Das versteht man unter "Grüner Wirtschaft"

Planet Wissen 02.06.2022 01:54 Min. Verfügbar bis 15.09.2026 SWR

Grüne Wirtschaft

Auf dem Weg zur Grünen Wirtschaft

Geldverdienen im Einklang mit Natur und Mensch? Das galt in Wirtschaftskreisen lange als weltfremd. Inzwischen haben selbst große Konzerne die Nachhaltigkeit zum Unternehmensziel erklärt und die Deutsche Börse hat einen Nachhaltigkeits-Dax.

Von Beate Krol

Die Forderung ist schon alt

Die Wirtschaft ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet sie Arbeitsplätze und sorgt dafür, dass wir alles haben, was wir zum Leben brauchen. Andererseits trägt sie maßgeblich zur Klimakrise bei und schlägt ihren Profit auch aus Ressourcenverschwendung und Ausbeutung.

Bis vor wenigen Jahren waren es vor allem Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die auf ein nachhaltigeres Wirtschaften drängten. Weltweit bekannt wurde der 1972 vom Club of Rome herausgegebene und in 29 Sprachen übersetzte Bericht "Die Grenzen des Wachstums".

Zeitreise: "Club of Rome"

Planet Wissen 02.06.2022 01:45 Min. Verfügbar bis 15.09.2026 SWR

Darin mahnten die Wissenschaftler, dass es keinen zweiten Planeten gebe, auf den wir auswandern könnten, wenn wir den ersten zerstört hätten. Auch die Autoren der 1980 erschienen Umweltstudie "Global 2000", die im Auftrag des damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter entstand, plädierten für mehr Nachhaltigkeit. Zudem wiesen sie als erste auf die Klimaveränderungen hin.

In der Wirtschaft verhallten diese Appelle weitgehend ungehört. Lediglich im Zuge der sogenannten Ökobewegung entstanden erste nachhaltig wirtschaftende Unternehmen. Meist handelte es dabei jedoch um kleinere Handwerks- oder Landwirtschaftsbetriebe, die ihr Auskommen in einer Nische fanden.

Ein Pionier der Grünen Wirtschaft

Planet Wissen 02.06.2022 02:08 Min. Verfügbar bis 15.09.2026 SWR

An der breiten Masse der Unternehmen prallten die Forderungen nach einem Wirtschaften im Einklang mit Natur und Mensch hingegen ab. Oft wurden die frühen Nachhaltigkeitspioniere sogar belächelt. Zugunsten von Umwelt und sozialer Standards auf Profit zu verzichten, galt als zutiefst unprofessionell.

Die Wirtschaft macht sich auf den Weg

Inzwischen hat sich die Haltung der Wirtschaft deutlich verändert. Zwar gibt es noch immer Widerstände gegen ein nachhaltigeres Wirtschaften und manche Unternehmen betreiben lediglich Greenwashing, immer mehr Unternehmen arbeiten jedoch ernsthaft daran, ihren ökologischen und sozialen Fußabdruck zu verringern und klimaneutral zu werden.

So fordern die Mitglieder der deutschen Unternehmensstiftung "2 Grad – Unternehmer für den Klimaschutz" schon länger einen höheren CO2-Preis, damit es sich lohnt, die Produktion auf klimaneutralere Verfahren umzustellen. Auch über nachhaltige Produkte, neue Antriebe, Energiesparprogramme, soziales Mindeststandards, Firmenräder, E-Ladesäulen und vieles mehr versuchen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsbilanz zu verbessern.

Selbst die lange auf der Bremse stehende Grundstoffindustrie, zu der unter anderem die Stahl-, Chemie- und Zementhersteller gehören, hat sich die Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Für sie ist der Umstieg besonders schwer und teuer. So braucht es für die Stahlproduktion besonders hohe Temperaturen, die sich bislang nur erreichen ließen, wenn man Kohle verbrannte.

Ein Stahlwerk wird grün

Planet Wissen 02.06.2022 02:27 Min. Verfügbar bis 15.09.2026 SWR

Bei der Zementherstellung hat das Problem mit dem Hauptbestandteil zu tun. In dem Moment, in dem man in den Zementöfen Kalkstein zu Zementklinkern umwandelt, wird aufgrund der chemischen Reaktion massenhaft CO2 frei.

Während es nach wie vor schwer ist, den CO2-Ausstoß bei der Zementherstellung zu reduzieren, setzen die Stahlwerke auf grünen Wasserstoff als Energieträger. Außerdem experimentiert die Branche mit neuen Stahlarten. Dabei arbeiten die Unternehmen eng mit Universitäten und Forschungsinstituten zusammen. Weil der Aufbau und die Erprobung der Versuchsanlagen für die Unternehmen zu teurer sind, erhalten sie zusätzlich Geld von Bund und Ländern.

