Rote Riesenkängurus beim Kampf

Australisches Outback

Australiens Tierwelt

Vor etwa 60 Millionen Jahren trennte sich Australien von der Antarktis und driftete langsam nach Norden. Es entstand ein eigenständiger australischer Kontinent – isoliert vom Rest der Welt. So entwickelte sich eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt.

Von Monika Sax

Australien soll europäisch werden

93 Prozent der ursprünglich in Australien lebenden Amphibien, 90 Prozent der Insekten und Fische, 89 Prozent der Reptilien und 83 Prozent der Säugetiere kommen nur dort vor, sie sind endemisch. Vor etwa 60.000 Jahren besiedelten die ersten Menschen den australischen Kontinent. Die Aboriginals lebten von und vor allem im Einklang mit der Natur.

Dies änderte sich mit der Besiedlung Australiens durch die Europäer ab Ende des 18. Jahrhunderts. Mit ihnen kamen jede Menge Tiere.

Einige davon – wie etwa Ratten – gelangten unbemerkt mit Warenlieferungen ins Land und fanden in dem riesigen Gebiet geeignete Lebensräume vor. Andere wurden als Haus- und Nutztiere eingeführt, zum Beispiel Katzen, Kamele, Esel und Pferde.

Und wieder andere Arten wurden von den Siedlern bewusst ausgesetzt, damit sie sie an ihre alte Heimat erinnerten: Wildschweine etwa, Füchse und Kaninchen. Bis in die 1960er-Jahre wurde in australischen Schulen gelehrt, dass die australische Natur mit ihren Tieren, Pflanzen und Menschen minderwertig gegenüber der europäischen sei.

Alte Federlithographie spielender Schnabeltiere von 1850.

Eierlegende Säugetiere – eine australische Besonderheit

Fuchs, du hast das Numbat gestohlen

Zu den schädlichsten eingeschleppten Tieren in Australien gehören Fuchs und Katze. Der Ameisenbeutler, auch Numbat genannt, steht wegen ihnen am Rand der Ausrottung: Früher waren die grau gestreiften, eichhörnchengroßen Tiere, die sich von Termiten ernähren, in Südaustralien weit verbreitet. 1982 gab es nur noch eine Restpopulation von 300 Exemplaren. Dank intensiver Schutzbemühungen gibt es heute wieder etwa 1000 Numbats, aber sie sind weiter stark gefährdet.

Für den Paradiessittich, den Schweinsfuß-Nasenbeutler und eine Unterart des Rattenkängurus kam jede Hilfe zu spät. Sie gelten als ausgestorben. Seit 1788 haben vor allem Fuchs, Katze und Kaninchen 23 Vogel-, vier Frosch,- und 27 Säugetierarten den Garaus gemacht. Fuchs und Katze haben die einheimischen wehrlosen Arten direkt gefressen, Kaninchen haben sich explosiv vermehrt und die Nahrungsgrundlage anderer Tierarten weggemümmelt.

Mehr als die Hälfte der Tiere auf der heutigen Liste der weltweit bedrohten Arten sind australisch. Durch die lange Isolation und fehlende Bodenräuber hatten sie weder ein angemessenes Fluchtverhalten noch wirksame Verteidigung gegen die europäischen Angreifer entwickelt.

Ein Ameisenbeutler auf einem Baumstamm.

Numbats leben heute nur noch in Schutzgebieten in Australien

Misslungene Schädlingsbekämpfung

Doch dies war nur die erste Einwanderungswelle eingeschleppter (invasiver) Tiere. 1935 holten sich die Australier eine der größten Plagen ins Land, die hochgiftige Aga-Kröte. Sie ist ein perfektes Beispiel für misslungene biologische Schädlingsbekämpfung.

Eigentlich sollte die gefräßige Kröte aus Venezuela den Zuckerrohrkäfer bekämpfen, denn der fraß den Farmern die Felder kahl. Die Bauern importierten etwa 100 quakende Schädlingsvertilger, die bis zu 23 Zentimeter lang und 1,5 Kilogramm schwer werden können.

Doch eines hatten sie dabei übersehen: Wenn der Käfer im Frühling aktiv wird und sich Rohr um Rohr durch die Zuckerplantagen frisst, schlummert die Kröte noch selig in ihrem langen Winterschlaf. Öffnet die hungrige Aga-Kröte dann irgendwann im Frühsommer die Augen, hat sich der Käfer bereits in die oberen Regionen der Zuckerrohrstangen hochgearbeitet. Von dort kann er der Kröte aus sicherer Entfernung beim großen Fressen zuschauen.

Kröte gegen Krokodil

Ihren immensen Appetit stillt die Aga-Kröte nun nicht an den Zuckerrohrkäfern, sondern an allem anderen: an Eidechsen, Fröschen, Schildkröten, Schlangen, Kaninchen, Kleinsäugern. Was auch immer in das Riesenmaul der Amphibie passt und nicht schnell genug auf den Bäumen ist, wird verschlungen.

