Wieviel Lithium ist wirklich möglich?

Planet Wissen 07.09.2023 06:38 Min. UT Verfügbar bis 23.01.2028 WDR

Elektromobilität

Lithiumförderung am Rhein – Chancen und Risiken

Mithilfe der Tiefengeothermie soll am Oberrheingraben Lithium aus Thermalwasser gefördert werden. Doch es gibt Widerstand: Anwohner sorgen sich vor Erdbeben.

Von Manuel Gerber & Niels Waibel

Warum ist Lithium so wichtig?

Lithium ist in praktisch jedem Gegenstand, der einen wiederaufladbaren Akku hat. In einem Laptop stecken circa sechs Gramm, in Smartphones bis zu drei Gramm und in einem E-Auto-Akku rund 10 Kilogramm davon.

Weil Lithium für leichte Akkus derzeit unverzichtbar ist, ist es der Schlüssel-Rohstoff für die Energiewende. Denn für die E-Mobilität brauchen wir besonders leichte Akkus.

Wollte man die gut 50 Millionen Autos in Deutschland künftig alle durch E-Autos ersetzen, bräuchte man dafür schätzungsweise 500.000 Tonnen an Lithium. Im Vergleich: Weltweit wurden 2021 insgesamt rund 100.000 Tonnen Lithium abgebaut.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass wir in Europa im Jahr 2050 gut 60-mal so viel Lithium wie heute benötigen.

Woher kommt Lithium?

Lithium wird zum größten Teil in australischen Minen abgebaut und nach China verschifft. Der Transport und die Weiterverarbeitung sind umweltschädlich, weil dabei große Mengen CO2 freigesetzt werde und in China oft nur geringe Umweltstandards herrschen.

Fast der gesamte Rest kommt aus Südamerika. Im sogenannten Lithiumdreieck wird Lithium aus dem Wasser von Salzseen gewonnen, in dem es gelöst ist. Dazu wird das salzhaltige Wasser häufig in riesigen Mengen tief aus dem Boden gepumpt.

An der Oberfläche verdunstet es dann solange, bis ein hochkonzentriertes Gemisch aus Wasser und Lithium übrig bleibt, aus dem dann das Lithium gewonnen wird.

Das verbraucht riesige Mengen an Wasser, zwar Salzwasser, das nicht als Trinkwasser oder für die Landwirtschaft genutzt werden kann. Aber sinkt der Salzwasserspiegel zu sehr ab, kann Süßwasser in die Reservoirs nachströmen und sich mit Salzwasser mischen und so ungenießbar werden.

Zudem werden oft auch Süßwasser-Reservoirs angebohrt. Das ist in der Wüstenregion besonders problematisch. Trotzdem sind wir von diesen Lieferungen aus dem Ausland in Deutschland heute völlig abhängig.

Die Pläne von Vulcan Energie

Planet Wissen 07.09.2023 06:56 Min. UT Verfügbar bis 23.01.2028 WDR

Wie soll Lithium am Oberrhein gefördert werden?

Im Oberrheingraben im Südwesten Deutschlands schwimmt ein riesiges Lithiumvorkommen tief unter der Erde in Thermalwasser. Wie groß das Vorkommen genau ist, lässt sich derzeit noch nicht genau bestimmen. Sicher ist, dass sich auf der gesamten Länge des Oberrheingrabens von mehr als 300 Kilometern zahlreiche Reservoirs mit Thermalwasser befinden.

Derzeit laufen Forschungsprojekte, um das Lithium aus dem Thermalwasser im industriellen Maßstab extrahieren zu können. In Zukunft soll das Oberrhein-Lithium umweltfreundlich und CO2-neutral gefördert werden. Mit dem heißen Thermalwasser sollen gleichzeitig Fernwärmenetze versorgt und Strom produziert werden.

Um an das Thermalwasser heranzukommen, braucht es Tiefengeothermie-Anlagen. Dabei wird die Wärmeenergie aus Erdschichten unterhalb von 400 Metern genutzt. Generell unterscheidet man zwischen hydrothermalen und petrothermalen Tiefengeothermie-Anlagen.