Die Finanzindustrie setzt die Wirtschaft unter Druck

Vorangetrieben wird die Nachhaltigkeit in der Wirtschaft zudem von der Finanzindustrie. Im Januar 2020 kündigte der Chef des weltweit größten Vermögensverwalters "Blackrock", Larry Fink, in seinem jährlichen Brief an die Konzernchefs an, Nachhaltigkeit und Klimabewusstsein zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Anlagepolitik zu machen.

Wertpapiere von Unternehmen, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellten wie beispielsweise die Kohleindustrie, werde Blackrock abstoßen. Unternehmen, die keine Nachhaltigkeitsberichte vorlegen könnten, würden zur Rechenschaft gezogen.

Blackrock ändert seine Geschäftspolitik

Planet Wissen 02.06.2022 01:07 Min. Verfügbar bis 15.09.2026 SWR

Auch zahlreiche andere Großanleger sowie Banken und Ratingagenturen fordern von Unternehmen zunehmend mehr Nachhaltigkeit ein. Der mächtige schwedische Staatsfond hat Konzerne, die einen Großteil ihres Gewinns mit der klimaschädlichen Kohle machen, schon länger aus seinem Portfolio verbannt.

Andere große Pensionsfonds, Institutionen und Städte haben ebenfalls de-investiert oder überlegen es zu tun. Die Deutsche Börse setzte ein Zeichen, indem sie im März 2020 einen Nachhaltigkeitsindex im Dax auflegte. Wer dort gelistet sein will, muss sich an die zehn Prinzipien des "UN Global Compacts" halten.

Dazu gehört unter anderem, dass sich Unternehmen nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen, dass sie Diskriminierung beseitigen und die Entwicklung umweltfreundlicher Techniken beschleunigen und verbreiten. Unternehmen, die umstrittene Waffen, Tabak, Kohle und Kernkraft produzieren oder militärische Verträge eingegangen sind, sind vom Nachhaltigkeits-Dax ausgeschlossen.

Die Verbraucher müssen mitziehen

Dabei hat die Finanzindustrie nicht nur das Wohl des Planeten und der Menschheit im Blick. Es geht ihr auch um den Profit. Angesichts des Pariser Klimaschutzabkommens, des Green Deals der EU und der weltweiten Klimaproteste sehen Vermögensverwalter, Banken und Ratingagenturen fehlende Nachhaltigkeit zunehmend als Geschäftsrisiko.

Wenn die Politik höhere Auflagen macht, den CO2-Preis anhebt oder Subventionen streicht, so ihre Überlegung, ist der Profit in Gefahr, möglicherweise platzen sogar Kredite und es entstehen Verluste. Zudem drohen nicht-nachhaltige Unternehmen unattraktiv für Arbeitnehmer und Kunden zu werden, was ebenfalls ein erheblicher Wettbewerbsnachteil ist.

Euro-Scheine liegen auf einer Unterlage, darauf befinden sich Würfel mit der Aufschrift 'Green New Deal'.

Die EU will bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral werden

Andererseits müssen Arbeitnehmer und Kunden mitziehen, wenn sie wollen, dass die Wirtschaft nachhaltig wird. Das gilt besonders für Produkte der Grundstoffindustrie. Experten gehen davon aus, dass sie in einer grünen Wirtschaft deutlich teurer werden. So könnte sich der Preis für eine Tonne durchaus verdoppeln. Das klingt allerdings dramatischer als es ist. Ein Auto würde so etwa 50 Euro teurer.

Auch der von der Wirtschaft vielfach angedrohte massenhafte Stellenverlust hält sich aus Sicht der Experten in Grenzen. Ganz ohne Arbeitsplatzabbau wird der Umstieg auf eine nachhaltigere Wirtschaft zwar nicht vonstattengehen, rein rechnerisch gleichen neu entstehende Stellen die Verluste aber bei weitem aus.

Bei der Grundstoffindustrie befürchten die Experten keinen Stellenabbau. Allerdings wird es Umschulungen und Fortbildungen geben. Andere Verfahren und Produkte brauchen andere Fähigkeiten und Kenntnisse.

Die Krux mit dem Wachstum

Noch offen ist, wie sich die Frage des Wachstumszwangs lösen lässt. Die moderne Wirtschaft ist darauf angelegt, stetig zu expandieren. Unternehmen müssen Kredite bedienen und neue Maschinen und Geräte anschaffen, in vielen Branchen herrscht ein starker Konkurrenzdruck und nicht zuletzt fordern Arbeitnehmer steigende Gehälter.

Außerdem sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland – Rente, Kranken- und Pflegeversicherung – eng mit dem Wirtschaftswachstum verknüpft. Allerdings gibt es auch hier die ersten Pioniere: Unternehmen, die versuchen wenig oder gar nicht zu wachsen. Wie in der Ökobewegung sind es wieder kleinere Handwerks-, Landwirtschafts- oder Industriebetriebe. Auch die Forschung zu dem Thema nimmt Fahrt auf.

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Quelle: SWR | Stand: 02.12.2020, 11:00 Uhr

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