Plastik in den Weltmeeren Planet Wissen 30.03.2023 05:25 Min. Verfügbar bis 12.05.2027 WDR

Kunststoff

Plastik im Meer

Die Meere der Welt sind voll mit Plastikmüll – im Wasser, am Strand, am Meeresgrund. Mehr als 150 Millionen Tonnen sind es schätzungsweise schon, und jedes Jahr kommen viele Tonnen hinzu. Eine Umweltkatastrophe mit Ansage, doch Gegenmaßnahmen gibt es nur wenige.

Von Martina Frietsch

Die Entdeckung der Müllstrudel

Als der Ozeanograf und Segler Charles Moore 1997 mit seiner Crew zwischen Hawaii und Kalifornien die Rossbreiten durchsegelt, sieht er anstelle von Wasser plötzlich nur noch Müll. Plastikmüll, so weit das Auge reicht, ohne einen freien Fleck dazwischen.

Die Entdeckung des "Great Pacific Garbage Patch" rüttelt die Öffentlichkeit auf. Forscher machen sich gezielt auf die Suche und entdecken vier weitere riesige Müllstrudel – einen im Pazifik, zwei im Atlantik, einen im Indischen Ozean.

Wind und Meeresströmungen treiben Plastikmüll und ausgediente Fischernetze durch die Ozeane, wo sie sich in riesigen Wirbeln sammeln. Allein der "Great Pacific Garbage Patch" besteht Anfang der 2020er-Jahre aus geschätzten 1,8 Billionen Plastikteilchen.

Der "achte Kontinent", wie er auch genannt wird, hat eine Fläche viermal so groß wie Deutschland. Und dies sind nur die sichtbaren Plastikteile. Der größte Teil des Mülls, schätzt die Stiftung Meeresschutz, sinkt auf den Grund.

70 Prozent des Mülls sinken im Meer zu Boden | Bildquelle: WDR/dpa/Mike Nelson

Plastik wie Sand am Meer

Der Plastikmüll im Meer beschränkt sich nicht auf die fünf Strudel: Er liegt weltweit an Stränden, schwimmt an der Oberfläche weiterer Meere wie beispielsweise der Nordsee und breitet sich selbst in entlegenste Regionen wie die Arktis aus.

Und die Müllmenge steigt. So viel, als würde jede Minute eine Lastwagenladung Plastik ins Meer gekippt, rechnet die britische Ellen MacArthur Foundation vor.

Ist das Plastik erst einmal im Wasser, braucht es Jahrhunderte, um sich zu zersetzen. Dabei zerfällt es in immer kleinere Teile. Biologisch abgebaut, also durch Mikroorganismen zersetzt, wird Plastik jedoch nicht. Die winzigen Teilchen bleiben dauerhaft in der Umwelt erhalten.

Plastik: Gefahr für Tiere

Plastik aller Größen stellt für die Meeresbewohner eine tödliche Gefahr dar. Tausende Wale, Robben und Seehunde verfangen sich jedes Jahr in Fischereimüll – also in ausgedienten Tauen und Netzen, die entweder auf See verloren gehen oder absichtlich dort entsorgt werden. Diese Art von Plastikmüll macht rund die Hälfte des "Great Pacific Garbage Patch" aus.

Die kleineren Teile, das Einwegplastik, wird für kleinere Tiere zur Falle: Meeresschildkröten halten Plastiktüten für Quallen und fressen sie; Vögel schlucken versehentlich Plastikteile, bis ihr Verdauungstrakt voll ist und sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen können. Schlussendlich verhungern die Tiere.

Plastikstücke im Magen eines Eissturmvogels | Bildquelle: Mauritius

Rund die Hälfte der Arten im Meer und in den Küstenbereichen leidet unter dem Plastikmüll. Plastikteile beschädigen Korallenriffe, die ohnehin gefährdet sind. Mikroplastik, also Teile, die kleiner als fünf Millimeter sind, findet sich inzwischen in Muscheln, Fischen, Krabben und sogar in Plankton.

Über die Nahrungskette kommt das Plastik schließlich wieder zurück zum Menschen. Welche Auswirkungen die Aufnahme von Mikroplastik auf den Menschen hat, ist bisher noch völlig unbekannt.

Plastikmüll – der Weg ins Meer

Was massenhaft im Meer landet, ist Einwegplastik: leere Flaschen, Einweggeschirr, Verpackungen, Plastikartikel. Die Meere werden zur Müllkippe der Wegwerfgesellschaft.

