Samburu-Krieger im Great Rift Valley

Urzeit

Ostafrikanischer Graben

Die Oberfläche unserer Erde verändert sich ständig: Enorme Kräfte zerren an der Erdkruste und verändern das Aussehen unseres Planeten. Eine besonders aktive Zone liegt in Ostafrika.

Von Claudia Heidenfelder

Lange Narbe in der Erdkruste

Hier entstand im Lauf der vergangenen 20 Millionen Jahre ein riesiger Riss in der Erdkruste: der Ostafrikanische Graben. Er reicht vom Roten Meer bis Mosambik und zieht sich über eine Länge von 6000 Kilometern. In seinem Verlauf teilt er sich in einen östlichen und einen westlichen Ast.

Der westliche Teil, auch zentralafrikanisches Rift genannt, erstreckt sich zwischen dem Malawisee und dem Turkanasee in Kenia. Im zentralafrikanischen Rift sind noch viele Vulkane aktiv, die Erde bebt hier bis zu 500 Mal im Monat.

Das östliche Rift ist bekannt für die Bergmassive des Mount Kenia und des Kilimandscharo. Nach wie vor aktiv ist im östlichen Rift der Vulkan Ol Doinyo Lengai im Norden Tansanias.

Die Drift zum Rift

Wie und warum entsteht ein solcher Grabenbruch? Grund dafür ist die Plattentektonik – die Bewegung der Erdplatten. Und die setzte schon vor Jahrmillionen ein.

Dabei spielen die Erdplatten der Lithosphäre, die aus der Erdkruste und der oberen Schicht des Erdmantels bestehen, eine entscheidende Rolle, denn die starren Lithosphärenplatten bewegen sich langsam in unterschiedliche Richtungen.

Mit den Platten driften auch die Kontinente: Auf dem beweglicheren Erdmantel werden sie befördert wie auf einem Fließband. So nahm die Erde ganz allmählich ihre heutige Gestalt an. Die Erdbewegungen sind aber noch lange nicht abgeschlossen. Erdplatten prallen weiterhin aufeinander oder driften voneinander weg.

Zerreißprobe in Ostafrika

Weil die Erdkruste sich bewegt, steht Ostafrika auf wackligen Füßen: Vor etwa 20 Millionen Jahren begann der afrikanische Kontinent auseinanderzubrechen. Ein riesiger Magmapilz aus dem Erdinneren quoll nach oben und riss die Erdkruste Ostafrikas in Stücke.

An den Grabenrändern türmten sich steile Flanken auf, die voneinander wegdriften, und gewaltige Gebirge mit mehreren Tausend Metern Höhe. Das Auseinanderdriften geschieht heute mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Jahr. Zwischen den Flanken sackten die schweren Gesteinsschichten ein – ein gigantischer Graben tat sich auf.

Entlang der gerissenen Erdkruste erhoben sich zahlreiche Vulkane. Eine Serie von Erdbeben und gewaltigen Vulkanausbrüchen öffnete den Graben immer weiter.

Magma schoss an die Oberfläche und bildete den Grund des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Geysire und thermale Quellen sprudelten entlang des Grabenbruchs empor. Sie befördern noch heute kochend heißes Wasser aus dem Erdinneren nach oben.

Savannen und Regenwälder

Die neue Gestalt der Erdoberfläche veränderte vermutlich auch das Klima in Ostafrika. Gebirge und hohe Flanken des Riftsystems wirkten wie eine Wetter-Barriere: Sie behinderten das Ziehen der Wolken von West nach Ost.

Die Folge war, dass östlich der Berge die Landschaft trockener wurde. Die ausgedehnten Regenwälder wichen zurück und es entstanden weite Savannen. Doch die Region war durch die vulkanische Asche fruchtbar. Nährstoffreicher Boden und periodisch auftretender Regen brachten eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt hervor.

Giraffen in Savannenlandschaft vor Bergen

Im Schatten der Berge entstanden ausgedehnte Savannen

Ursprung der Menschheit?

Im Ostafrikanischen Graben sollte noch mehr Erstaunliches geschehen: Hier in der Savanne entwickelten sich die ersten Vorfahren des Homo sapiens – so die Meinung zahlreicher Wissenschaftler.

Diese "Out-of-Africa"-Theorie basiert auf zahlreichen Knochenfunden: Die ältesten Hominidenfunde stammen aus Ostafrika. Berühmtes Beispiel dafür ist das mehr als drei Millionen Jahre alte Teilskelett von "Lucy", das 1974 bei Ausgrabungen in Äthiopien entdeckt wurde.

Als ursprünglichen Grund für die Menschwerdung sehen viele Wissenschaftler einen Klimawandel: Durch die Auffaltung von Gebirgen wurde es in Ostafrika immer trockener. Als Reaktion darauf wurden – über einen Zeitraum von Hunderttausenden von Jahren – die Pflanzen hartfaserig.

Dadurch veränderte sich auch die Nahrungssituation: Früchte und Samen der an die Trockenheit angepassten Pflanzen waren härter als zuvor. In der Tierwelt überlebte, wer diese harte Kost knacken konnte – diese Phase lässt sich bei Säugetieren wie Antilopen oder Schweinen durch einen dickeren Zahnschmelz nachweisen.

Auch die Vorfahren des Menschen waren diesem Evolutionsdruck ausgesetzt. So war die gebückte Haltung unserer affenähnlichen Vorfahren beim Rückgang des Waldes von Nachteil. Im hohen Gras der Savanne mussten sie sich aufrichten, um sich besser fortbewegen zu können.

Dazu war die harte Nahrung ein Problem: Ein Teil der Frühmenschen entwickelte sich zu sogenannten "Nussknackermenschen" mit starken Kiefern und Kaumuskeln.

Andere produzierten die ersten Werkzeuge und ernährten sich von Aas. Ihre eiweißreiche Nahrung sorgte dafür, dass sich ein so komplexes Organ wie das menschliche Gehirn entwickeln konnte.

An der Theorie, der Mensch stamme aus Ostafrika, gibt es jedoch Zweifel: Jüngste frühmenschliche Funde auf Java und in Georgien weisen auf die Möglichkeit hin, unsere Vorgänger könnten auch aus Eurasien stammen.

Ein neuer Ozean entsteht

Die Entstehung des Ostafrikanischen Grabens und all der Auswirkungen ist heute Forschungsobjekt zahlreicher Wissenschaftler. Die Forscher untersuchen aber nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die ferne Zukunft des Grabenbruchs.

Fall sich die Erdbewegung fortsetzt wie bisher, wird hier in etwa fünf bis zehn Millionen Jahren ein neuer Ozean entstehen. Die heutige Senke des Grabens wird dann Meeresgrund sein. Und Ostafrika wird als große Insel vor dem afrikanischen Kontinent liegen.

Quelle: SWR | Stand: 04.10.2020, 16:32 Uhr

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