Kommunismus

Kommunismus oder Kapitalismus? Zwei Weltanschauungen in der Kritik

Im 20. Jahrhundert folgten viele Staaten entweder dem kapitalistischen oder dem kommunistischen Wirtschaftsprinzip. Doch Ende der 1980er-Jahre stürzten viele Länder ihre kommunistischen Regierungen. Der Kapitalismus galt danach vielen als Sieger, der Kommunismus als nicht praxistauglich. Heute aber erlebt die Kritik am Kapitalismus weltweit ein Comeback.

Von Carsten Günther

Der Sieg des Kapitalismus über den Kommunismus?

Nach der Russischen Revolution von 1917 wurde die Sowjetunion zum ersten sozialistischen Staat der Erde. In den folgenden Jahrzehnten schlossen sich viele Länder dem Vorbild der Russen an und riefen den "real existierenden Sozialismus" als Vorstufe zum Kommunismus aus. Dazu gehörte auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR), also Ostdeutschland.

Dabei gab es in den kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas im Lauf der Jahre immer wieder Versuche, das politische System zu reformieren. Denn viele Menschen waren unzufrieden damit, dass sie sich an politischen Entscheidungen nicht beteiligen durften.

Während des "Prager Frühlings" 1968 forderte der tschechoslowakische Politiker Alexander Dubček einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" und mehr Demokratie. Diese Aufbruchbewegung wurde vom Militär gewaltsam niedergeschlagen.

In der Sowjetunion führte Staatschef Michail Gorbatschow ab 1985 mit den Begriffen "Glasnost" (Offenheit, Transparenz) und "Perestroika" (Umgestaltung) ein Programm zur Demokratisierung des Landes ein. Damit wollte er Meinungsfreiheit und eine Öffnung des Landes in Richtung Westen ermöglichen.

Doch die Menschen wollten keine schrittweisen Reformen, sondern Freiheit und Wohlstand sofort. Sie waren unzufrieden mit den politischen Verhältnissen und zwangen ihre Regierungen zum Rücktritt. Die DDR trat 1990 der Bundesrepublik Deutschland bei, ein Jahr später löste sich die Sowjetunion als größter sozialistischer Staat der Erde auf. Auch in den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas setzte sich nach und nach die kapitalistische Wirtschaftsform durch.

Manche Historiker waren der Meinung, der Kapitalismus habe nun endgültig über den Kommunismus gesiegt. Einige Experten, wie der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, sprachen sogar vom "Ende der Geschichte", da die große Vision einer kommunistischen Gesellschaft gescheitert sei und sich damit einer der größten Konflikte des zwanzigsten Jahrhunderts entschieden habe.

Mit dem Fall der Mauer endete auch der Kommunismus in Ostdeutschland | Bildquelle: akg-images

Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst

Doch seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts beschäftigen sich Ökonomen wieder vermehrt mit der Frage der sozialen Ungleichheit. Denn die Kluft zwischen Arm und Reich war noch nie so groß wie heute. Laut einem Bericht der Organisation Oxfam hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung in den Jahren 2020 bis 2022 sein Vermögen um insgesamt 26 Billionen US-Dollar vergrößert. Die zehn reichsten Milliardäre der Erde konnten ihr Vermögen 2020 bis 2021 sogar verdoppeln und wurden zusammen jeden Tag um 1,3 Milliarden Dollar reicher. Gleichzeitig leidet jeder zehnte Mensch auf der Erde an Hunger.

2013 erregte das Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" des französischen Ökonomen Thomas Piketty großes Aufsehen. Piketty untersuchte darin die Veränderungen in der Vermögens- und Einkommensverteilung seit dem 18. Jahrhundert. Dabei griff er den Titel von Karl Marx' Hauptwerk "Das Kapital" auf.

Piketty kommt zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die schon ein großes Vermögen besitzen, immer reicher werden. Dies bedeute eine große Bedrohung für den sozialen Frieden und die Demokratie. Denn wer sein Geld geschickt anlegt, muss auf seine Gewinne in der Regel weniger Steuern zahlen als auf das, was er durch seine Arbeit verdient.

Pikettys Thesen werden bis heute kontrovers diskutiert. Manche Ökonomen sehen in ihm den "Marx des 21. Jahrhunderts", der eine weltweite Umverteilung von unten nach oben bewiesen habe.

Viele Milliardäre haben in den vergangenen Jahren ihr Vermögen vervielfacht | Bildquelle: WDR / imago images / Gary Waters

All you need is less – eine Wirtschaft ohne Wachstum?

Andere Wissenschaftler sind der Meinung, dass das permanente Wirtschaftswachstum, das dem Kapitalismus zugrunde liegt, eine große Gefahr für unsere Umwelt darstellt. Sie fordern ein ökologischeres Wirtschaftssystem, in dem die Menschen ihre Lebensweise grundlegend ändern und ihren Wohlstand einschränken. Auf diese Weise könne der unnötige Konsum von überflüssigen Waren verringert werden.

Diese Theorie nennt man "Post-Wachstumsökonomie". Sie bezeichnet ein System, das sich mit einer kleineren Industrieleistung zufrieden gibt. Dadurch, so die Befürworter, könne man die Lebensarbeitszeit verkürzen, da nicht mehr so viele Arbeitskräfte gebraucht würden. Durch Tauschen von Waren (Tauschringe) oder die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern – etwa das Teilen von Autos, das so genannte Car-Sharing – könnten Kosten im täglichen Leben eingespart werden.

Kritiker beklagen, dieses "Grüne Schrumpfen" könne dazu führen, dass die Menschen nicht mehr so viel reisen, Häuser bauen oder heizen dürften wie bisher. Sie befürchten, eine De-Industrialisierung bedeute für die Masse der Menschen eine Senkung des Lebensstandards, während die Milliardäre und Multimillionäre auf der Erde weiterhin im Luxus lebten.

Ist ökologisches Wirtschaften ohne Wachstumszwang möglich? | Bildquelle: ddp

(Erstveröffentlichung: 2023. Letzte Aktualisierung 16.07.2023)

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