Ein Mann liegt entspannt auf dem Bett und hält ein Handy in der einen und einen Stift und ein Blatt Papier in der anderen Hand.

Gewohnheiten

Schluss mit Grübeln: Wie ändere ich meine Denkgewohnheiten?

Routinen loszuwerden ist keine leichte Aufgabe. Die meisten Menschen scheitern an ihren Vorsätzen, weil es ihnen an Willenskraft fehlt. Wer den richtigen Zeitpunkt und eine gute Strategie wählt, kann Gewohnheiten ablegen – oder sich zunutze machen.

Von Katrin Ewert

Wann es Sinn macht, Routinen abzulegen

Das Telefon klingelt, drei neue Mails ploppen auf, ein Kollege kommt herein und legt einen Ordner mit weiteren Aufgaben auf den Tisch: Zahlreiche Dinge sind zu erledigen und eigentlich muss ein wichtiger Bericht noch geschrieben werden. Die Deadline für die Abgabe rückt immer näher. Wie reagiert der Chef, wenn ich nicht pünktlich abgebe? Was passiert, wenn ihm das Ergebnis nicht gut genug ist? – Solche Gedanken sind es, die viele Menschen unter Druck setzen und Stress auslösen.

Neben Stress gehören Nervosität, Prüfungsangst und Lampenfieber zu den Denk- und Gefühlsgewohnheiten, die schnell lästig werden und uns den Alltag erschweren. Denkmuster wie "Ich schaffe das nicht" oder "Ich bin nicht gut genug" können wir mit der richtigen Strategie aber ablegen.

Spätestens wenn sich aus Gedanken ein Grübelzwang, Depressionen oder Angststörungen entwickeln, ist es Zeit zu handeln. Doch auch wer lediglich besser mit Stress umgehen möchte, für den lohnt es sich, die richtigen Strategien zu lernen, um negative Gedankenmuster in positive umzuwandeln.

Zwei junge Frauen sitzen an einem Tisch und schreiben eine Prüfung.

Prüfungangst lässt sich mit der richtigen Strategie stoppen

Die Gewohnheit analysieren

"Wer eine Gewohnheit ändern will, sollte sie zuerst analysieren", sagt Verplanken. Wer sich beispielsweise vornimmt, Stress zu reduzieren, sollte genau beobachten, in welchen Situationen er gestresst wird. Es ist eine Suche nach sogenannten "Triggern", also Auslösereizen: Das kann eine näher rückende Abgabefrist sein oder einfach mehrere Arbeitsaufträge zur selben Zeit.

Gerade in Stresssituationen schaltet das Gehirn auf Autopilot und verfällt in das altbewährte Muster "kämpfen oder fliehen". Die Reaktion, die unseren Vorfahren das Überleben gesichert hat, ist heute meist überflüssig.

Um das Notfallprogramm im Kopf abzuschalten, sollten wir einen Moment stoppen und uns fragen, warum wir gerade so reagieren. Welche Emotionen stecken dahinter? Ist es die Angst, eine Aufgabe nicht fertig zu bekommen? Ist es Nervosität wegen einer anstehenden Präsentation? Sobald wir wissen, warum die Stressreaktion abläuft und wir den Auslöser gefunden haben, sind wir ihr nicht mehr ausgeliefert.

Ein Mann sitzt nachdenklich vor seinem Laptop.

Steckt Zeitdruck dahinter? Die Angst, nicht gut genug zu sein?

Ein Plan hilft, Ziele zu konkretisieren

Wer die Routine ändern will, sollte im nächsten Schritt einen Plan aufstellen. Dabei ist es wichtig, so konkret wie möglich zu sein. Das ist gerade bei Denk- und Gefühlsgewohnheiten schwierig. Stressreaktionen lassen sich beispielsweise nicht komplett vermeiden. Dafür können wir bestimmte Situationen auswählen. Beispiel: "Ich bin vor Deadlines nicht mehr so gestresst".

Eine höhere Erfolgschance haben wir, wenn wir das Ziel positiv formulieren, also: "Ich bin auch vor dem Ende von Abgabefristen entspannt". Zudem sollten wir alle Vorteile notieren, die uns dieses Ziel bringt. Beispielsweise reagiere ich nicht mehr gereizt und bin freundlicher zu meinen Kollegen und habe abends noch Energie, um etwas mit Freunden zu unternehmen. Diese Vorteile sollten wir genau visualisieren.

