Marmorstatuen von Ludwig XVI. und Marie Antoinette in einer Kirche.

Französische Revolution

Ludwig XVI. und Marie Antoinette

Bei ihrer Heirat waren sie Kinder und Frankreich noch eine Monarchie. Ludwig XVI. und Marie Antoinette haben Geschichte im Zeitraffer erlebt, buchstäblich am eigenen Leib.

Von Kerstin Hilt

Eine Heirat, die eine Erzfeindschaft beenden soll

Ludwig XVI. von Frankreich wird 1754 in Versailles geboren – in einem Schloss, das den Machtanspruch und die Verschwendungssucht der französischen Monarchie symbolisiert. In einer Monarchie herrscht eine einzelne Person. Das Recht zu regieren wird innerhalb der Familie weitervererbert.

König ist damals Ludwigs Großvater Ludwig XV. Ein energischer Mann, der sein Leben demonstrativ genießt: Er feiert viel, isst gerne, umgibt sich mit Prunk und Glanz. Völlig selbstverständlich pflegt er Affären mit so genannten Mätressen, etwa mit der berühmten Madame Pompadour.

Sein Sohn Louis Ferdinand, der Vater des kleinen Ludwig, lehnt diesen Lebenswandel allerdings ab: Er erzieht seine Kinder streng religiös. Ludwig gilt als scheu und schüchtern.

Maria Antonia Josepha Johanna kommt 1755 auf die Welt, als 15. Kind der österreichischen Kaiserin Maria Theresia. Sie ist offenbar ein heiteres Mädchen, liebt die Musik und den Tanz. Die Energie und Strenge ihrer Mutter, die sich im Machtpoker der europäischen Herrscher äußerst geschickt zu behaupten weiß, scheint ihr zu fehlen.

Frankreich und Österreich sind damals seit Generationen verfeindet. Doch kurz nach Marias Geburt schließen sich die beiden Länder gegen Preußen zusammen. Möglichst bald wollen die Herrscherhäuser dieses neue Bündnis mit Leben füllen – etwa durch eine Heirat, wie es damals üblich ist.

Dass ausgerechnet Ludwig und Maria füreinander bestimmt werden, ist ein doppelter Zufall. Er wird nur Thronfolger, weil sein älterer Bruder als Kind stirbt; sie nur seine Verlobte, weil ihre ältere Schwester überraschend anderweitig vergeben wird.

Mit 14 Jahren wird Maria auf einer Rheininsel bei Straßburg den Abgesandten ihres Zukünftigen übergeben wie eine Ware. In einem eigens dafür errichteten Pavillon in der Mitte der Insel muss sie sich komplett entkleiden, nichts darf sie behalten.

Dann wird sie, die man nun Marie Antoinette nennt, ihrer neuen Hofdame zugeführt. Die Macht der französischen Monarchie ist alles, sie selbst als eingeheiratete Österreicherin nichts: Das will man Marie Antoinette so früh wie möglich vermitteln.

Prächtige barocke Gartenanlage mit Schloss Versailles im Hintergrund.

Schloss Versailles: Ludwigs Geburtsort, Marie Antoinettes zweite Heimat

Sollen sie doch Kuchen essen!

Die Erwartungen an den zukünftigen König und seine Frau sind groß. Zunächst einmal soll möglichst schnell Nachwuchs her. Doch das ist leichter gesagt als getan – denn auch Jahre nach der Hochzeit haben die beiden noch kein Kind bekommen.

Vor allem für die junge Prinzessin ist das ein Problem. Bei Hof und auch auf den Straßen von Paris wird darüber getuschelt und gespottet.

Vor allem aber sitzt ihre Mutter ihr im Nacken, die gestrenge Maria Theresia. In ihren Briefen fordert Österreichs Kaiserin regelmäßig einerseits mehr erotische Überzeugungskraft von ihrer Tochter, andererseits diplomatisches Geschick. Marie solle im Sinne Österreichs auf ihren Mann einwirken – also ihrem neuen Land mit Nachwuchs dienen und gleichzeitig die alte Heimat nicht vergessen.

Doppelportrait von Ludwig XVI. und Marie Antoinette.

Eine Vernunftehe: Marie Antoinette und Ludwig XVI.