Für die Lithiumförderung im Oberrheingraben ist vor allem die hydrothermale Methode von Bedeutung. Eine hydrothermale Geothermie-Anlage besteht aus zwei Bohrungen. Eine Bohrung geht üblicherweise zwischen 2000 und 5000 Metern in die Tiefe und zapft Thermalwasser an.

Über Wärmetauscher kann damit ein Fernwärmenetz versorgt werden und über Dampfturbinen Strom erzeugt werden. Das abgekühlte Thermalwasser wird über eine zweite Bohrung in dem geschlossenen System wieder in den Untergrund geleitet.

In Zukunft soll vorher das Lithium aus dem Thermalwasser gewonnen werden. Dafür wird das Wasser durch Tanks geleitet, die mit einem Bindemittel die Lithium-Ionen einfangen. Die Lithium-Ionen müssen danach ausgewaschen werden. Das Ergebnis ist Lithiumchlorid. In einem Elektrolyseverfahren wird das in Lithiumhydroxid umgewandelt. In dieser Form kann das Lithium verkauft werden.

Bei der petrothermalen Methode wird in das Grundgebirge, beispielsweise Granit, gebohrt und Wasser eingepresst. Das Wasser sprengt das Gestein auf, fließt durch die Risse und heizt sich auf. Durch eine zweite Bohrung wird das heiße Wasser an die Oberfläche gepumpt und zur Wärme- oder Stromerzeugung genutzt.

Um neue Wasserwege zu erzeugen, braucht diese Methode zumindest kleine Erdbeben in der Tiefe. Anders als die hydrothermale Methode: Weil dafür bereits vorhandene Wasserwege in der Tiefe genutzt werden, kann diese Methode zumindest in der Theorie ohne Erdbeben betrieben werden.

Widerstand gegen Geothermie

Planet Wissen 07.09.2023 06:47 Min. UT Verfügbar bis 23.01.2028 WDR

Warum gibt es Widerstand?

Die Geothermie hat bei vielen Menschen im Südwesten keinen guten Ruf. Grund sind frühere Unfälle, die Schäden an Häusern verursacht haben. Ende 2006 löst ein Tiefengeothermie-Projekt in Basel ein Erdbeben der Stärke 3 aus. Bei dem Projekt wird das petrothermale Tiefengeothermie-Verfahren angewendet. 

Im Sommer 2007 kommt es zu einem Vorfall in Staufen bei Freiburg. Bei der Bohrung für Erdwärmesonden für die umweltfreundliche Heizung des Rathauses kommt es zu einem Leck. Grundwasser verbindet sich mit dem Mineral Anhydrit zu Gips und quillt auf.

Dadurch hebt sich in Staufen die Erde und es kommt zu tiefen Rissen in Häusern und auf Straßen. In Staufen kam zwar keine Tiefengeothermie, sondern oberflächennahe Geothermie, also unter 400 Metern Tiefe, zum Einsatz. Es leidet allerdings der Ruf der gesamten Geothermie-Branche. 

Ende 2019 kommt es in Vendenheim bei Straßburg zu einem Erdbeben, ausgelöst durch eine Tiefengeothermie-Anlage. Auch hier kommt die petrothermale Methode zum Einsatz. Die Arbeiten müssen durch behördliche Anordnung abgebrochen werden.

Die Erde beruhigt sich trotzdem noch nicht. Mehrere Beben verursachen Schäden auf beiden Seiten des Rheins. Die Versicherung will für die Reparatur der Risse an den Häusern nur den Zeitwert ersetzen, das entspricht oft nur zehn Prozent der Reparaturkosten.

Dagegen wehren sich die Geschädigten und organisieren sich in über 10 Bürgerinitiativen gegen Tiefengeothermie in der Oberrheinregion. Deren wichtigste Forderung sind Abstimmungen über Geothermie-Projekte in den betroffenen Gemeinden, damit die BürgerInnen vor Ort direkt an den Entscheidungen beteiligt werden können.  