Ein Mann sitzt am Laptop und schreibt in ein Notizbuch.

Ein große Hilfe: ein Plan mit konkreten, positiv formulierten Zielen

Außerdem sollten wir einen konkreten Zeitraum festlegen, bis wann wir das Ziel erreichen möchten. Experten raten dazu, den aufgestellten Plan tatsächlich aufzuschreiben und beispielsweise gut sichtbar am Arbeitsplatz aufzuhängen. Zusätzlich sollten wir so vielen Kollegen und Freunden wie möglich von unserem Vorhaben erzählen. Oder noch besser: Wir holen uns einen Kollegen dazu, der mitmacht und uns zusätzlich motiviert.

Wer sich eine zusätzliche Kontrolle holen will, kann auf der Website "www.stickk.com" einen Vertrag mit sich selbst abschließen. Wird das Ziel verfehlt, spendet die Seite automatisch eine vorher festgelegte Summe an einen Verein oder eine Institution, die man nicht leiden kann.

Erfolgreich mit Wenn-Dann-Plänen

Trotz Plänen und Unterstützung fällt es den meisten Menschen schwer, durchzuhalten. "Einfacher ist es, eine Gewohnheit gegen eine andere zu ersetzen anstatt sie loszuwerden", sagt Sozialpsychologe Verplanken. Peter Gollwitzer, Professor an der New York University hat dafür die Strategie der sogenannten "Wenn-Dann-Pläne" entwickelt.

Dabei werden konkrete Handlungsanweisungen festgelegt. Zum Beispiel: "Wenn ich bei der Arbeit gestresst werde, atme ich dreimal tief durch" oder "..., gehe ich in die Küche und hole mir ein Glas Wasser". Gollwitzer und weitere Psychologen konnten in ihren Studien belegen, dass Personen mit Wenn-Dann-Plänen erfolgreicher waren als Probanden, die sich lediglich ein Ziel setzten.

Jemand füllt Wasser in ein Glas, das überläuft.

Wenn-Dann-Pläne: "Immer wenn ich gestresst werde, hole ich mir ein Glas Wasser"

Checkliste: Eine erfolgreiche Strategie

✔  Gewohnheit analysieren: Was löst die Routine aus? In welchen Situationen läuft sie ab?
✔  Plan aufstellen: Konkretes, positiv formuliertes Ziel und Zeitraum festlegen, Plan aufhängen
✔ Vorhaben teilen: Kollegen und Freunden davon erzählen und gegebenenfalls zum Mitmachen bewegen
✔ Wenn-Dann-Pläne aufstellen: Handlungsanweisungen für bestimmte Situationen festlegen.

Ergänzend zu den Plänen hilft das sogenannte "mentale Kontrastieren". Dafür überlegt sich die Person, welche Schwierigkeiten aufkommen könnten und was in dem Fall zu tun ist.

Etwa: "Die näher rückende Deadline macht mir Angst, dass ich es nicht rechtzeitig schaffe". Hier könnte helfen, sich eine positive Erfahrung vor Augen zu führen, zum Beispiel eine gelungene Arbeit, für die man sehr gelobt wurde. Oder sogar mehrere positive Erlebnisse auf einem Blatt Papier notieren, das man herausholt, wenn Zeitdruck aufkommt.

Die Hamburger Psychologin Gabriele Oettingen hat für diese Tricks eine kostenlose App entwickelt: "WOOP" steht für "Wish" (Das Ziel setzen), "Outcome" (das Ergebnis realisieren), "Obstacle" (die Hindernisse erkennen) und "Plan" (den Wenn-Dann-Plan festlegen). Die App soll gegen alle Gewohnheiten im Alltag helfen: Dem Aufschieben von Aufgaben oder bei Prüfungsangst.

Therapeuten lösen schwierige Routinen

Bei hartnäckigen Gewohnheiten oder Zwängen und Süchten reichen Apps und selbstgeschriebene Pläne meist nicht aus. "Eine kognitive Verhaltenstherapie ist in dem Fall hilfreich", sagt Verplanken. Therapeut und Patient erarbeiten zuerst neue Verhaltensweisen und diese setzt der Patient dann in seinem Alltag um.

