Unterschrift Erwin Rommels in einem Brief an seine uneheliche Tochter

Erwin Rommel

Briefe von "Onkel" Erwin

Von Erwin Rommel sind rund 160 bislang unbekannte Briefe aufgetaucht. Geschrieben hat er sie an seine uneheliche Tochter, der er sich als Onkel ausgab. Peter Lieb ist der erste Historiker, der sie einschätzt.

Von Frank Drescher

"Dein Onkel Erwin"

"Dein Onkel Erwin", so unterschrieb der Vater, wenn er an seine Tochter schrieb. Selbst als seine Tochter schon längst erwachsen war, erhielt Erwin Rommel diese Illusion aufrecht. Er starb mit 53, der letzte Brief an seine damals 30-jährige Tochter datiert etwa einen Monat vor seinem Tod.

Dass ein Vater seiner Tochter die Vaterschaft verheimlicht und sich stattdessen als Onkel ausgibt, mutet sehr seltsam an. Doch "eine uneheliche Tochter war ein ziemliches Unding für die damaligen gesellschaftlichen Konventionen, noch dazu für einen Offizier", so der Historiker Peter Lieb. Ein Grund für das Versteckspiel war sicher auch die Familie, die Rommel später mit Lucia Maria Mollin gründete.

Oberleutnant Erwin Rommel 1917

Oberleutnant Erwin Rommel 1917

Familienglück oder Militärkarriere?

Mit 22 Jahren wurde Erwin Rommel zum ersten Mal Vater. Zu dieser Zeit war er bereits zum Leutnant aufgestiegen und bildete im schwäbischen Weingarten angehende Infanteristen für die kaiserliche Armee aus.

Der Mutter des Kindes – Walburga Stemmer – machte er da noch Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft. So erzählt es eine Enkelin Rommels, die das einem Brief an ihre Großmutter entnommen hat. Doch Anfang 1914 sah sich Rommel anscheinend vor die Wahl gestellt: entweder ein Familienleben oder eine Militärkarriere. Beides zugleich war für ihn zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht zu haben.

Der Wunsch nach einer Militärkarriere war bei Rommel stärker: Soldat zu sein, versprach seinerzeit ohnehin beträchtliches Prestige, noch dazu, wenn man sich wie Rommel bereits im Rang eines Offiziers befand. Und so kurz vor dem Ersten Weltkrieg versprachen sich viele junge Männer von Heldentaten in einem möglichen Krieg beträchtlichen Ruhm und gesellschaftliche Anerkennung.

Rommel im Zwiespalt

Trotzdem fühlte sich Rommel mit seiner Entscheidung gegen das Familienleben nicht wohl. Schon während des Ersten Weltkriegs schrieb er seiner Schwester, dass er im Falle seines Todes seine Tochter Gertrud, auch Traudel genannt, und ihre Mutter versorgt wissen wollte: "Ich habe sie mehr lieb als mich selbst. Ich will gut machen, was ich gefehlt."

Für Peter Lieb ist das ein interessanter Aspekt in Rommels Persönlichkeit: "Einerseits distanziert er sich von ihr, indem er sich als ihr Onkel ausgibt, weil es gesellschaftlich nicht anders möglich ist. Andererseits kümmert er sich um seine Tochter. Andere Zeitgenossen hätten völlig abgestritten, dass sie ein uneheliches Kind haben und hätten das als persönliche Last empfunden“, so der Historiker.

Feldpost: auch für heimliche Mitleser

Aus der Zeit zwischen der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni und Rommels Tod im Oktober 1944 sind drei Briefe Rommels an seine Tochter erhalten. Zu erwarten, dass sie Hinweise zu der Frage enthalten, wie Erwin Rommel zur Widerstandsgruppe des 20. Juli stand, wäre aber übertrieben, meint Peter Lieb: "Kriegsbriefe unterlagen im Zweiten Weltkrieg der Zensur. Soldaten vom kleinen Gefreiten bis hinauf zum Generalfeldmarschall wussten, dass ihr Brief jederzeit geöffnet und untersucht werden kann, nicht nur von der Feldpoststelle, sondern auch von der Gestapo".

