Ein Mädchen steht vor einer Weltkarte und lächelt

Fremdsprachen lernen

Fremdsprachen lernen

Der Mensch lernt Fremdsprachen, seit er anderssprachigen Menschen begegnet. Ob Englisch, Französisch oder Altnordisch: Fremde Wörter verinnerlichen wir schneller, wenn wir ein klares Ziel verfolgen. Sonst wird Sprachenlernen häufig zur Qual.

Von Katrin Ewert

Hören, Verstehen, Sprechen

Es ist das Jahr 921 nach Christus. Ein junger Mann namens Ahmad Fadlan reist von Bagdad an die Wolga. Auf seinem Weg trifft er auf eine Truppe Wikinger. Zunächst können sich die Männer nicht verstehen – die Wikinger beherrschen kein Arabisch; Ahmad spricht kein Altnordisch.

Nach einer gemeinsamen Nacht am Lagerfeuer versteht Ahmad die Nordmänner plötzlich und kann ihnen sogar in ihrer Sprache antworten und mit ihnen verhandeln – so lautet zumindest die Legende, die für den Film "Der 13. Krieger" verfilmt wurde.

Bis heute wissen Forscher nicht, ob die Wikinger-Legende wahr ist oder nicht. Aber: Die Geschichte zeigt eine zentrale Erkenntnis aus der Sprachforschung. Wir können nur das sprechen, was wir vorher gehört haben. Wenn ein Kind seine Muttersprache lernt, hört es zunächst monatelang seine Eltern sprechen. Anschließend brabbelt das Baby los und versucht einzelne Wörter auszudrücken, bis schließlich ganze, verständliche Sätze daraus werden.

Im Fall des Gesandten Ahmad funktionierte das Sprachenlernen genauso. Auch Kinder, die zweisprachig aufwachsen, oder Menschen, die Zeit bei einer Gastfamilie im Ausland verbringen, erwerben die Fremdsprache nach diesem Prinzip.

Eine Frau reinigt alte Bücher in einer Bibliothek

Im Mittelalter gab es die ersten Grammatik-Bücher, um fremde Sprachen zu lernen

Sprachenlernen ist ein Privileg

Für gewöhnlich lernen wir eine zweite Sprache aber nicht bei einem Lagerfeuer mit Fremden, sondern in der Schule oder in Sprachkursen. Schüler lernen Fremdsprachen nach festen Regeln und Methoden.

Der Lehrer oder die Lehrerin zeigt entweder zuerst eine grammatische Regel oder eine neue Vokabel, gibt anschließend Beispielsätze vor und lässt die Schülerinnen und Schüler das Erlernte erst dann anwenden (deduktive Methode). Oder aber die Lernenden lesen oder sprechen sofort über ein Thema, erkennen dabei Regelmäßigkeiten und erst im Anschluss formuliert der Lehrer oder die Lehrerin die Grammatikregel (induktive Methode).

Mit welcher dieser Techniken Schüler besser eine Sprache lernen, darüber diskutieren Linguisten seit Jahrzehnten. Heute wenden Lehrer hauptsächlich die induktive Methode an. Manche Dozenten wählen auch eine Mischform.

So lernt man Sprache

Planet Wissen 18.01.2022 05:02 Min. UT Verfügbar bis 13.11.2024 WDR Von Jana Garve

In Deutschland kommen manche Kinder bereits im Kindergarten spielerisch mit der ersten Fremdsprache in Kontakt. Spätestens in der Grundschule beginnen die Schüler mit dem Englischunterricht. In der weiterführenden Schule wählen die Kinder für gewöhnlich eine zweite Fremdsprache – etwa Französisch, Spanisch oder Latein. Für das Abitur ist eine zweite Fremdsprache Pflicht.

Historisch gesehen ist dieses organisierte Fremdsprachenlernen ein Privileg. In Deutschland etablierte sich der Sprachunterricht erst im 20. Jahrhundert. Zwar gab es hierzulande bereits im Mittelalter erste Grammatik- und Sprachlehrbücher. Das Sprachenlernen war aber lange Zeit nur wenigen Menschen vorbehalten. Gelehrte beherrschten Latein oder Altgriechisch. Einige Kaufleute eigneten sich eine Fremdsprache an, um mit Ausländern zu verhandeln.

Kinder konnten nur eine Fremdsprache lernen, wenn sich ihre Eltern einen Hauslehrer leisten konnten. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten Sprachforscher Konzepte für den Französisch- und Englischunterricht für die breite Masse.

Ein Kind steht vor einer Tafel und schreibt mit Kreide Wörter auf Englisch

Kinder beginnen heute häufig bereits sehr früh mit ihrer ersten Fremdsprache

Austausch von Wissen und Kultur

Ahmad Fadlan aus der Wikinger-Legende, das brabbelnde Baby und der Kaufmann auf Handelsreise haben eins gemeinsam: Sie wollen ihr Gegenüber verstehen und sich selbst ausdrücken. Dieses klare Ziel ist der Schlüssel zum Erfolg des Sprachenlernens.

Gleichzeitig ist es der Grund dafür, dass es Schülern oder Erwachsenen häufig schwerfällt, sich eine neue Sprache anzueignen. Gute Noten oder ein Sprachzertifikat reichen als Motivation häufig nicht aus. Es fällt uns leichter, eine neue Sprache zu lernen, wenn ein Schüleraustausch oder ein neuer Job im Ausland bevorsteht.

Die Möglichkeiten für solche Auslandsaufenthalte sind in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen. Viele Menschen lernen Fremdsprachen, um in ausländischen Universitäten Wissen zu erlangen, um in Unternehmen Praxiserfahrungen zu sammeln oder um zu reisen und fremde Länder kennenzulernen. Fremdsprachenkenntnisse und Auslandserfahrungen gelten bei vielen Unternehmen mittlerweile als eine wichtige Schlüsselqualifikation.

Bei diesem globalen Austausch hat sich Englisch als Weltsprache mit 1,5 Milliarden Sprechern etabliert. Darauf folgt die Sprache Chinesisch, das über eine Milliarde Menschen beherrscht. Auf dem dritten Platz der meistgesprochenen Sprachen der Welt ist Hindi mit geschätzten 650 Millionen Sprechern.

Eine wichtigere Bedeutung für uns nach Englisch haben jedoch Spanisch und Französisch. Diese Sprachen verstehen zwar insgesamt weniger Menschen als Chinesisch und Hindi, sie sind aber wichtiger für die globale Wirtschaft und den interkulturellen Austausch – und sind nicht zuletzt für uns einfacher zu erlernen.

Zwei Frauen und ein Mann unterschiedlicher Herkunft sprechen miteinander

Sprachenlernen fällt uns leichter, wenn wir ein klares Ziel vor Augen haben

(Erstveröffentlichung 2019. Letzte Aktualisierung 29.06.2020)

 

Quelle: WDR

Darstellung: