Blick über Lissabons Viertel Alfama

Südeuropa

Lissabon

Wer Lissabon besuchen möchte, sollte am besten vom Meer aus anreisen. Denn von hier aus zeigt sich die Hauptstadt Portugals von ihrer schönsten Seite.

Von Christiane Tovar

Eine Stadt, viele Herrscher

Glaubt man der Legende, so soll kein Geringerer als der griechische Sagenheld Odysseus Lissabon gegründet haben. Der Sage nach hat ihn das besondere Licht dazu bewogen, es erinnerte ihn an seine griechische Heimat.

Historiker sehen das weniger romantisch: Sie gehen davon aus, dass die Phönizier sich um 1200 vor Christus an der Mündung des Flusses Tejo niederließen.

Die geschützte Bucht in der Nähe des Atlantiks war ideal, um sich dort anzusiedeln und Handel zu treiben. Etwas mehr als 1000 Jahre später eroberten die Römer unter Julius Cäsar die Stadt und nannten sie "Felicitas Julia". Noch heute kann man in Lissabon Spuren aus dieser Zeit finden.

Nach dem Untergang des Römischen Reichs ließen sich germanische Stämme an der Mündung des Tejo nieder, dann folgten Mauren und Araber. Ruhig wurde es auch jetzt nicht in "Al-Aschbouna", wie die Stadt nun hieß, denn in den kommenden Jahrzehnten kamen immer wieder neue Herrscher.

Im 12. Jahrhundert wurden die Mauren von Dom Afonso Henriques, dem ersten König von Portugal, zurückgedrängt. Sein Palast stand allerdings in Coimbra, 200 Kilometer nördlich von Lissabon.

Das "Goldene Zeitalter"

1255 verlegte Afonso III., ein Nachfolger von Dom Afonso Henriques, den Königshof nach Lissabon. In dieser Zeit entstand eine 54 Kilometer lange Stadtmauer. Damals lebten in Lissabon rund 60.000 Menschen.

In den kommenden Jahrhunderten wurde Portugal von vielen Königen regiert. Unter der Regentschaft von João I. wurden im 15. Jahrhundert die ersten Seefahrer auf Eroberungsreise geschickt. Portugal entwickelte sich zur mächtigen Kolonialmacht, die bald die halbe Welt erobert hatte.

1497 brach Vasco de Gama in Lissabon auf. Ein knappes Jahr später kam er an der indischen Küste an und war damit der erste Europäer, der Indien über den Seeweg erreicht hatte. In Lissabon brach das "Goldene Zeitalter" an. Die Stadt am Tejo wurde zur wichtigsten Handelsmetropole ihrer Zeit.

Zeitgenössisches Porträt von Vasco da Gama.

Vasco da Gama: berühmter Lissaboner

Typisch Lissabon: die Manuelinik

Unter König Manuel I. entstand im frühen 16. Jahrhundert sogar ein eigener Baustil, die Manuelinik. Das Besondere an diesem Stil sind die exotischen Ornamente.

Die Bauwerke an sich unterscheiden sich nicht allzu sehr von den anderen spätgotischen Bauten, die zu dieser Zeit überall in Europa verbreitet waren. Das ist auch der Grund dafür, warum einige Kunsthistoriker die Manuelinik nicht als eigenständigen Baustil sehen, sondern lediglich als Dekor.

Nichtsdestotrotz war es vollkommen neu, die Gebäude so vielfältig mit Ornamenten zu schmücken, dass sie fast darunter verschwanden. Auch solche Motive, wie sie in der Manuelinik verwendet wurden, hatte es in Europa bis dahin noch nicht gegeben.

Viele Ideen dafür brachten die Seefahrer von ihren langen Reisen mit. So tauchen immer wieder Kraken, Muscheln, Seesterne und Korallen auf. Auch Taue und exotische Pflanzen ranken sich um Säulen und zieren Mauern und Sockel.

Weltkulturerbe in Lissabon

Besonders prachtvolle Beispiele für die Architektur der Manuelinik sind das Hieronymuskloster (Mosteiro dos Jerónimos) und der Turm von Belém an der Mündung des Tejo. Beide Bauwerke gehören heute zu den Wahrzeichen Lissabons und wurden von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt.

Reich verzierter Klosterbau.

