Viele Flaggen wehen an der Copacabana in Rio, im Hintergrund der Zuckerhut

Klimawandel

Die Rio-Konferenz 1992

Rund 10.000 Politiker aus 172 Ländern reisten im Juni 1992 nach Rio de Janeiro. Sie alle nahmen teil an der "Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung", kurz Rio-Konferenz genannt.

Von Anna Berneiser

Globale Probleme, globale Lösungen?

1992 war der Kalte Krieg seit zwei Jahren vorbei. Damit wurden die Chancen für eine Zusammenarbeit der einzelnen Nationen besser. Aufbruchstimmung machte sich breit.

Neu war auch, dass Lösungsstrategien für Umwelt- und Entwicklungsprobleme nicht nur auf nationaler, sondern auf globaler Ebene entwickelt werden sollten.

Zentrale Herausforderung der Entwicklungspolitik war dabei die Bekämpfung von Armut. Denn existenzielle Armut bringt viele Folgeprobleme mit sich: Wer zu wenig Geld hat, kann sich nicht genügend Nahrungsmittel kaufen, kann seine Kinder nicht zur Schule schicken oder hat keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.

In solchen Situationen nehmen Menschen nicht nur gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen in Kauf, auch der Schutz der Umwelt ist dann meist nachrangig. Umweltschutz funktioniert also nur in Verbindung mit Entwicklungspolitik.

Politiker stehen in mehreren Reihen auf einem Podest und werden von Journalisten fotografiert.

Politiker aus 172 Ländern reisten 1992 zur Konferenz in Rio de Janeiro

 Konsum und Verantwortung

Oft sind die Bewohner in den Industrieländern an den schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern beteiligt. Denn in einer globalisierten Welt mit weltweitem Handel können sich Konsumverhalten und Kaufentscheidungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in fremden Ländern oder gar auf anderen Kontinenten auswirken.

Ein Beispiel ist die Produktion von Textilien: Damit Hosen, Jacken oder Pullis möglichst billig in den Läden der westlichen Welt verkauft werden können, müssen die Fabrikarbeiter in den Produktionsländern schuften, manchmal unter schlimmen Bedingungen. Die Löhne reichen dabei kaum zum Überleben.

Aber der Konsum in den Industriestaaten hat auch ökologische Folgen. So werden große Regenwaldflächen gerodet, die Tropenhölzer exportiert und zu Möbeln oder Papier verarbeitet.

Damit wird der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich zerstört. Wie zum Beispiel der Orang-Utan sind sie dann vom Aussterben bedroht.

Bei der Rio-Konferenz erkannten die Industriestaaten zum ersten Mal an, dass sie eine größere Verantwortung für die weltweite Umweltzerstörung und den Raubbau der natürlichen Ressourcen tragen als die Entwicklungsländer – und dementsprechend auch mehr dafür tun müssten, um diese Missstände zu ändern. 

In einer Fabrik in Dhaka in Bangladesch sitzen Menschen an Nähmaschinen.

Die Mode für Europa entsteht oft unter schlechten Arbeitsbedingungen und Löhnen

Der Mensch lebt über seine Verhältnisse

Anfang der 1990er-Jahre gehörten neben der Abholzung der Regenwälder und dem Aussterben von Tier- und Pflanzenarten das wachsende Ozonloch und der Klimawandel zu den dringendsten ökologischen Problemen.

Bereits 20 Jahre zuvor, 1972, hatte der Club of Rome, ein gemeinnütziger Zusammenschluss internationaler Wissenschaftler, die Studie "Das Ende des Wachstums" veröffentlicht. Darin wurde zum ersten Mal davor gewarnt, dass der Mensch ökologisch gesehen über seine Verhältnisse lebt.

Zukünftige Generationen müssten dafür bezahlen, wenn das Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Umweltzerstörung langfristig das Ökosystem unseres Planeten zerstören – und damit auch die Lebensgrundlage der Menschen. Insbesondere das Versiegen der Erdöl-Vorräte würde die Weltwirtschaft einbrechen lassen und so nicht nur zum Absinken des Lebensstandards in den Industrienationen führen, sondern auch die Armut und den Hunger in den ärmeren Ländern drastisch ansteigen lassen.

