Porträtfoto von Caroline Baetge

Volkshochschule

Interview: Die Zukunft der Volkshochschulen

Die Digitalisierung ist kein neues Thema für die Volkshochschulen. Doch die rasanten technischen Entwicklungen verändern die gesamte Bildungslandschaft in Deutschland und damit auch die Angebote der VHS. Darüber sprechen wir mit unserem Studiogast, der Medienpädagogin und vhs-Mitarbeiterin Caroline Baetge.

Von Daniel Schneider

Lernen wird immer individueller, auch durch die Digitalisierung. Wie reagiert die VHS auf diese Veränderungen?

Klar, die Möglichkeiten, in anderen Settings und Formen zu lernen, nehmen zu. Die Aufgabe der VHS ist es, auf die Veränderungen einzugehen. Die Teilnehmer sollen selbst entscheiden, wie, wo und wann sie lernen – weshalb wir zum Beispiel überlegen, eher modulorientierte Kurse zu entwickeln, die man sich selbst zusammenstellen kann. Ein Teilnehmer, der im Schichtdienst arbeitet, kann keinen Kurs belegen, der jede Woche am Abend stattfindet.

Das Ziel ist auch, flexiblere Angebote zu bieten. Da haben sich die Ansprüche geändert. Allerdings nicht von allen Zielgruppen. Auch bestehende Formen werden immer noch gut genutzt. Die klassischen Präsenzkurse, also da, wo man sich in der VHS zum Lernen trifft, haben immer noch Bestand.

Ich denke, dass es vor allem die Kombination aus Online- und Präsenzkursen sind, die die Zukunft der VHS ausmachen. Darauf reagieren wir seit 2015 zum Beispiel mit den "Erweiterten Lernwelten", einem fachbereichsübergreifenden Projekt, in dem die Stärken der VHS um die Möglichkeiten der Digitalisierung erweitert werden.

Screenshot vom MOOC mit einer Frage zur Garmethode beim Grillen

Jeder Teilnehmer bekommt die Infos und Fragen auf seinen Bildschirm

Wie funktioniert das praktisch?

Zum Beispiel durch die "VHS cloud", eine digitale Plattform, auf der Kursteilnehmende online auf ergänzende Materialien zugreifen können und so besser lernen können. Sie können sich auch VHS-übergreifend vernetzen. Das wird flächendeckend in ganz Deutschland angenommen.

Kursleiter können durch die VHS-Cloud mit ihren Teilnehmenden in Kontakt bleiben und Absprachen treffen. Außerdem gibt es sich die Möglichkeit, mit anderen Kursleitern auszutauschen. Ich als medienpädagogische Mitarbeiterin unterstütze die Kursleiter durch die erweiterten Lernwelten darin, neue Konzepte zu entwickeln, Materialien zu erstellen und digitale Tools [EDV-Programme] didaktisch sinnvoll zu verwenden.

Dadurch sind zum Beispiel die VHS-MOOCs (Massive Open Online Courses) entstanden. Das sind Onlinekurse, an denen ohne Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen teilgenommen werden kann. Im Mai 2019 haben wir einen bundesweiten Grill-MOOC veranstaltet. Geplant sind weiterhin ein Bienen-MOOC und ein MOOC zu einem Thema der politischen Bildung.

Welche Rolle spielen die technischen Geräte wie Tablets oder Smartphones im Bereich der Bildung?

Ich sehe die technischen Geräte eher als Hilfsmittel, um besser zu lernen, kreativ zu gestalten und sich zu vernetzen. Wir haben auch Kurse im Angebot, bei denen digitale Medien Inhalt des Kurses sind, aber viel mehr Potenziale bieten die kreativen und gestalterischen Möglichkeiten von digitalen Medien.

Denn Medien sind auch ein Mittel zum Ausdruck und zur Gestaltung. Sie helfen dabei, eine Meinung auszudrücken, kreativ zu werden. Und sie sind integraler Bestandteil unserer Gesellschaft und schon deshalb ist es wichtig, allen Menschen den Umgang damit zu ermöglichen.

Die Formen des Lernens haben sich verändert. Internetrecherche will auch gelernt sein. Und Tablets, Handys und PCs sind ein Mittel zur Partizipation. Sie ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe. Wenn es jemandem unangenehm ist, weil er sich nicht mit dem Smartphone auskennt, dann kann ich das gut verstehen. Und dann ist es auch unsere Aufgabe und Ziel der VHS, ihm zu helfen und diese Teilhabe zu ermöglichen.

Computerbildschirme und ein Whiteboard in einem abgedunkelten Raum der VHS in Köln

Technische Hilfsmittel vereinfachen das Lernen

Wie verändert die Digitalisierung die Strukturen der VHS?

Die einzelnen Volkshochschulen werden sich untereinander noch stärker vernetzen und dabei werden noch mehr VHS-übergreifende Angebote entstehen. Der Blick muss auch geöffnet werden. Das ist durch die Digitalisierung möglich, ohne dass die Individualität der einzelnen Einrichtung verloren geht.

Grundsätzlich ist die Digitalisierung ein Prozess nach außen, der aber neben den Bildungsmöglichkeiten der vielen Menschen, die Kurse besuchen und buchen, parallel auch das interne System der Volkshochschulen verändert. Durch ganz praktische Veränderungen: Demnächst gibt es bei uns in Leipzig ein neues Dokumentenmanagementsystem. Alle Akten gibt es dann nur noch digital.

Auch der Beratungs- und Servicebereich wird sich verbessern. Bisher war es so, dass die Mitarbeiter der einzelnen VHS quasi immer dann in den Feierabend gehen, wenn die Kursleiter und Teilnehmer zu den Kursen kommen, da diese ja vorrangig am Abend stattfinden. Das ist nicht optimal. Durch einen umfangreichen Email-Service, Chatfenster und digitale Beratung wird da hoffentlich eine große Lücke geschlossen werden.

Was wird für die Zukunft der VHS im digitalen Zeitalter immer wichtiger?

Wir als Volkshochschule brauchen weiterhin gut ausgebildete Kursleiterinnen und Kursleiter und den Mut, Dinge auszuprobieren. Da ist der Grill-MOOC ein gutes Beispiel. Die Idee dazu ist innerhalb eines Bar-Camps entstanden, bei dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Onlinekurse Gedanken gemacht haben.

Von der Idee bis zur Umsetzung eines Online-Kurses oder eines ganz neuen Konzeptes braucht es den Rahmen, einfach mal zu machen und gemeinsam auszuprobieren. Und dass innerhalb eines Jahres ein bundesweit organisiertes Angebot wie dieser Grill-MOOC zustande gekommen ist, macht mir Mut und Hoffnung für weitere Projekte.

Ein VHS-Mitarbeiter platziert ein Playmobilfahrzeug für einen Stop-Motion-Trick

Einfach mal ausprobieren – durch die erweiterten Lernwelten ist das möglich

Quelle: WDR | Stand: 08.10.2019, 09:30 Uhr