Die wenigen Tiere, die sich wehren wollen, machen das nur einmal. Denn die Drüsen am Hinterkopf und Rücken der Kröte produzieren ein giftiges Sekret. Fühlt sie sich bedroht, kann sie das Gift bis zu zwei Meter weit herausspritzen.

Die harmlosen Wirkungen sind Reizungen an Haut und Schleimhaut. Falls das Gift in den Magen gelangt, lässt es die Herzmuskulatur erlahmen, sodass nach wenigen Minuten der Tod eintritt. Selbst Krokodile überleben den Angriff der Giftkröten nicht. Eine Studie der Universität von Darwin belegt: Von den Krokodilen, die innerhalb eines Jahres tot gefunden wurden, verendeten 77 Prozent deshalb, weil sie eine Aga-Kröte gefressen hatten.

Behörden schätzen, dass die Krötenpopulation mittlerweile auf rund 200 Millionen explodiert ist. Umweltschützer befürchten, dass vor allem einige Eidechsen, Schlangen und räuberische Beuteltiere, bei denen Amphibien auf der Speisekarte ganz oben stehen, massiv bedroht sind. Die Evolution hat sie nicht gelehrt, genau diese Kröte eben nicht zu fressen.

Der Kopf einer Aga-Kröte (Bufo marinus)

Rund 200 Millionen Aga-Kröten gibt es inzwischen in Australien

Ameise gegen Kröte

Den alles verschlingenden Kröten hat Australien inzwischen offiziell den Krieg erklärt. Das nimmt teilweise recht makabre Züge an. Autos fahren auf Landstraßen Slalom, um möglichst viele Kröten zu erwischen. Beliebt sind die sogenannten "Krötenrennen"-Partys. Diese Spektakel finden regelmäßig in Pubs und auf Volksfesten statt. Die Teilnehmer veranstalten mit den Kröten und natürlich mit reichlich Bier ein Wetthüpfen. Der Siegerkröte – und allen anderen – winkt danach keine Trophäe, sondern der Tod durch Schockfrosten.

Natürlich wird auch ernsthaft daran geforscht, die Kröten zu bekämpfen. So arbeiten Wissenschaftler seit Jahren daran, mithilfe der Gentechnik die Fortpflanzung zu verhindern. Andere Forscher wollten die Giftkröten mit Viren oder Lungenwürmern bekämpfen. Bisher alles ohne durchschlagenden Erfolg.

Hoffnung macht den Australiern die heimische Fleischameise, die gerne kleine Aga-Kröten verspeist. Mithilfe von Katzenfutter möchte man die Ameisen dort anlocken, wo es auch viele Kröten gibt. Dies scheint ganz erfolgreich, wird den Siegeszug der Kröte aber höchstens verlangsamen und nicht aufhalten.

Blitzevolution – die Natur hilft sich selbst

Vielleicht kommt die Rettung aber auch aus der Natur selbst. Denn einige Arten durchleben momentan eine seltene Blitzevolution. Innerhalb weniger Generationen haben etwa zwei heimische Schlangenarten gelernt, die Kröten gefahrlos zu fressen. Der Trick: In nur 70 Jahren haben sie ihre Köpfe verkleinert und ihre Körper verlängert. So können die Schlangen nur noch kleinere Kröten fressen, deren Gift ihnen weniger schadet.

Ebenso haben Krähen, Greifvögel und einige Ibis-Arten gelernt, beim Fressen der Kröten nicht die Giftdrüsen auf dem Rücken zu berühren.

Nur leider ist die Aga-Kröte ebenfalls nicht untätig geblieben: Auch sie hat sich evolutionär in wenigen Generationen weiterentwickelt. Damit sie sich noch schneller ausbreiten und weitere Gebiete besiedeln können, bekommen die Kröten immer längere Beine, die sie schneller und ausdauernder über das Land tragen als frühere Generationen. So hat sich die Wandergeschwindigkeit der Kröte von etwa zehn Kilometern auf 50 Kilometer pro Jahr erhöht.

Zwei Krähen im Gras.

Kluge Krähen stülpen die giftige Haut der Kröten beiseite

Teure Aliens

Neben den katastrophalen ökologischen Folgen, die invasive Arten in Australien haben, entstehen auch immense ökonomische Schäden. Allein der Kampf gegen die Aga-Kröte hat die australische Regierung bisher mehr als 13 Millionen Euro gekostet. Insgesamt entstehen Australien durch tierische Aliens jedes Jahr wirtschaftliche Schäden von rund 450 Millionen Euro. Das errechnete das nationale Forschungszentrum "Invasive Animals CRC" bereits 2004.

Mit strikten Einfuhrkontrollen und Aufklärungskampagnen für Touristen und Bevölkerung versucht die australische Regierung den Zustrom fremder Tiere und Pflanzen einzudämmen. Besonders seltene, am Boden lebende Vögel und Säugetiere sollen auf Australien vorgelagerten Inseln eine neue Heimat finden. Diese lassen sich immerhin leichter von Fuchs, Katze und Ratte freihalten.

(Erstveröffentlichung 2012. Letzte Aktualisierung 17.12.2019)

Quelle: WDR

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