Doch Marie Antoinette interessiert sich kaum für Politik. Dafür gilt sie bei Zeitgenossen als bewundernswert stilsicher und ist offenbar kaum einem Vergnügen abgeneigt.

Gemeinsam mit ihrer Schneiderin und ihrem Friseur entwirft sie ebenso waghalsige wie teure Kreationen: eineinhalb Meter hohe Frisurtürme etwa, die mit Vogelnestern oder Miniaturmöbeln verziert und mit dicken Puderschichten überzogen sind. Beim hungernden Volk kommt das nicht gut an.

Bei Hofe hat sie viele Neider. Sie haben wohl auch ein Gerücht in die Welt gesetzt, das sich bis heute hartnäckig hält. So soll Marie Antoinette, als ihr ein Aufstand hungernder Untertanen zu Ohren kam, mit dem verständnislosen Satz reagiert haben: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Ob dieser Ausspruch wirklich von ihr stammt, ist nicht gesichert. Wohlmeinende Zeitgenossen beschreiben sie als großherzig und gütig.

Für die französische Öffentlichkeit allerdings ist und bleibt Marie Antoinette die abgehobene Dame aus dem feindlichen Österreich, während ihr farbloser Ehemann bis zur Revolution von vielen Franzosen verehrt wird.

Schauspielerin Kirsten Dunst und weitere halten sich in prunkvollen Kostümen bunte Fächer vors Gesicht.

Prunk und Protz: Szene aus Sofia Coppolas Film „Marie Antoinette“

Ein Zauderer auf dem Thron

1774 stirbt der alternde Ludwig XV. an den Pocken. Da sein Sohn Louis Ferdinand bereits tot ist, geht die Krone an seinen Enkel. In Reims wird Ludwig zu Ludwig XVI., König von Frankreich gekrönt.

Sein ganzes restliches Leben lang wird er das Amt als Last empfinden. Wenigstens kommt 1778 endlich sein erstes Kind auf die Welt: Marie Thérèse Charlotte. 1781 wird Louis Joseph geboren, der lang ersehnte Thronfolger. Insgesamt bekommen Ludwig und Marie Antoinette vier Kinder.

Ludwig XVI. hat das Land in einem schwierigen Zustand übernommen. Die Kassen sind leer, das Volk ist unzufrieden, Proteste gegen den König werden laut. Bei den Gebildeten verbreiten sich die Ideen der Aufklärung: Die Vernunft solle Grundlage allen Handelns sein, nicht die Lehren der Kirche oder die Befehle eines Königs.

Es ist eine Situation, in der es einen starken Herrscher bräuchte. Doch Ludwig XVI. ist unsicher, ein Zögerer und Zauderer, der bei wichtigen Sitzungen bisweilen einschläft und laut schnarcht.

Noch dazu muss er ausgerechnet im Jahr 1789 – als die Französische Revolution beginnt – einen schweren Schicksalsschlag verkraften: Sein Sohn Louis Joseph, der an Rachitis leidet, stirbt im Alter von nur sieben Jahren. Doch die Ereignisse gönnen dem König keine Pause, die Revolutionäre wollen auf seine persönliche Situation keine Rücksicht nehmen. "Gibt es denn im Dritten Stand keine Väter?", kommentiert er bitter.

Marie Antoinette in roter Robe und mit Federhut, um sie herum drei Kinder und eine leere Wiege

Marie Antoinette und ihre Kinder; die leere Wiege verweist auf die jüngste Tochter, die noch als Säugling stirbt

Landesvater oder Volksfeind? Der König und die Revolution

Gleichzeitig versucht Ludwig XVI., sich versöhnlich zu geben, auf die Revolutionäre zuzugehen – und sei es nur in Auftreten und Wortwahl. Bei der Einberufung der Generalstände im Frühjahr 1789 nennt er sich den "ersten Freund des Volkes".

Doch das Volk glaubt ihm nicht. Am 5. Oktober 1789 ziehen hunderte Pariser Marktfrauen nach Versailles und fordern, dass die Königsfamilie in den Tuilerienpalast nach Paris umzieht. Hier soll Ludwig näher an den Nöten der einfachen Menschen sein, hier sollen sie besser kontrollieren können, dass seine Familie nicht zu verschwenderisch lebt.

