Rudern bis die Litschis reif sind
Noch immer treffen sich in China im vierten und fünften Monat des chinesischen Kalenders – das ist nach unserem Kalender meist im Mai oder Juni – Männer zum Drachenbootrennen.
Wenn auf den Feldern nicht mehr so viel zu tun ist und die sommerlichen Regenfluten beginnen, fängt in Südchina die Ruderzeit an. Einen Monat lang stellen die Männer ihr Leben und ihren Alltag auf das Paddeln ein – bis die Litschis reif sind.
Uralt ist dieser Brauch der Freundschaftstreffen zwischen verschiedenen Dörfern, bei denen Geselligkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl fast wichtiger sind als der Wettkampf.
70 bis 80 Männer können in einem solchen Drachenboot mitrudern, es gibt keine festen Regeln. Immer ist jedoch ein Taktgeber an der Spitze des Bootes, ein Steuermann am Heck und ein Trommler an Bord, der den Rhythmus vorgibt.
Die traditionellen chinesischen Drachenboote sind meist über 30 Meter lang und sehr schwer, da sie aus Holz gefertigt sind. Die Wettkampfboote haben einen bunt geschmückten Drachenkopf und einen Schwanz.
Drachenbootrennen werden auch in Deutschland veranstaltet
Erfinder des Drachenbootrennens
Höhepunkt der Paddelsaison ist das Duan-wu-jie-Fest am fünften Tag des fünften Mondmonats. Dies ist in Südchina ein wichtiger Feiertag, an dem man mit besonderen Speisen, feierlichen Zeremonien und farbenprächtigen Bootsrennen eines chinesischen Staatsmanns gedenkt. Sein Name ist Qu Yuan, und der Legende nach gilt er als der "Vater der Drachenbootrennen".
Qu Yuan ist eine tragische Figur der chinesischen Geschichte. Er lebte um 300 vor Christus im Südwesten Chinas, in der Provinz Hunan, in der Nähe des Flusses Miluo, einem fruchtbaren Reisanbaugebiet. Er war hier in Verbannung, sein ursprünglicher Lebensort lag weiter im Norden, in der Provinz Hubei.
Qu Yuan dichtete und machte Politik, wurde sogar Minister für Gesetz und religiöse Ordnung. Damit hatte er um 300 vor Christus eine wichtige politische Schlüsselrolle: Er schrieb alle Gesetze nieder, die für die damalige Zeit der sogenannten "Streitenden Reiche" verbindlich waren.
China war damals noch kein geeintes Land, wie wir es heute kennen, sondern bestand aus vielen miteinander verfeindeten Einzelstaaten, deren Könige sich bekriegten und sich gegenseitig die Macht streitig machten.
Auch Qu Yuan wurde als Minister so einflussreich, dass er viele Gegner hatte, die ihn bei seinem König anschwärzten, was dazu führte, dass Qu Yuan in Ungnade fiel und in eine andere Provinz verbannt wurde – nach Hunan, in die Nähe des Miluo Flusses.
Hier schrieb er viele Gedichte, zum Beispiel den "Li Sao"-Zyklus, eine Sammlung von Klageliedern, die chinesische Schüler immer noch auswendig lernen müssen. Ohne politischen Einfluss, ohne Freunde sah Qu Yuan keinen Ausweg mehr: Der patriotische Poet ertränkte sich im Fluss Miluo – aus Kummer über sein Vaterland.
Jedes Kind in China kennt die Legende, dass die dortigen Fischer mit drachenbootähnlichen Kanus vergeblich nach Qu Yuans Leichnam suchten. Damit die Fische seine Leiche nicht anknabberten, fütterten sie diese mit leckeren Klebreiskuchen, eine typische südchinesische Speise, die noch heute an Qu Yuans Gedenktag zubereitet wird.
Drachenbootrennen als internationaler Wettkampfsport
Zu einem modernen internationalen Wettkampfsport entwickelte sich das Drachenbootrennen erst in jüngerer Zeit. 1976 fanden in Hongkong die ersten Bootsrennen statt, an denen auch nicht-chinesische Teams teilnahmen. Internationale Rennen gibt es derzeit in Australien, Kanada, Neuseeland, Malaysia, Südafrika und Europa.
Die modernen Wettkampfboote sind aus Fiberglas und ähneln großen Kanus. Sie sind 12,50 Meter lang und bieten 20 Paddlern Platz, die paarweise auf Sitzbänken sitzen.
Die Standardstrecken betragen 250 Meter und 500 Meter für Open (gemischte Mannschaft aus Männern und Frauen). Es gibt aber auch Rennstrecken, die sogar zehn Kilometer lang sind. Spitzensportler paddeln heute die Distanz von 500 Metern in weniger als zwei Minuten.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 09.06.2020)
Quelle: WDR