Das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau Baden-Württemberg hat aus den Unfällen der Vergangenheit die Konsequenz gezogen, dass derzeit nur noch die hydrothermale Methode genehmigt wird.

Trotz des Widerstands aus der Bevölkerung hat die Behörde auf dieser Basis Genehmigungen für den Bau neuer Tiefengeothermie-Anlagen am Oberrheingraben erteilt. In Rheinland-Pfalz hingegen sind weiterhin beide Verfahren zugelassen.

Wie risikoreich ist Geothermie?

Planet Wissen 07.09.2023 03:58 Min. UT Verfügbar bis 23.01.2028 WDR

Wie könnte es weitergehen?

Unabhängig von Geothermie-Projekten ist der Oberrheingraben eine der wenigen erdbebengefährdeten Zonen Deutschlands. Nach Angaben von Experten kommt es zu hunderten kleineren Erschütterungen im Jahr, die oft so gering sind, dass sie nur von Messgeräten wahrgenommen werden. Ein weiterer Ausbau der Geothermie könnte für eine Zunahme sorgen.

Allerdings setzen Betreiber und Behörden auf moderne Technik, um Erschütterungen, die zu Schäden an Gebäuden führen könnten, zu vermeiden. Zum einen mit Hilfe der 3D-Seismik, einem Messverfahren, mit dem sich sie die Lage der Gesteinsschichten im Boden genau bestimmen lässt. So können präzise nur die Gesteinsschichten angebohrt werden, bei denen die Entstehung von stärkeren Beben sehr unwahrscheinlich ist.

Extrem sensible Geo-Sensoren sollen zudem den Verlauf der Bohrungen überwachen und dafür sorgen, dass die Arbeiten schon bei geringen Hinweisen auf ausgelöste Beben gestoppt werden.

Der Ausbau der Geothermie und damit auch der Lithiumgewinnung wird also weitergehen, denn längst nicht überall regt sich dagegen Widerstand. Allein Vulcan Energie Ressourcen hat in der Region nach Aussage von Geschäftsführer Horst Kreuter acht weitere Projekte in Arbeit. Verlaufen diese unproblematisch, könnte das auch Signalwirkung für die Regionen haben, in denen Projekte auf Eis gelegt sind, hofft Kreuter.

Zudem gibt es weitere Projekte anderer Betreiber zur Lithium-Gewinnung durch Geothermie, so zum Beispiel von EnBW in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT, die bereits laufen.

Wie lassen sich Risiken minimieren?

Planet Wissen 07.09.2023 03:18 Min. UT Verfügbar bis 23.01.2028 WDR

Was sind die Chancen?

Gelingt es, das Verfahren zu etablieren und die Lithiumgewinnung auf das von Horst Kreuter und Vulcan Energie Ressourcen angepeilte Niveau zu bringen, könnte zumindest Deutschland unabhängig von ausländischem Lithium werden. Inwieweit auch der europäische Markt davon profitieren könnte, ist noch nicht klar.

Unabhängige Studien, wie zum Beispiel vom Karlsruher Institut für Technologie KIT, bezweifeln allerdings, dass die von Vulcan geplanten Fördermengen realisiert werden können. Die Forschenden vom KIT sehen zwar ebenfalls ein gewichtiges Potential in den Lithiumvorkommen im Oberrheingraben, setzen die realisierbaren Fördermengen aber deutlich niedriger an.

Trotzdem: Neben den wirtschaftlichen Impulsen für die Region um den Oberrheingraben könnte heimisches Lithium ein wichtiger Faktor für den Auf- und Ausbau der deutschen und europäischen Batterieproduktion werden. Dazu haben sich zuletzt Politiker wie Frankreichs Präsident Emanuel Macron und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann eindeutig bekannt.  

Zudem könnte das umweltschonende Abbauverfahren den umweltpolitischen Druck, den momentan auf der Lithiumgewinnung und damit auch auf der gesamten Elektromobilität lastet, mindern.

Quelle: SWR | Stand: 23.01.2023, 17:00 Uhr

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