Die Geschichte unserer exotischen Zimmerpflanzen

Planet Wissen 16.01.2024 02:29 Min. Verfügbar bis 19.04.2028 SWR

Gartenkultur

Die Geschichte unserer Zimmerpflanzen

Zimmerpflanzen erleben einen Hype. Vor allem junge Menschen präsentieren stolz ihre grünen Mitbewohner und tauschen in den sozialen Medien Pflegetipps aus. Unsere Zimmerpflanzen stammen meist aus Übersee. Wie konnten sie unsere Wohnzimmer erobern?

Von Martina Janning

Der neue Boom der Zimmerpflanzen

Seine Zimmerpflanzen zeigen – das ist Trend in den Sozialen Medien. Weltweit posieren junge Menschen mit ihren grünen Mitbewohnern. Ein Phänomen, das schon vor der Corona-Pandemie entstand, aber durch die Lockdowns und die viele Zeit zu Hause gewachsen ist.

Die Objekte der grünen Begierde sind exotische Zimmerpflanzen. Je ausgefallener, desto begehrter. Echte Liebhaber zahlen auch schon mal ein paar Hundert Euro, um ein besonderes Exemplar ihr eigen nennen zu können. Was den meisten Pflanzenfans nicht bewusst ist: Zimmerpflanzen sind ein Zeitgeist mit Kolonialgeschichte.

Aus den Kolonien nach Europa verschleppt

Die meisten unserer exotischen Zimmerpflanzen stammen aus den ehemaligen Kolonien in Übersee und wurden von Eroberern und Händlern nach Europa gebracht. Im 17. und 18. Jahrhundert kolonialisierte Europa weite Teile der Welt und die Ausbeutung machte auch vor Pflanzen nicht halt.

Exotische Pflanzen wurden nach Europa verschifft und dort in botanischen Gärten untersucht und in Gewächshäusern ausgestellt.

Gemälde eines prunkvollen Barockzimmer mit exotischen Zimmerpflanzen gefüllt

Exotische Pflanzen waren Statussymbole – wie hier im Barock

Der Adel war begeistert von den farbenfrohen Blüten und ausgefallenen Früchten. Exotische Zimmerpflanzen avancierten zu einem Symbol für Wohlstand und Kultiviertheit. Es war en vogue, seine Wohnräume mit Palmen, Farnen und anderen exotischen Pflanzen zu schmücken. Gemälde aus der Zeit dokumentieren das.

13 beliebte Zimmerpflanzen – daher stammen sie

NameHerkunftsland
AlocaisaSüdostasien und Australien
CalatheaSüdamerika
EinblattTropisches Südamerika
EfeututeTropische und subtropische Regionen weltweit
Ficus benjamini (Birkenfeige)Tropisches Afrika, Süd- und Südostasien
Ficus elastica (Gummibaum)Indien und Indonesien
GrünlilieTropische und subtropische Regionen weltweit
Monstera deliciosaMexiko und Zentralamerika
OrchideenTropische und subtropische Regionen weltweit
PhilodendronSüdamerika
Pilea peperomioides (Ufo-Pflanze)China und Myanmar
Sansevieria (Bogenhanf)Afrika und Madagaskar
TillandsieSüd- und Mittelamerika, Mexiko und die Westindischen Inseln

Zimmerpflanzen setzen sich im Bürgertum durch

Erst im 19. Jahrhundert eroberten exotische Zimmerpflanzen die Wohnstuben des Bürgertums. Möglich wurde dies durch technische Entwicklungen. Dazu zählten:

  • Glas konnte immer feiner verarbeitet werden. Fensterscheiben wurden dadurch größer und lichtdurchlässiger.
  • Es entstanden erste Heizungssysteme, die die Wohnräume mit konstanter Wärme versorgten.
  • Die Entwicklung des "Wardschen Kastens", einer Art mobilem Gewächshaus, verbesserte die Transportbedingungen. Vorher wurden die Pflanzen unter Deck gelagert und viele überlebten die monatelange Seereise nicht.
  • Der Ausbau von Schifffahrt und Eisenbahn ermöglichte es, die steigende Nachfrage nach exotischen Zimmerpflanzen zu befriedigen.
Gemälde eines Kinderzimmers des 19. Jahrhunderts mit großen Fenstern und Zimmerpflanzen

Fenster wurden lichtdurchlässiger

Für Nachschub sorgten professionelle Pflanzenjäger. Die "Plant Hunters" arbeiteten im Auftrag großer Gärtnereien und brachten immer neue, unbekannte Pflanzen aus den Kolonien in Übersee nach Europa. Vor allem für Orchideen entwickelte sich ein lukrativer Markt. Rücksicht beim Abbau? Meistens Fehlanzeige.

Pflanzenfreie Sachlichkeit nach dem 1. Weltkrieg

Anfang des 20. Jahrhunderts gerieten die exotischen Zimmerpflanzen zunehmend in Vergessenheit. Nach dem Ersten Weltkrieg galt üppiger Pflanzenschmuck als dekadent. Sachlichkeit war gefragt.

Beim Bauen und Wohnen lag der Fokus auf einem modernen, minimalistischen Stil, wie ihn die Kunst- und Designschule "Bauhaus" verkörperte.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Zimmerpflanzen wieder in Mode. Neue industrielle Anbaumethoden ermöglichten die Produktion von Topfblumen in großem Stil. Das Zimmergrün wurde zur günstigen Massenware. Die Folge: Exotische Zimmerpflanzen verloren ihren Wert und manches Exemplar landete im Treppenhaus und verstaubte dort.

Die Renaissance der Zimmerpflanzen

Erst in jüngster Zeit erleben exotische Zimmerpflanzen eine Renaissance. Vor allem junge Menschen in den Städten entdecken Zimmerpflanzen als Teil ihres Lifestyles. Die Sozialen Medien spielen dabei eine Schlüsselrolle. Dort zeigen die Nutzerinnen und Nutzer ihre exotischen Zimmerpflanzen und tauschen sich über Pflege und Tipps aus.

Dschungel im Wohnzimmer

Planet Wissen 16.01.2024 02:01 Min. Verfügbar bis 19.04.2028 SWR

Während der Corona-Pandemie wurden Zimmerpflanzen für viele Menschen zu einem wichtigen Begleiter und vermittelten ihnen Hoffnung und Lebensfreude.

Fazit: Unsere exotischen Zimmerpflanzen haben eine lange Geschichte hinter sich. Sie sind ein Zeugnis für die Kolonialisierung der Welt und zugleich ein Spiegelbild unserer modernen Gesellschaft.

UNSERE QUELLEN

  • Gespräche mit Dr. Andreas Gröger, Stellvertretender Direktor und Kurator, Botanischer Garten München-Nymphenburg und Gast bei Planet Wissen
  • Kathrin Grotz & Patricia Rahemipour: "Geliebt, gegossen, vergessen – Phänomen Zimmerpflanze". Botanischer Garten Berlin 2019
  • Verband Botanischer Gärten e.V. und Autoren: "Forscher, Sammler, Pflanzenjäger – Unterwegs mit Humboldt & Co.". 2019
  • Der Hype um Zimmerpflanzen – SWR2

Quelle: SWR | Stand: 16.04.2023, 18:00 Uhr

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