"Brotmarsch" der Pariser Marktfrauen (am 05.10.1789)

WDR ZeitZeichen 05.10.2019 13:56 Min. Verfügbar bis 02.10.2099 WDR 5


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Tatsächlich siedelt Ludwig um. 1790, beim ersten Jahrestag des Bastille-Sturms, schwört er der Nation und dem Gesetz die Treue.

Das besänftigt die Franzosen vorerst. Marie Antoinette aber wird immer mehr zur Hassfigur. Schon beim Protestzug der Marktfrauen nach Versailles sind einige Aufständische ins Schlafzimmer der Königin gestürmt. Über eine Geheimtreppe kann sie in letzter Sekunde entkommen. Ihr Bett wird von Spießen durchbohrt.

Doch ihren Mann im Stich zu lassen und nach Österreich zurückzukehren, kommt für Marie Antoinette nicht in Frage. Inzwischen fühlt sie sich nicht mehr als Österreicherin, sondern als Französin, als Frau des derzeitigen und Mutter des künftigen Königs.

Ein Zug jubelnder Frauen und männlicher Trommler.

Das Königspaar und der Volkszorn: Zug der Marktfrauen nach Versailles

Flucht, Haft, Hinrichtung

Trotzdem wächst bei Ludwig XVI. und Marie Antoinette die Angst, dass die Revolutionäre sie gefangen nehmen und absetzen könnten – und sie entschließen sich zur Flucht. In der Nacht des 20. Juni 1791 steigt die Königsfamilie in die Kutsche einer befreundeten Baronesse, getarnt als deren Kammerdiener und Gouvernante.

Kurz vor der Landesgrenze müssen die Pferde gewechselt werden; dabei fällt einem Postmeister auf, dass der Passagier dem König, dessen Porträt das jüngst ausgegebene Papiergeld ziert, deutlich ähnelt. Die Flucht misslingt, die Königsfamilie muss nach Paris zurückkehren.

Die neue Verfassung sieht Ludwig XVI. zwar noch als Monarchen vor, doch im Volk wendet sich die Stimmung gegen ihn. Als im Sommer 1792 das sogenannte "Braunschweiger Manifest" öffentlich wird, ist sein Schicksal besiegelt. Darin schwört der Herzog von Braunschweig allen Einwohnern von Paris blutige Rache, sollten sie dem König etwas antun.

Von vielen Franzosen wird das als Beweis genommen, dass sich Ludwig XVI. mit den Monarchen Europas gegen sein eigenes Volk verbündet hat. Am 10. August 1792 stürmt eine aufgebrachte Menge die Tuilerien. Die Königsfamilie wird festgenommen und in einen mittelalterlichen Turm gebracht. Das Königtum wird abgeschafft.

In einem Prozess vor dem Nationalkonvent wird Ludwig XVI. zum Tode verurteilt und am 21. Januar 1793 hingerichtet. Mit dem Mann, der nie König werden wollte, ist die französische Monarchie vorerst gestorben.

Eine sogenannte Assignate mit seinem Portrait wird Ludwig XVI. zum Verhängnis.

Papiergeld mit dem Konterfei Ludwigs XVI.

Und Marie Antoinette? Hätte sie die Wahl gehabt, hätte auch sie sich wohl von der Macht ferngehalten. Zeit ihres Lebens war sie nur Spielball anderer: Ihre Mutter wollte mit ihrer Heirat Politik machen; ihre Höflinge versprachen sich von ihr Einfluss und Reichtum; in der französischen Öffentlichkeit machte man sie zum Sündenbock für alles, was man an der Monarchie verachtete.

Ihr Todesurteil nimmt Marie Antoinette mit stolzem Gleichmut entgegen. Vollstreckt wird es am 16. Oktober 1793 – durch die Guillotine.

Gemälde, auf dem eine ganz in weiß gekleidete ältere Frau von Wachen abgeführt wird, neben ihr ein Priester, vor ihr eine wütende Menge.

Marie Antoinettes letzter Gang

(Erstveröffentlichung: 2021. Letzte Aktualisierung 15.03.2021)

UNSERE QUELLEN

  • Antonia Fraser: "Marie Antoinette". Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006.
  • Uwe Schultz: "Der König und sein Richter: Ludwig XVI. und Robespierre". C.H.Beck, München 2012.

Quelle: WDR

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