Verschiedene Geldscheine, auf denen horrende Summen aufgedruckt sind.

Weimarer Republik

Die Hyperinflation von 1923

Eine schwere Bewährungsprobe erwartete die junge Weimarer Republik 1923 – der Staat war pleite. Um dennoch die Schulden des Ersten Weltkriegs bezahlen zu können, wurde ständig mehr Geld gedruckt, das aber rasant an Wert verlor. Ein Teufelskreis.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Wer bezahlt den Krieg?

Krieg kostet Geld, viel Geld. Geld, das ein Staat für Waffen, Munition, Soldaten, Verpflegung, Transport und Logistik ausgeben muss. Der Erste Weltkrieg hatte gigantische Summen verschlungen. Geld, das das Deutsche Reich eigentlich gar nicht besessen hatte. Die Ersparnisse des Staates hätten im Sommer 1914 eigentlich nur für zwei Tage Kriegsführung ausgereicht. Der Krieg dauerte aber mehr als vier Jahre.

Die Schlachten des Ersten Weltkriegs brachten nicht nur Millionen von Menschen den Tod in den Schützengräben. Sie bedeuteten auch eine immense Kapitalvernichtung in Europa: Das Geld wurde für Waffen und Munition ausgegeben und ging dann buchstäblich in Rauch auf.

Die Idee der Machthaber: Die deutsche Reichsleitung war davon überzeugt, den Krieg zu gewinnen. Die Kosten des Krieges sollte am Ende der besiegte Gegner zahlen. Doch 1918 war der Krieg für Deutschland verloren – und die Rechnung der Reichsleitung ging nicht auf.

Nicht nur Deutschland hatte auf diese Weise kalkuliert. Auch die alliierten Gegner waren von ähnlichen Überlegungen ausgegangen. Und sie hatten tatsächlich gewonnen. Das besiegte Deutschland musste daher im Versailler Friedensvertrag den enormen Schadensersatzforderungen der Gegner zustimmen.

Traumatische Inflation

Zu Beginn der 1920er-Jahre, während der Weimarer Republik, hatte Deutschland deshalb bei den Siegermächten riesige Schulden – und zusätzlich auch noch bei der eigenen Bevölkerung. Denn die hatte während der Kriegsjahre dem Staat Millionen von Mark für die Kriegskosten vorgestreckt, in sogenannten Kriegsanleihen.

Die deutsche Regierung hatte also gleich mehrere große wirtschaftliche Probleme: Sie musste das Land nach dem Krieg wieder aufrichten, Geld für die Reparationsleistungen an die Sieger aufbringen und außerdem an die eigene Bevölkerung die Kriegsanleihen zurückzahlen, die eigentlich das Kaiserreich aufgenommen hatte.

Als die Franzosen im Jahr 1923 wegen verspäteter Reparationszahlungen das Ruhrgebiet besetzten, verschärfte sich die Lage. Die deutsche Regierung rief zum passiven Widerstand, zu Sabotage und Streik auf. Im Gegenzug zahlte sie die Löhne an die Streikenden weiter.

Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Deutschland geriet in den Strudel der dramatischsten Geldentwertung, die das Land je erleben sollte. Um seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, brachte die Regierung mehr und mehr Geld in Umlauf, auch wenn es für die immer höhere Anzahl Banknoten keine materiellen Gegenwerte im Land gab.

Männer tragen Wäschekörbe voller Geld.

Das Geld wird in Wäschekörben angekarrt

Dadurch begann der Teufelskreis der Inflation. Immer mehr Geld war bald immer weniger wert, Preise und Löhne explodierten. Geld war Spielgeld geworden. Wer seinen Lohn nicht sofort wieder ausgab, konnte sich schon Tage, manchmal Stunden später kaum mehr etwas davon kaufen.

Am härtesten traf die Inflation Staatsbedienstete und Beamte. Viele Läden bunkerten ihre Bestände und Vorräte und entzogen sie dem unkontrollierbaren Warenverkehr, an dem sie nicht mehr verdienen konnten. Die Inflation explodierte.

Beispiele für den Preisverfall

Am 9. Juni 1923 kostete in Berlin:
1 Ei – 800 Mark
1 Liter Milch – 1440 Mark
1 Kilo Kartoffeln – 5000 Mark
1 Straßenbahnfahrt – 600 Mark
1 Dollar entsprach 100.000 Mark.

Am 2. Dezember 1923 kostete in Berlin:
1 Ei – 320 Milliarden Mark
1 Liter Milch – 360 Milliarden Mark
1 Kilo Kartoffeln – 90 Milliarden Mark
1 Straßenbahnfahrt – 50 Milliarden Mark
1 Dollar entsprach 4,21 Billionen Mark.

Schubkarren voller Geld

Die Menschen rechneten bald in Bündeln statt Scheinen. Geld wurde in Schubkarren transportiert, Bündel als Heizmaterial zweckentfremdet, die Rückseite als Schmierpapier benutzt. Die Inflation wurde zum deutschen Trauma.

Über Nacht waren alle, oft jahrelang angesparten Rücklagen weggeschmolzen. Die Wechsel für die Kriegsanleihen an den Staat waren wertlos. Es war also die deutsche Bevölkerung, die die Lasten und Schulden des Ersten Weltkriegs schließlich bezahlte.

Kinder spielen mit Bündeln von Geldscheinen.

Das Inflationsgeld wird im wahrsten Sinne des Wortes "Spielgeld"

Saniert waren dagegen die Schuldner. Wer sich etwa 1921 für ein Haus oder anderen Grundbesitz verschuldet hatte, der war über Nacht seine Schulden los.

Gemäß dem Grundsatz "Mark = Mark" konnten Kredite, die bei einem stabilen Kurs aufgenommen worden waren, mit entwerteter Währung zurückgezahlt werden.

Größter Profiteur war der Staat. Seine gesamten Kriegsschulden in Höhe von 154 Milliarden Mark beliefen sich, als am 15. November 1923 die neue Währung Rentenmark eingeführt wurde, auf gerade einmal 15,4 Pfennige.

Ende mit Schrecken

Auf dem Höhepunkt der Inflation wurde im November 1923 eine neue Währung geschaffen: die Rentenmark, ab Oktober 1924 schließlich die Reichsmark. Die alte Währung wurde abgeschafft.

Angesichts der katastrophalen wirtschaftlichen Folgen der Inflation überdachten die Alliierten ihre Politik gegenüber dem Deutschen Reich. Sie erkannten, dass nur ein wirtschaftlich erstarkendes, gesundes Deutschland umfassende Reparationszahlungen leisten konnte.

Besonders durch die Hilfe der Amerikaner konnte die neue Währung stabilisiert werden. Der Amerikaner Charles Dawes entwickelte einen Plan, wie die Reparationszahlungen der Deutschen an die Aliierten von nun an ablaufen sollten.

Dawes-Plan vorgelegt (am 09.04.1924)

WDR 2 Stichtag 09.04.2014 Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 2


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Mitte der 1920er-Jahre erholte sich die Wirtschaft. Deutschland war wieder zahlungsfähig. Die Menschen – krisengeschüttelt und politikverdrossen – suchten Trost und Ablenkung. Es war das Startsignal für die berühmten "Goldenen Zwanziger": Schlagartig standen nun Glamour und Unterhaltung hoch im Kurs.

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 22.10.2019)

Quelle: WDR

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