Glückliche Kindheit
Mit ihrem Welterfolg "Pippi Langstrumpf" etablierte Astrid Lindgren einen neuen Ton in der Kinder- und Jugendliteratur. Vehement und ungeniert plädierte die schwedische Autorin darin für die freie Entfaltung der Kinder.
Lindgren selbst sagte, das Geheimnis ihres Erfolges habe in ihrer eigenen glücklichen Kindheit gelegen, die Vorlage für viele ihrer Geschichten war.
Die Schriftstellerin und ihre Werke
Auf dem Hof Näs am Rand der kleinen Stadt Vimmerby in Småland, Schweden, wurde Astrid Lindgren als Astrid Anna Emilia Ericsson am 14. November 1907 geboren.
Ihre drei Geschwister und sie wuchsen in liebevoller Geborgenheit auf. Zum Spielen mit den anderen Kindern des Dorfes standen ihnen Wiesen, Wälder, Haine, Heuböden und Scheunen zur Verfügung.
In ihren "Bullerbü"-Büchern hielt Astrid Lindgren später viele Erlebnisse und die freiheitliche Atmosphäre dieser Jahre fest. Sie glaubte, dass in der Kindheit die Weichen für das weitere Leben eines Menschen gestellt werden.
Astrid Lindgren als Kind
Unruhige Jugend
Doch das Leben der jugendlichen Astrid Ericsson verlief weniger beschaulich. In den 1920er-Jahren änderte sich das Bild der Frau in der Gesellschaft grundlegend. Inspiriert von Vorbildern wie der Schauspielerin Marlene Dietrich gaben sich Frauen nun betont sinnlich und selbstbewusst.
Das neue Frauenbild erreichte auch das schwedische Vimmerby. Astrid Ericsson schnitt sich die Haare kurz, was schon genügte, um in der schwedischen Provinz Aufsehen zu erregen.
Doch nicht nur ihre Unangepasstheit, sondern auch ihr Talent zum Schreiben war früh zu erkennen. Sie begann als Volontärin bei der Lokalzeitung und war damit eine der ersten Frauen im Journalisten-Beruf.
Ihre Affäre mit einem älteren Mann führte dazu, dass sie mit 17 Jahren und nicht abgeschlossener Ausbildung unverheiratet schwanger wurde.
Schwere Jahre und erste Erfolge
Zur damaligen Zeit galt ein uneheliches Kind noch als Skandal. Um der gesellschaftlichen Ächtung auf dem Land zu entgehen, verließ Astrid Ericsson Vimmerby und begann 1926 in Stockholm eine Ausbildung als Sekretärin.
In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen brachte sie am 4. Dezember 1926 ihren Sohn Lars zur Welt. Lars, der meistens Lasse genannt wurde, verbrachte seine ersten Lebensjahre bei dänischen Pflegeeltern. Erst ab 1930/31 lebte er wieder ständig bei seiner Mutter. Für Astrid Ericsson war diese Zeit von großer Armut und Einsamkeit geprägt.
1928 wurde sie Sekretärin im Königlichen Automobilclub. Dort lernte sie ihren späteren Mann Sture Lindgren kennen, den sie 1931 heiratete. Aus Astrid Ericsson wurde nun die später so berühmte Astrid Lindgren.
Die gemeinsame Tochter des Paares, Karin, wurde 1934 geboren. Im selben Jahr stellten sich auch erste Erfolge für die Schriftstellerin Lindgren ein. In schwedischen Zeitschriften erschienen erstmals einige ihrer Märchen. Doch auf ihren Durchbruch musste sie noch zehn Jahre warten.
In Kopenhagen brachte Astrid Lindgren ihren Sohn zur Welt
"Pippi Langstrumpf"
"Pippi Langstrumpf" hieß das rothaarige, freche Mädchen, das Astrid Lindgren schließlich zum Weltruhm verhalf. Pippi war ihre wohl berühmteste und anarchistischste Figur. Sie entstand 1944 – als Geburtstagsgeschenk für Astrid Lindgrens Tochter Karin.
Astrid Lindgren hatte zunächst große Schwierigkeiten, das Manuskript bei einem Verlag unterzubringen. Nach Meinung der Kritiker war ihre Fantasie geisteskrank und der Einfluss der "Pippi-Figur" auf Kinder schädlich, wenn nicht gar gefährlich.
Auch mehrere deutsche Verlage lehnten das Manuskript ab, in dem ein kleines Mädchen zusammen mit einem Affen und einem Pferd in ihrem eigenen Haus lebt.
1949 lernte der Verleger Friedrich Oetinger die Autorin bei einem Besuch in Schweden kennen. Er erkannte das Bestseller-Potenzial des Buches, veröffentlichte "Pippi Langstrumpf" in deutscher Übersetzung und wurde zu Astrid Lindgrens Verleger.
"Pippi Langstrumpf" wurde ein Welterfolg
Das literarische Werk
Ihre Lebenserfahrungen – die glückliche Kindheit, die eigene Aufmüpfigkeit und ihre frühe Mutterschaft – ließ Astrid Lindgren in ihre Kinderbücher einfließen. "Die Kinder aus der Krachmacherstraße" und "Die Kinder aus Bullerbü" beschwören die Idylle der Kindheit.
In Astrid Lindgrens Lieblingsbuch "Michel aus Lönneberga" finden sich Geschichten, die Lindgrens Vater seinen Kindern erzählt hatte. Im schwedischen Original heißt Michel übrigens Emil – für die deutschen Bücher wurde der Name geändert, um Verwechslungen mit Erich Kästners Kinderbuch "Emil und die Detektive" auszuschließen.
Astrid Lindgrens stärkste Figuren sind ihre rebellischen Mädchen: "Pippi Langstrumpf" und die 1981 erschienene "Ronja Räubertochter". Einsamkeit, Isolation, Tod und Abschied stehen im Zentrum von "Brüder Löwenherz", "Mio mein Mio" und "Karlsson vom Dach".
Alle Werke Lindgrens haben eines gemeinsam: das uneingeschränkte Engagement für die freie Entfaltung und die eigene Welt der Kinder.
1978 erhält Lindgren den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Politisches Engagement und späte Jahre
Doch Astrid Lindgrens Aktivitäten beschränkten sich nicht nur auf das Schreiben. Ab den 1970er-Jahren mischte sie sich offensiv in verschiedene politische Diskussionen ein.
In den 1980ern engagierte sie sich gegen die Nutzung der Atomkraft. Sie erhob ihre Stimme gegen Massentierhaltung und für eine Reform der Landwirtschaft. Durch ihre Mithilfe trat 1988 in Schweden ein strengeres Tierschutzgesetz in Kraft, das zu ihren Ehren "Lex Lindgren" (Lindgren-Gesetz) genannt wurde.
Bis ins hohe Alter kletterte Astrid Lindgren auf Bäume – sehr zum Vergnügen der Fotografen –, spielte mit ihren Urenkeln, reiste, gab Interviews und antwortete ihren Fans aus aller Welt.
Mit vielen Preisen dekoriert wurde sie 1999 zur beliebtesten Schwedin des Jahrhunderts gewählt. Im Kreis ihrer Familie starb Astrid Lindgren am 28. Januar 2002 im Alter von 94 Jahren in ihrer Wohnung in Stockholm.
(Erstveröffentlichung: 2002. Letzte Aktualisierung: 30.07.2021)
Quelle: WDR