In vielen Ländern fehlen geeignete Strukturen, um Müll zu sammeln und fachgerecht zu entsorgen. Über Wind, Flüsse, schlecht angelegte Deponien, fehlendes Abwassermanagement und mehr gelangt Plastikmüll mitunter in ganzen Strömen ins Meer. Dies ist besonders häufig in asiatischen Ländern der Fall, allen voran China.

Doch der Müll stammt nicht allein aus den Ländern, in denen das Problem sichtbar wird. Häufig handelt es sich um Müllimporte aus Europa, wo pro Kopf ein Vielfaches an Plastikmüll produziert wird. Deutschland ist sogar der drittgrößte Plastikmüll-Exporteur der Welt – nach den USA und Japan. Mehr als eine Million Tonnen Plastikmüll ging allein 2020 ins Ausland.

Die Industriestaaten haben also einen wesentlichen Anteil am Mülleintrag in Asien. Denn häufig wird der exportierte Plastikmüll eben nicht nach europäischen Standards entsorgt, sondern gelangt direkt in die Umwelt.

Anders ist die Situation beispielsweise in Nordsee und Ostsee. Auch hier findet sich jede Menge Plastikmüll im Meer. In der Nordsee gehören zu den Hauptverursachern Schifffahrt und Fischerei sowie der Tourismus. In der Ostsee sind es vor allem Touristen, die an den Stränden Müll hinterlassen, der so ins Meer gelangt.

Badetouristen hinterlassen Müll am Strand | Bildquelle: picture-alliance

Fischen nach Plastik

Mit dem "Ocean Cleanup"-Projekt will der Niederländer Boyan Slat das Meer wieder vom Plastik befreien. Ein erster Versuch, mithilfe spezieller Röhren Plastik von der Oberfläche zu fischen, scheiterte 2018. Drei Jahre später startete die verbesserte Version.

Kritiker bemängeln, "The Ocean Cleanup" sei ineffektiv, verbrauche selbst zu viele Ressourcen und schade letztlich vielen Meerestieren und -pflanzen, die sich mitten im Müllstrudel angesiedelt haben.

Seit Anfang 2022 schickt The Ocean Cleanup spezielle Boote namens "Interceptor" an die Mündungen von Flüssen, die besonders viel Plastikmüll ins Meer tragen. Die solarbetriebenen Boote sollen den Abfall einsammeln, bevor er ins Meer schwimmt.

Auch die Architektin Marcella Hansch hatte die Idee, den Müll aus dem Pazifik zu fischen. Inzwischen hat sie sich mit ihrem Projekt "Everwave" darauf verlegt, per Müllboot Flüsse und Binnengewässer abzufischen, damit das Plastik nicht bis zum Meer kommt.

Auf Müllboote, wenn auch wesentlich kleiner, setzen auch die Balearen: Vor den vier größten Inseln sind jeden Sommer Dutzende Boote unterwegs, die neben Plastik auch anderen Müll abfischen, um die Küsten sauber zu halten.

Plastikmüll vermeiden

Der effektivste Schutz der Meere ist noch immer die Müllvermeidung. Doch die weltweite Produktion von Kunststoff nimmt zu – und damit auch der Müll. Die Europäische Union (EU) erließ 2008 die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, die den Mitgliedsstaaten den Meeresschutz vorgibt.

Auch Vögel fressen Plastik | Bildquelle: WDR / IMAGO

Explizit wird erwähnt, dass Abfälle "keine schädlichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt haben" dürfen. Eigentlich sollte bis zum Jahr 2020 für die europäischen Meere ein guter Umweltzustand hergestellt werden. Dies ist nur teilweise geglückt – sowohl beim Mülleintrag als auch bei anderen Umweltbelastungen.

Da Einwegkunststoffartikel einen Großteil des Mülls ausmachen, ist in der Europäischen Union seit 2021 der Verkauf von Plastikprodukten wie Einmalplastikbechern, Plastikbesteck, Wattestäbchen, Trinkhalmen und auch Einmal-Behältern aus Styropor verboten. Betroffen ist auch Wegwerfgeschirr aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Bis 2024 wird die Pfandpflicht ausgeweitet werden.

Ab 2025 müssen PET-Einwegflaschen mindestens 25 Prozent Recycling-Material enthalten, fünf Jahre später beträgt der Anteil 30 Prozent. Grund hierfür ist die niedrige Recyclingquote in der EU. Ein Teil des Plastikmülls, der für das Recycling gesammelt wird, wird noch immer in Drittländer exportiert.

Heute kommt auf drei Tonnen Fisch im Meer schon fast eine Tonne Plastikmüll. Wenn wir weiter wirtschaften wie bisher, wird es bis zum Jahr 2050 in den weltweiten Meeren mehr Plastik als Fisch geben, schätzt die Ellen MacArthur Foundation.