Von der Literatur zur Theologie
Johannes Paul II. hieß mit bürgerlichem Namen Karol Wojtyla. Geboren wurde er 1920 in Wadowice, Polen. Seine Mutter starb, als er neun Jahre alt war – für ihn ein furchtbarer Verlust. Seinen Bruder verlor er mit zwölf, seinen Vater mit 21 Jahren, was ihn für sein weiteres Leben tief zeichnen sollte. Ab 1938 studierte er Philosophie und Literatur in Krakau.
Karol war ein sehr musischer Mensch, verfasste eigene Lyrik und Theaterstücke und spielte leidenschaftlich gerne Theater. Er bekam das ganze Ausmaß des deutschen Vernichtungskrieges mit und wurde von den Nazis zur Arbeit in einem Steinbruch und in einer Chemiefabrik gezwungen.
Im Jahr 1942 fühlte er sich zum Priestertum berufen und trat heimlich dem Priesterseminar der Erzdiözese Krakau bei, das – obwohl längst verboten – im Untergrund weiter existierte. Karol Wojtyla wurde 1946 zum Priester geweiht, promovierte und wurde 1954 Professor an der Universität von Lublin. Im Jahr 1958, im Alter von nur 38 Jahren, wurde er Weihbischof von Krakau.
Ein Pole auf dem Papstthron
Wojtyla nahm aktiv am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) teil, wo er entscheidende Impulse einer progressiven Kirchenreform erhielt und zahlreiche Kontakte knüpfte. 1964 wurde er Erzbischof von Krakau.
Er ging beharrlich, wenn auch nicht offensiv gegen das kommunistische Regime vor, indem er immer wieder die freie Religionsausübung für alle Polen forderte. Im Jahr 1967 wurde er zum Kardinal berufen. Im Dreipäpstejahr 1978 wurde er mit nur 58 Jahren als Nachfolger des 30-Tage-Papstes Johannes Paul I. zum Papst gewählt.
Das Kardinalskollegium setzte große Hoffnungen in ihn und versprach sich durch ihn nach dem Zweifler Paul VI. und dem tragischen Tod von Johannes Paul I. eine Wiedererstarkung des Pontifikats und der katholischen Kirche.
Wojtyla nahm den Namen Johannes Paul II. an. Seit dem Niederländer Hadrian VI. (gestorben 1523) saß damit erstmals wieder ein Nicht-Italiener auf dem Papstthron.
Als erster Pole auf dem Papstthron
Das zähe Ringen gegen den Kommunismus
Papst Johannes Paul II. verhalf dem Papsttum zu einer großen Renaissance. Dank seiner Sprachbegabung, seiner Unerschütterlichkeit im Glauben und seines charismatischen Auftretens gelang es ihm, die Menschen für sich zu begeistern. Von Beginn an nahm Johannes Paul II. den Kampf mit den kommunistischen Machthabern auf. Immer wieder mischte er sich lautstark in die Politik des Kalten Krieges ein.
Besonders seine Reisen nach Polen und die Unterstützung der Solidarność-Bewegung hatten Signalwirkung. Der Papst machte aus seinem Konfrontationskurs gegen die kommunistischen Machthaber keinen Hehl. Offen warb er für die Einheit der Christen von West und Ost und wurde zur Symbolfigur des kommunistischen Niedergangs.
Johannes Paul II. stellte sich öffentlich auf die Seite der Solidarność-Bewegung
Der eilige Vater
Für Furore sorgten seine mehr als 130 Auslandsreisen und sein Einsatz für die christliche Jugend. Wie kein Papst vor ihm ließ er, wohl auch aus polnisch-katholischer Prägung heraus, Christen heilig und selig sprechen und förderte den Marienkult.
Insbesondere setzte Papst Johannes Paul II. sich immer wieder für die Ökumene ein, die Einheit der Christenheit, den Dialog mit den orthodoxen Kirchen und den interreligiösen Dialog mit den anderen großen monotheistischen Religionen Judentum und Islam.
Der Papst warb immer wieder mit unermüdlichem Einsatz für die Aussöhnung und den Frieden in der Welt, und mischte sich bis zuletzt in politisch brisante Themen ein. Besonders heftig prangerte Johannes Paul II. den Irakkrieg und seine Konsequenzen an.
Im von ihm ausgerufenen heiligen Jahr 2000 überraschte er die Welt mit einem "Mea Culpa", einem großen Schuldeingeständnis für die Verfehlungen der Kirche an der Menschheit, insbesondere für die Judenverfolgungen, die Inquisition und Glaubenskriege.
Berühmte Geste: Der Papst küsst die Erde
Konservative Erstarrung
Während seine außenpolitischen Initiativen prägend für den Niedergang des Kalten Krieges wurden, betrieb Johannes Paul II. in einer Zeit größter Umbrüche einen Konsolidierungskurs, der besonders unter den Gläubigen der westlichen Welt immer wieder auf fundamentale Kritik stieß.
Sein Festhalten am Zölibat, dem Gebot der Ehelosigkeit für Priester, sein wertkonservatives Bild der traditionellen Familie, rigorose Ablehnung von Verhütung und Abtreibung hielten längst auch viele Anhänger der katholischen Kirche für überholt.
Besonders die Betonung eines überkommenen Rollenverständnisses von Mann und Frau und die Aufrechterhaltung des patriarchalen Gefüges der Amtskirche, in der Frauen Priesterweihe und zentrale Ämter verwehrt blieben, stießen vielerorts auf Unverständnis.
Auch der Ausschluss kritischer Stimmen führte zu Verwerfungen zwischen Rom und Christen in aller Welt – wie etwa die Entziehung der Lehrbefugnis des Schweizer Theologen Hans Küng im Jahr 1979, weil Küng Zweifel am Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit geäußert hatte.
Hans Küng zweifelte öffentlich an der Unfehlbarkeit des Papstes
Prekärer Gesundheitszustand
1981 verübte der türkische Rechtsextremist Mehmet Ali Agca auf dem Petersplatz in Rom ein Attentat auf Johannes Paul II.. Der Papst wurde durch drei Kugeln in den Unterleib schwer verletzt.
Bis heute werden hinter dem Attentäter Hintermänner vermutet, etwa aus dem Inneren des ehemaligen sowjetischen Geheimdienst KGB. Der Papst vergab dem Attentäter noch auf dem Krankenbett, konnte sich körperlich aber nie mehr ganz von dem Attentat erholen.
1983: Der Papst besucht seinen Attentäter
Jahrelang litt Papst Johannes Paul II. unter der Parkinsonschen Krankheit, dankte aber nicht ab. Im Frühjahr 2005 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand dramatisch – dokumentiert von Medien aus aller Welt. Am 2. April 2005 starb Papst Johannes Paul II.. Er war der am drittlängsten amtierende Papst in der Geschichte.
Quelle: SWR | Stand: 30.03.2020, 11:09 Uhr