Üppig blühende Blumen in einem Schlossgarten.

Pflanzen

Gartenkultur

Der eigene Garten gilt als ein ganz besonderes Fleckchen Erde. Mehr als 60 Prozent der deutschen Haushalte haben einen eigenen Garten zur Verfügung. Das Wichtigste ist für viele der Erholungs- und Freizeitnutzen.

Von Natalie Muntermann

Der "grüne Markt" boomt

Die Fülle an Gartenzeitschriften und der rege Zulauf auf Garten- und Heimwerkermärkte sind nur ein Hinweis darauf, dass es die Deutschen gerne grün mögen. Die Statistiken bestätigen es: Bundesweit verfügen mehr als 60 Prozent der Haushalte über einen Garten.

Relaxen im eigenen Garten, sich vom stressigen Alltag abgrenzen, das ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Mode und mit dem englischen Wort "Cocooning" ("Einhüllen") bestens umschrieben.

Dass der Garten "in" ist, schlägt sich auch in den Zahlen der Gartenbranche nieder, die stetig wachsende Umsätze verzeichnet. Das Wichtigste ist für die Deutschen heute der Erholungs- und Freizeitnutzen des Gartens.

Der Ursprung bürgerlicher Gartenkultur in Europa

Die bürgerliche Gartenkultur in Deutschland entspringt im Wesentlichen der Renaissance. Ab dem 15. Jahrhundert bis Anfang des 17. Jahrhunderts erblühten Gärten in Nord- und Mitteleuropa nach Vorbildern in Italien. Bei der Gestaltung der privaten Hausgärten in der Renaissance griff man auf Vorbilder aus der römischen Antike zurück.

Schon um Christi Geburt hatten wohlhabende Bürger neben ihren blühenden Villengärten auf dem Land auch Stadthäuser in Rom mit Gärten: Kräuter- und Ziergärten, die unmittelbar mit den Wohnräumen verbunden waren.

In der Renaissance wurde die Begeisterung für Gartenkultur, Pflanzensammeln und Botanik zunächst in den prosperierenden deutschen Reichsstädten aufgegriffen, die Handelsbeziehungen zu Italien hatten.

Die Gärten der Fugger in Augsburg, der des Joseph Furttenbach in Ulm, aber auch Bürgergärten in anderen Städten wie Nürnberg, Frankfurt oder Breslau standen mit ihren kunstvoll angeordneten und in üppiger Auswahl vorhandenen Blumensorten den fürstlichen Gärten in nichts nach.

Während im Barock und Rokoko eher Fürsten Natur und Garten nutzten, um ihre Macht zu demonstrieren, blühte die bürgerliche Gartenkultur im 19. Jahrhundert richtig auf: Das Wirken des Menschen im Einklang mit der Natur hatte hier Priorität.

Entscheidende Impulse für diese Naturbewegung gingen von England aus. Wichtige Vertreter waren William Robinson (1838-1935) oder Gertrude Jekyll (1843-1932). In Deutschland entwickelte zum Beispiel Karl Förster (1874-1970) Theorien zur natürlichen Bepflanzung.

Englische Gartenkultur

Nicht nur in Bezug auf die Gestaltung und Kultur von öffentlichen Gärten und Parks – wie etwa bei der Entwicklung des Landschaftsgartens –hat also England eine gewisse Vorbildfunktion. Auch bei Ideen für den bürgerlichen Garten waren es oftmals Engländer, die Neuem in der Gartenkunst zum Durchbruch verhalfen.

Zum Beispiel der Garten von Hidcote, von der Gartenkünstlerin Gertrude Jekyll kreiert, oder der Garten Sissinghurst von Vita Sackville-West zählen zu den Gärten, deren Gestaltung viele Nachahmer findet.

Farblich abgestimmte Blumenbeete, üppige Pflanzenwelt in geometrischen Einfassungen oder englische Staudenformationen zählen heute zu den klassischen Elementen in der Gartengestaltung. Eine weitere Vorbildfunktion: England erfand 1927 die "Offene Gartenpforte". Private Gärten wurden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Tradition fand seitdem auch in vielen anderen Ländern der Welt Anklang.

Das Bild zeigt einen Garten von oben. Es sind Bäume, Hecken und Blumenbeete zu sehen. Auf der linken Seite steht ein kleines Haus.

Sissinghurst diente vielen Gärtnern als Vorbild

Nach 1945 – kein Platz, kein Geld für bürgerliche Gartenkultur

Anfang des 20. Jahrhunderts fehlte es oft an Geld, um schöne Gärten anzulegen. Städtische Grünflächen, Volksgärten und Kleingärten waren im Zuge der Industrialisierung die Schwerpunkte gärtnerischer Aktivitäten.

Nach den zwei Weltkriegen mussten die Grundstücke dann mit Kartoffeln, Gemüse und Salat für das Überleben genutzt werden. Da nur selten Geld für besondere Pflanzen vorhanden war, konnte sich eine bürgerliche Gartenkultur nur sehr langsam wieder entwickeln.

In den 1960er- und 1970er-Jahren bedeutete Garten: viel Rasen, ein Sandkasten für die Kinder und auf jeden Fall so wenig Arbeit wie möglich. Wem es gut ging, der kaufte sein Gemüse im Supermarkt und brauchte sich die Hände nicht schmutzig zu machen.

Ein moderner Typ des Hausgartens entstand: Er wollte weder repräsentativer Ziergarten noch Nutzgarten im eigentlichen Sinne sein, sondern ein Wohngarten, in dem Hollywoodschaukel, Barbecue und Swimmingpool den Stand der ökonomischen und kulturellen Anpassung an die USA anzeigten.

In den 1980er-Jahren wurden dann wieder Elemente der Gartenkultur des 19. Jahrhunderts aufgenommen: Man gärtnerte wieder im Einklang mit der Natur – nur ökologisch bewusster. So verwendete man etwa für die Bodenpflege Regenwürmer statt Chemikalien.

Eine Frau liegt in einer Hängematte, die zwischen zwei Bäumen gespannt ist.

Dem Alltagsstress entfliehen

Neues Gartenbewusstsein in Deutschland

In England, Frankreich, Holland oder Belgien öffnen Privatleute schon seit Jahrzehnten ihre Gärten. Inzwischen gibt es die Aktion "Offene Gartenpforte" auch in Deutschland Fuß: Privatgärten öffnen ihre Tore und zeigen, welches Paradies im eigenen Garten herangewachsen ist.

Deutsche Gartenliebhaber knüpfen wieder an die bürgerliche Gartenkultur des 19. Jahrhunderts an: Sie sammeln Pflanzen, genießen üppige Blumenpracht und sehen den Garten nicht mehr als etwas Lästiges an.

Garten, das ist Lebensraum, ein Kulturraum, in dem man sich gerne aufhält, seine Zeit verbringt, der positive Energie gibt und auch als Visitenkarte gelten kann. Das Bewusstsein für die Schönheit und die Leichtigkeit, die mit einem Garten einhergehen kann, kommt wieder.

Üppiger Blumenschmuck vor einem bayerischen Landhaus.

Das Paradies im eigenen Garten

(Erstveröffentlichung: 2004. Letzte Aktualisierung: 13.02.2020)

Quelle: WDR

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