Daher seien die Soldaten vorsichtig gewesen und hätten sich mit offenen Aussagen oder gar Kritik in solchen Briefen zurückgehalten. "Wenn er wirklich mit der Stauffenberg-Gruppe Kontakt gehabt haben sollte, dann musste er nach dem 20. Juli natürlich besonders vorsichtig sein".

Rommels Briefe im Detail

Rommel schrieb seine Briefe an die uneheliche Tochter Getrud Stemmer in der deutschen Kurrent-Schrift. Diese war bis in die 1920er-Jahre an den Schulen gelehrt worden.  

Liebe Traudel!
Hab Dank für Deine Briefe vom 21. und 24.7., die sind gestern hier im Lazarett eingetroffen. Am 17.7. haben englische Tiefflieger gegen 18 Uhr meinen Wagen auf der Rückfahrt von der Kampffront zusammengeschossen. In einigen Tagen werde ich wohl wieder mit dem Lazarett verlegt. Mach' Dir keine Sorgen um mich. Ich komme schon durch.
Dir und den Deinen meine besten Grüße
Dein Onkel Erwin

In einem Brief - datiert am 2. August 1944 – schrieb Rommel an seine damals 30-jährige Tochter:

 Die Lage im Osten und Westen ist z. Z. wenig erfreulich. Hoffentlich bleibst Du von neuen Bombenangriffen verschont …

Dass er bei dem geschilderten Angriff am 17. Juli schwere Verletzungen erlitten hatte, schrieb er erst später in seinem nächsten Brief vom 1. September 1944 – erstmals nach seiner Rückkehr aus dem Lazarett an der zusammenbrechenden Westfront in Frankreich.

Darin erwähnte er einen dreifachen Schädelbruch und ein zugeschwollenes linkes Auge, dessen Bewegungsnerven abgequetscht waren, und seine Sorge ums Augenlicht.  Und er berichtete von gefallenen gleichaltrigen Kameraden seines 15-jährigen Sohnes Manfred, den das NS-Regime als Luftwaffenhelfer einsetzte.

Brief Erwin Rommels an seine uneheliche Tochter 1944

Brief Erwin Rommels an seine uneheliche Tochter 1944

Diesen Brief hatte er schon nicht mehr vom Lazarett aus verschickt, sondern aus dem heimischen Herrlingen, wo er unter der Aufsicht von "Tübinger Professoren" medizinisch versorgt wurde:

Zur Überführung aus dem französischen Lazarett haben wir den richtigen Zeitpunkt gewählt, denn längst ist der Raum dieses Lazaretts in feindlicher Hand, schrieb Rommel. Es wird aber noch 1 – 2 Monate Zeit brauchen, bis ich wieder meine Front übernehmen kann.

Brief von Erwin Rommel an seine uneheliche Tochter Traudel

Brief von Erwin Rommel an seine uneheliche Tochter Traudel

Ähnlich optimistisch äußerte sich Rommel auch in seinem letzten Brief, datiert vom 17. September 1944.

Dabei schilderte er zugleich Schlafstörungen wegen starker Kopfschmerzen aufgrund seiner Schädelbrüche, Probleme beim Gehen und beim Sehen: Auch mein Gehen macht Fortschritte, nur strengt mich jeder Ausgang stark an.

Der Wert der Briefe für die Forschung

Grundlegend neue Erkenntnisse zu Rommel hat Peter Lieb diesen drei Briefen noch nicht entnommen. "Aber sie bestärken das Bild, wie Rommel sich selbst sieht, als der Militär, als der Soldat", sagt er. Und die Briefe zeigen auch, dass Rommel sich der kritischen militärischen Lage, in der sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt befand, bewusst war.

Welchen Wert haben Rommels Briefe an seine uneheliche Tochter nun für die historische Forschung? Lohnt es sich überhaupt, sie durchzulesen? Ja, findet Peter Lieb, der eine neue  Rommel-Biographie plant. "Allein dafür werde ich mir die anschauen müssen", sagt er.

Zudem stammen sie zum Teil auch noch aus Friedenszeiten, aus denen es wenig überlieferte Quellen zu Rommel gebe und die Forschung so seiner Person noch etwas näherkommen könne.

Quelle: SWR | Stand: 05.10.2020, 12:36 Uhr

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