Die Zeit zu handeln drängte also. Denn dieses Szenario werde nicht erst in ferner Zukunft, sondern bereits innerhalb der nächsten fünfzig bis hundert Jahre eintreten, prognostizierten die Wissenschaftler.

Die Rio-Konferenz sollte genau das verhindern. Man erhoffte sich sogar "höhere Lebensstandards für alle, besser geschützte und bewirtschaftete Ökosysteme und eine sichere Zukunft in größerem Wohlstand".

Wasserdampfschwaden aus einem Braunkohlekraftwerk.

Schon 1972 gab es Warnungen, dass die Menschheit über ihre Verhältnisse lebt

Nachhaltiges Wirtschaften im Interesse künftiger Generationen

Insgesamt vier Dokumente verabschiedeten die Delegierten in Rio 1992schließlich nach intensiven Verhandlungen. Eines davon war die "Agenda 21", die Nachhaltigkeit als Grundlage der gesamten Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik festlegt.

Ursprünglich kommt der Begriff aus der Forstwirtschaft und besagt, dass nicht mehr Bäume gefällt werden dürfen als nachwachsen. Ähnlich verhält es sich beim Fischfang. Um den Bestand gefährdeter Arten wie den Kabeljau zu schützen, dürfen Fischer nicht so viel Fisch fangen wie sie eigentlich könnten. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen müssen somit zurückstehen aufgrund des langfristigen ökologischen Schadens, der ansonsten entstehen würde.

Nachhaltige Politik bedeutet, dass Regierungen bei ihren Entscheidungen nicht nur die heutige Bevölkerung im Blick haben dürfen, sondern auch künftige Generationen und deren Bedürfnisse mitberücksichtigen müssen.

Auch sollten Frauen und Jugendliche stärker in alle gesellschaftlichen Vorgänge mit einbezogen werden. Denn sie werden oft benachteiligt, weil sie in politischen Entscheidungsgremien unterrepräsentiert sind und ihre Stimmen dementsprechend nicht gehört werden.

Dabei ist heute die Hälfte aller Menschen unter 25 Jahre alt. Gerade Frauen spielen in der Entwicklungspolitik eine wichtige Rolle. Untersuchungen haben gezeigt, dass sie eher als Männer ihr eigenes Einkommen in die Gesundheit und Bildung ihrer Kinder investieren, um ihnen so eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie tragen häufig die Verantwortung für das Überleben der Familien.

Fischer entleeren ein Fangnetz voller Fische

Nachhaltiges Wirtschaften soll die Meere vor Überfischung schützen

"Lokale Agenda 21" – Ziele auf kommunaler Ebene

Die "Lokale Agenda 21" sollte das Gleiche auf kommunaler Ebene verfolgen, also in den Gemeinden und Städten, und so die Ziele von Rio in die breite Bevölkerung tragen.

In Deutschland waren es in den folgenden Jahren oft Bürgerinitiativen oder lokale Umweltgruppen, die gemeinsam mit der Kommunalverwaltung Projekte ins Rollen brachten: Sie setzten sich zum Beispiel für bessere Gebäudedämmung ein, um Energie zu sparen. Um das Grundwasser zu schützen, sollten in der Landwirtschaft weniger Düngemittel eingesetzt werden.

Radwege wurden ausgebaut, damit mehr Menschen mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fahren. Oder Städte wurden zu "Fair Trade Towns": Sie verpflichteten sich, für Kantinen oder das Rathaus fair gehandelte Produkte zu kaufen, und setzten sich dafür ein, dass möglichst viele Läden und Gastronomen es ihnen gleichtaten.

In Deutschland waren Saarbrücken, Neuss und Dortmund die ersten "Fair Trade Towns". Mittlerweile haben sich mehr als 700 Städte der Initiative angeschlossen. Die lokale Agenda 21 brachte die Rio-Konferenz vor die eigene Haustür.

