpflanzen und freien Flächen fühlen sich vor allem die Kurzfühlerheuschrecken wohl. Das ist eine der zwei Gruppen von Heuschrecken, die sich als Grashüpfer zusammenfassen lässt. Im Frühjahr entwickeln sich ihre Larven. Ab Juni sind die Tiere ausgewachsen und begeben sich bis in den September hinein lautstark auf die Partnersuche.

Anders sieht es bei vielen Langfühlerschrecken aus, also zum Beispiel dem Heupferd und dem Heimchen. Meist nimmt man sie erst am Abend so richtig wahr, wenn sie dann singen. Das ist die Zeit, in der Tobias Rautenberg mit einer Taschenlampe auf die Pirsch geht.

Einmal stand er unmittelbar vor einem Weinhähnchen, die ursprünglich im Rhein-Main-Gebiet, aber inzwischen auch in den großen Städten des Ruhrgebiets oder Ostdeutschlands häufig sind: "Die rufen dann manchmal einfach weiter, obwohl man mit der Nasenspitze vor ihnen sitzt und sie anleuchtet."

Eine Parkanlage mit Bäumen, Sträuchern, Wasserbecken und Stahlkonstruktionen.

Der Landschaftspark Duisburg-Nord ist ein idealer Lebensraum für Heuschrecken

Hilfreiches Exkursionsgepäck

Tobias Rautenberg bietet Exkursionen für Laien an, die mehr über Sechsbeiner im Allgemeinen und über Heuschrecken im Speziellen wissen möchten. Wenn er mit seinen Exkursionsteilnehmern durch den Landschaftspark Nord zieht, hat er immer ein Fernglas um den Hals. Und zwar eines, das sich für den Nahbereich eignet – kein Feldstecher, mit dem man Vögel in der Ferne beobachtet. "Damit kann ich im Gelände sehr viele Details betrachten, ohne die Tiere fangen zu müssen", sagt Rautenberg.

Wer die Heuschrecken in der Natur beobachten will, hat am besten auch ein Bestimmungsbuch im Gepäck. Viele Führer enthalten Bestimmungsschlüssel, mit denen Hobbybiologen die Besonderheiten der Heuschrecken von den Fühlern bis zu den Beinen durchgehen können und schließlich bei der richtigen Art landen.

Auch eine Becherlupe leistet bei einer Exkursion gute Dienste. Hat man ein Tier gefangen, kann man es darin ganz in Ruhe betrachten, ohne ihm zu sehr zuzusetzen. Heuschrecken sind zwar im Vergleich zu anderen Insekten recht robust, aber recht schnell kann es passieren, das man ihnen ungewollt ein Beinchen abreißt.

Eine Person streicht mit einer Becherlupe ein Insekt von einem Blatt.

Mit der Becherlupe lassen sich Heuschrecken in Ruhe betrachten

Der Gesang hilft Hobbyforschern beim Suchen und Unterscheiden

Wer eine Heuschrecke mit der Becherlupe studieren will, muss das Tierchen natürlich erst einmal erwischen. Und das ist gar nicht so einfach, denn die Insekten ergreifen mit hohen Sprüngen oder sogar fliegend schnell die Flucht. Manche Arten sehen einander zudem zum Verwechseln ähnlich. Andererseits erleichtern zumindest die Männchen durch ihren Gesang die Suche und die Bestimmung. Wer sich auf die Rufe eines Tieres konzentriert und sich langsam anschleicht, hat gute Chancen, es zu Gesicht zu bekommen.

Und selbst wenn sich die Arten äußerlich kaum unterscheiden – ihre Rufe sind einzigartig. Der Braune und der Nachtigall-Grashüpfer etwa sehen sich zwar sehr ähnlich. Doch während ersterer Reihen ganz kurzer Bsrr-Laute von sich gibt, ruft der Nachtigall-Grashüpfer zwei bis sechs Sekunden lang mit einem scheppernden Klang, der an eine Kinderrassel erinnert.

Ein anderes Hilfsmittel zum Heuschreckenfangen ist ein Kescher, wie er in Geschäften für Entomologen-Bedarf, also für Insektenforscher, erhältlich ist. Aber Vorsicht! Manche Heuschreckenarten stehen unter strengem Schutz. In Naturschutzgebieten darf man sie überhaupt nicht fangen.

Eine beige-braun gemusterte Heuschrecke sitzt auf Sand.

Viele Arten sehen sich sehr ähnlich

Kamera, Bestimmungsbuch und Feldbuch in einem

Es gibt noch einen weiteren Gegenstand, den Tobias Rautenberg auf seinen Ausflügen in die Natur immer dabei hat: eine Kamera. Natürlich bietet ein klassischer Apparat mit Makroobjektiv und längerer Brennweite die besten Möglichkeiten, weil man auch aus etwas größerer Entfernung tolle Fotos machen kann. Aber eine Handykamera leistet ähnlich gute Dienste. Mit etwas Übung gelingen einem durchaus brauchbare Aufnahmen.

Das Smartphone hilft darüber hinaus auch beim Bestimmen: Tobias Rautenberg empfiehlt die App "ObsIdentify", die gratis für Android- und Applegeräte erhältlich ist. Wer Fotos von einem Insekt macht, kann sie in die App laden und erhält Vorschläge, um welche Art es sich handeln könnte. So entsteht ganz nebenbei ein elektronisches Feldbuch, ein Tagebuch der Heuschrecken-Beobachtungen.

Wer zudem das GPS anstellt, kann seine Funde dem Citizen-Science-Projekt observation.org beisteuern. Auch die Nordrhein-Westfälischen Biologischen Stationen sowie die faunistischen und floristischen Arbeitskreise – das sind Zusammenschlüsse von Wissenschaftlern, die sich in ihrer Freizeit mit Tieren oder Pflanzen beschäftigen – arbeiten daran mit. Für Tobias Rautenberg sind solche Daten äußerst wertvoll, denn die Forscher können sehen, wo welche Tiere vorkommen.

Ein Mann hockt in einer Wiese und fotografiert mit dem Mobiltelefon ein Insekt.

Das Smartphone leistet gute Dienste als Kamera und Bestimmungshilfe

(Erstveröffentlichung 2021. Letzte Aktualisierung 03.03.2021)

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Quelle: WDR

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