Risiken im Alltag

Planet Wissen 09.03.2023 02:00 Min. UT Verfügbar bis 21.02.2027 SWR

Entscheidungen

Echte Risiken erkennen

Viele Menschen fürchten sich vor Dingen, die sie – nüchtern betrachtet – selten bedrohen. Dabei übersehen sie oft die echten, möglicherweise sogar lebensgefährlichen Risiken. Ein Grund ist das so genannte primitive Angstsystem in unserem Gehirn.

Von Andrea Wojtkowiak

Echte Risiken werden oft nicht erkannt

Häufig fürchten Menschen sich vor den falschen Dingen. Ein Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigt: In Deutschland sterben die meisten Menschen an Herzkrankheiten, an den Folgen von ungesundem Lebenswandel, an zu wenig Bewegung und schlechter Ernährung, Rauchen und Alkohol.

Doch vor diesen Risiken fürchten sich die wenigsten Menschen – und das, obwohl sie wissen, dass diese irgendwann tödlich enden können.

Der Grund sei, dass es sich dabei um sogenannte schleichende Risiken handele, sagt Entscheidungsforscher Dr. Thorsten Pachur vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Die negativen Ergebnisse schleichender Risiken zeigen sich erst nach vielen Jahren, deshalb geht unsere Risikowahrnehmung zurück und wir unterschätzen die negativen Folgen auf uns.

Risiken richtig einschätzen

Im Alltag begegnen uns ständig Statistiken und Wahrscheinlichkeiten, dennoch fällt es vielen Menschen schwer, sie zu verstehen. Dabei ist diese Fähigkeit entscheidend, um Risiken einschätzen zu können. "Niemand muss ein Mathe-Genie sein, um mit Wahrscheinlichkeiten und Risiken umzugehen", sagt Entscheidungsforscher Pachur. Vieles lasse sich aus eigenen Erfahrungen herleiten.

Wer zum Beispiel mehrfach Flugzeug, Auto und Zug benutzt hat, wird eine relativ gute Entscheidung treffen können, welches Verkehrsmittel das pünktlichste auf der betreffenden Strecke ist.

Grafik Apfelernte von Familie Schmidt.

Um Prozentangaben richtig zu interpretieren, ist es wichtig, nach den absoluten Zahlen zu fragen. Denn hinter einer großen Prozentzahl kann sich eine sehr kleine tatsächliche Zahl verbergen.

Ein Beispiel: Von 100 Äpfeln, die eine Familie erntet, sind im ersten Jahr vier Stück faul und im zweiten Jahr fünf Stück. In Prozenten ausgedrückt, ist das eine Steigerung an faulen Äpfeln von 25 Prozent. Das klingt viel, dabei handelt es sich ja nur um einen einzigen Apfel.

Ängste beeinflussen die Risikowahrnehmung

Was Menschen als gefährlich einschätzen, wird von ihren Ängsten mitbestimmt. Selbst wenn wir versuchen, unsere Ängste im Zaum zu halten, gelingt dies nicht immer. Denn unsere Urängste sind in einem Teil des Gehirns, der Amygdala, genetisch verankert.

Dieses primitive Angstsystem schützt uns vor Gefahren wie etwa tiefen Gewässern, Dunkelheit und wilden Tieren. Für unsere Vorfahren war das primitive Angstsystem überlebenswichtig – und auch heute noch ist es leicht zu aktivieren.

Daneben besitzt jeder Mensch ein zweites Angstsystem im Gehirn. Dieses intelligente System kann Ängste analysieren.

Wie entstehen Ängste?

Planet Wissen 09.03.2023 04:47 Min. UT Verfügbar bis 21.02.2027 SWR

Soziale Interaktion verstärkt Ängste

Menschen kommunizierten negative Dinge stärker, berichtet Dr. Thorsten Pachur. Das zeigten Studien. In der persönlichen Kommunikation sei dies schon lange so, neu sei aber die Schnelligkeit, mit der Informationen und auch Fehlinformationen heutzutage durch soziale Netzwerke verbreitet werden.

Populisten nutzen das, um Ängste zu schüren. Haben Ängste sich erst einmal eingeschlichen und festgesetzt, gibt es für rationale Betrachtungen kaum noch eine Chance. So gelingt es zum Beispiel den Rechtspopulisten, andere Menschen durch Falschinformationen (Fake News) zu beeinflussen.

Ängste richtig einschätzen

"Ängste sind extrem wichtig, sonst hätten wir nicht überlebt", sagt Entscheidungsforscher Pachur, "denn Ängste führen dazu, dass wir aufmerksam werden." Trotzdem sollten Ängste das Leben nicht negativ beeinflussen. Um angstfreier durchs Leben zu gehen, empfiehlt Pachur, sich über Risiken eingehend zu informieren.

Wie jemand eine Entscheidung fällt, sollte er von der Situation abhängig machen, erklärt Pachur: "Wenn wir in dem Bereich schon viele Erfahrungen haben, können wir aus dem Bauch entscheiden. Wenn das nicht der Fall ist, sollten wir lieber den Kopf einschalten, genauer hingucken und uns überlegen, wie wir eine Entscheidung treffen möchten."

Quelle: SWR | Stand: 25.08.2020, 09:55 Uhr

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