Fairtrade-Siegel an schwarzem T-Shirt

Fairer Handel mit Produkten aus Entwicklungsländern

Schutz von Klima, Wald, Tier- und Pflanzenarten

Neben der Agenda 21 wurden von den Delegierten drei weitere Dokumente verabschiedet: Die Artenschutz-Konvention sollte das weltweite Artensterben stoppen und den Lebensraum bedrohter Tier- und Pflanzenarten schützen.

Wälder sind solche Lebensräume, aber sie haben auch noch eine weitere Funktion für unser Ökosystem. Da die Bäume bei der Fotosynthese CO2 binden und Sauerstoff produzieren, sind sie wichtig für unser Klima. Die Walddeklaration zielte auf eine ökologische und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder, durch die sie langfristig erhalten und geschützt werden sollen. Ein völkerrechtlich bindendes Abkommen, das über diese reine Absichtsbekundung hinausgegangen wäre, scheiterte jedoch am Widerstand der Entwicklungsländer.

Mit der Klimarahmenkonvention sollte der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen begrenzt werden. Treibhausgase wie zum Beispiel Kohlendioxid (CO2), das bei der Verbrennung fossiler Energien wie Kohle oder Erdgas freigesetzt wird, sind für die Erderwärmung verantwortlich. Ziel der Konvention war es, diese zu stoppen oder aber zumindest so zu verlangsamen, dass sich die Ökosysteme den Klimaänderungen anpassen können.

Als Meilenstein in der Umsetzung der Klimarahmenkonvention gilt das Kyoto-Protokoll, das 1997 verabschiedet wurde. Darin verpflichteten sich die Industrieländer erstmalig zu einer Verringerung ihres CO2-Ausstoßes. Da sich jedoch unter anderem die USA weigerten, das Kyoto-Protokoll rechtskräftig zu bestätigen ("ratifizieren"), konnte es erst 2005 in Kraft treten.

Blauer Moorfrosch.

Artenschutz als wichtiges Thema: Ein Drittel aller Froscharten ist vom Aussterben bedroht

Zwanzig Jahre danach

Nach 1992 gab es drei Folgekonferenzen, die auf den Ergebnissen von Rio aufbauen und die internationalen Bemühungen um eine nachhaltige Umweltpolitik weiter vorantreiben sollten. Außerdem sollte überprüft werden, in wieweit die ehrgeizigen umweltpolitischen Ziele tatsächlich umgesetzt worden waren.

"Rio +5" fand 1997 in New York statt, "Rio +10" im Jahr 2002 in Johannesburg. Und für "Rio +20" kehrten die Teilnehmenden 2012 symbolträchtig wieder an den Ort der ersten Konferenz zurück, nach Rio de Janeiro.

Auch wenn die Rio-Konferenz 1992 insgesamt ein Umdenken in der Politik bewirkt hat, sind viele Ziele nicht erreicht worden. Das Artensterben konnte genauso wenig gestoppt werden wie die Zerstörung der Regenwälder. Der weltweite CO2-Ausstoß ist seit 1990 weiterhin gestiegen, mit deutlichen Folgen für das Klima: Die Jahre von 2001 bis 2010 waren das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.

Immerhin führte das Verbot des Treibhausgases FCKW dazu, dass das Ozonloch nicht weiter wächst und sich voraussichtlich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wieder schließen wird.

Auch die Ergebnisse von "Rio +20" wurden von Nichtregierungsorganisationen scharf kritisiert. Die teilnehmenden Länder konnten sich auf keine verbindliche Vereinbarung einigen, um Armut, Hunger oder den Klimawandel zu bekämpfen. Besonders die Schwellenländer fürchteten, dass strengere Umweltschutzvorgaben ihr Wirtschaftswachstum bremsen könnte.

Allgemein wurde deutlich, dass Regierungen angesichts der Finanzkrise wieder verstärkt auf kurzfristiges Krisenmanagement anstatt auf nachhaltige Politik setzen – ein Rückfall in die Zeiten vor Rio 1992.

Zwei Politiker sitzen an einem Tisch bei der UN-Konferenz in Rio 2012.

20 Jahre nach der ersten Konferenz traf man sich 2012 wieder in Rio

(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 13.09.2021)

Quelle: WDR

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