Das Hieronymuskloster - Meisterwerk der Manuelinik

Der Torre de Belém ist das wohl berühmteste Bauwerk der Stadt. Manuel I. ließ die Anlage 1515 bauen. Sie sollte gleichzeitig Leuchtturm und Festung sein. Auffällig ist ein Ornament, das sich um den gesamten Turm zieht: ein dickes Tau, das an einer Seite mit einem Knoten geschlossen ist. Außerdem wird der Turm von einem Rhinozeroskopf verziert. Das Tier war ein Geschenk des indischen Königs für Manuel I..

Die Festungsanlage Torre de Belém in der Dämmerung.

Lissabons Wahrzeichen: Torre de Belém

Bauwerk der Superlative

Ebenfalls im Stadtteil Belém steht das Hieronymuskloster. Es gilt noch heute als das Symbol für das "Goldene Zeitalter". Auch dieses prachtvolle Gebäude hat einen engen Bezug zu Portugals Seefahrertradition.

Die kleine Kapelle, die einst vor der Klosteranlage direkt am Ufer des Tejo stand, hatte Heinrich der Seefahrer errichtet, der bedeutendste Auftraggeber der portugiesischen Eroberungs- und Entdeckungsfahrten im 15. Jahrhundert. Vasco da Gama soll vor seiner Abreise nach Indien dort gebetet haben.

Kreuzgang des Hieronymusklosters mit verzierten Säulen.

Der Kreuzgang des Hieronymusklosters

Die 25 Meter hohe und 300 Meter lange Anlage erstreckt sich parallel zum Ufer des Tejo. König Manuel I., auf dessen Wunsch das "Mosteiro dos Jerónimos" errichtet wurde, starb 1521; er sah das Kloster nicht mehr in voller Schönheit.

Die gesamte Anlage wurde erst 1571 fertig, nach einer Bauzeit von 69 Jahren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Vielfalt der Ornamente scheint fast grenzenlos. Wohin man auch sieht, schmücken Tausende von Motiven Säulen, Portale und Mauern.

Fremdherrschaft und Naturkatastrophen

Von 1580 an wurde Portugal 60 Jahre lang von den Spaniern regiert. Danach schwand die Macht Portugals als Kolonialmacht, wodurch auch Lissabons Glanz verblasste. Dazu kamen Naturkatastrophen wie das legendäre Erdbeben, das die Stadt 1755 in Schutt und Asche legte.

Ganze Stadtteile brannten nieder, eine 15 Meter hohe Flutwelle vernichtete die Unterstadt. Traurige Bilanz des Unglücks: Mehr als 30.000 Tote sowie über 100 Kirchen und 300 Paläste waren dem Inferno zum Opfer gefallen.

Zeitgenössisches Gemälde des Erdbebens von 1755.

Unerwartetes Inferno: das Beben von 1755

Doch die Lissabonner bauten ihre Stadt innerhalb von fünf Jahren wieder auf. Dabei wurde ein großer Teil komplett neu gestaltet. Die Straßen in der Baixa zum Beispiel, Lissabons Unterstadt, sind seit dieser Zeit schachbrettartig angelegt. Außerdem wurden viele neue Häuser mit Brandmauern und einem inneren Skelett aus Holzstämmen versehen, um sie erdbebensicherer zu machen.

Der Brand der Altstadt

Das Beben von 1755 war nicht die letzte Katastrophe, unter der Lissabon zu leiden hatte. 1988 brannte ein Teil der Altstadt nieder. Noch heute gibt es Spekulationen darüber, ob das Feuer mutwillig gelegt wurde. Bei dem Brand wurden 18 Wohn- und Geschäftshäuser ganz oder teilweise zerstört.

Der Wiederaufbau dauerte zehn Jahre. Erst 1998, als die Weltausstellung "Expo" in Lissabon zu Gast war, waren die Sanierungsarbeiten beendet.

Luftaufnahme von rauchenden Gebäuden in Lissabon

1988 brannte es im Einkaufsviertel Chiado

Heute leben auf einer Fläche von rund 100 Quadratkilometern gut 550.000 Menschen in der Stadt, die ein beliebtes Ziel für Touristen ist. Rund ein Drittel aller Portugal-Reisenden kommt nach Lissabon.

Während viele Gäste vom maroden Charme der Stadt fasziniert sind, ziehen viele Einheimische aus den gewachsenen Vierteln in die Satellitenstädte und Vororte. Dort ist es vielleicht nicht so schön, aber das Leben ist um einiges bequemer.

Die Touristen dagegen stören enge Gassen und dunkle Wohnungen nicht. Sie steigen in den zahlreichen Pensionen und Hotels ab und genießen das Flair der Stadt, die die Portugiesen respektvoll die "Königin am Tejo" nennen.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 21.04.2021)

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Quelle: WDR

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