Wer zum Beispiel Raumangst hat, lernt in der Therapie zunächst Strategien, wie er mit bestimmten Situationen wie etwa in einem Fahrstuhl umgehen kann. Als zweiten Schritt fährt die Person zusammen mit dem Therapeuten tatsächlich mit dem Fahrstuhl und wendet die erlernten Strategien an.

"Bei Verhaltensgewohnheiten ist diese Therapie sehr effektiv", beurteilt Verplanken. Sie verändere, was wir denken. Für Denk- und Gefühlsgewohnheiten empfiehlt der Experte hingegen achtsamkeitsbasierte Therapien. "Sie verändern die Art, wie wir denken", sagt der Sozialpsychologe. "Wir lernen, negativen Gedanken nicht mehr so viel Aufmerksamkeit zu schenken."

Eine Frau sitzt im Schneider sitz auf dem Boden und hat die Hände auf die Knie gelegt.

Meditation gegen alte Denk- und Gefühlsgewohnheiten

Die SARW-Technik gegen Stress (Stoppen–Atmen–Reflektieren–Wählen)

  1. Stressreaktion unterbrechen durch ein entschlossenes "Stopp!"
  2. Tief durch die Nase in den Bauch einatmen. Durch den Mund wieder ausatmen.
  3. Reflektieren, welche Möglichkeiten es in der Situation gibt.
  4. Die angemessenste Möglichkeit auswählen.

Ein weiterer Ansatz ist das Achtsamkeitstraining "Mindfulness-Based Stress Reduction" (MBSR). In Stressreaktionen verlagern wir die Aufmerksamkeit auf Geräusche, Gefühle oder Gerüche in der Umgebung. Die MBSR-Technik lässt sich beispielsweise an einer Mandarine trainieren: Wie sieht sie aus? Wie fühlt sie sich an? Wie riecht sie? Welche Geräusche entstehen, wenn man sie pellt und ein Stück isst? Wie schmeckt sie?

Willenskraft zeigen

Am Ende können wir uns aber auch mit Wenn-dann-Plänen und Achtsamkeits-Training nicht umprogrammieren. Es kommt auf die Willenskraft an. Und die muss aus eigener Motivation entstehen: Wenn wir eine Gewohnheit nur versuchen abzulegen, weil Freunde, der Partner oder ein Arzt uns dazu drängt, werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern.

Wir schaffen es nur, wenn wir die Veränderung selbst wirklich wollen und uns der Nachteile der schlechten Gewohnheit bewusst sind – und der Vorteile die auf uns warten, wenn wir sie abgelegt haben. Nur so entwickeln wir das nötige Durchhaltevermögen.

Aber auch wer zu viel Anstrengung in das Vorhaben investiert, kommt nicht ans Ziel. Bei ständiger Selbstkontrolle kann es zu einer Erschöpfung kommen. Wer sich ständig zusammenreißt, gibt irgendwann auf. Charles Duhigg, Autor des Bestsellers "Die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun" vergleicht die Willenskraft mit einem Muskel: Bei fehlendem Training oder Überanstrengung erschlafft sie.

Eine Frau sitzt an einem Tisch in einem Büro und lächelt in die Kamera, im Hintergrund reden drei Personen miteinander.

Mit Motivation und kleinen Belohnungen gegen schlechte Gewohnheit angehen

Stattdessen sollten wir uns zwischendurch immer wieder bewusst machen, was wir bereits geschafft haben und selbst kleine Erfolge feiern. Helfen können Teilziele, bei denen eine Belohnung wartet – zum Beispiel ein Saunabesuch oder eine Massage.

Studien konnten zeigen: Wer einmal eine neue Routine in seinem Alltag etabliert hat, behält sie bei. Wissenschaftler streiten sich darüber, wie lange der Prozess dauert. Einige sprechen davon, dass das Gehirn 21 Tage braucht, um ein neues Muster zu speichern. "Die Dauer ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich", hält Verplanken dagegen. "Es kommt auf die Wiederholung an."

Gewohnheiten verändern erfordert Kraft, Zeit und Mut. Mit dem richtigen Zeitpunkt, einer guten Strategie und Willenskraft können wir es aber schaffen – und im Prozess lernen wir viel über uns selbst.

(Erstveröffentlichung 2018. Letzte Aktualisierung 07.06.2019)

Quelle: WDR

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