Sizilien – die größte Insel des Mittelmeers

Planet Wissen 04.04.2024 02:36 Min. UT Verfügbar bis 13.03.2028 WDR

Sizilien

Sizilien heute

Die größte Insel des Mittelmeers hat mit zahlreichen Strukturproblemen zu kämpfen. Einige von ihnen sind hausgemacht, andere dagegen historisch bedingt.

Von Tobias Aufmkolk

Wer nur für ein paar Wochen Urlaub auf Sizilien macht, wird begeistert sein von der vielfältigen Natur und Kultur der Insel. Erst auf den zweiten Blick – wenn überhaupt – werden die Probleme sichtbar: die zum Teil stark verfallenen Bauwerke, die hohe Arbeitslosigkeit, die Entvölkerung des ländlichen Raums oder die Korruption, die alle Gesellschaftsschichten durchdringt.

Die Region Sizilien

Mit knapp über 25.000 Quadratkilometern Fläche ist Sizilien nicht nur die größte Insel des Mittelmeerraums. Sie ist auch die größte der 20 Regionen Italiens. Vom Festland ist die Insel durch die drei Kilometer breite Meerenge der Straße von Messina getrennt. Die Küste Afrikas ist nur 140 Kilometer entfernt.

Gut fünf Millionen Einwohner machen Sizilien zu einer der am dichtesten besiedelten Gegenden des Mittelmeerraums, was für eine Insel recht ungewöhnlich ist. Auch in Italien liegt Sizilien in der Bevölkerungsdichte weit vorne.

Der Großteil der Einwohner konzentriert sich auf die gut ausgebauten Küstenbereiche. Allein in Palermo und seinen angrenzenden Vorstädten leben mehr als eine Million Menschen. Das weite Landesinnere ist dagegen nur dünn besiedelt.

Sizilien besteht zu 90 Prozent aus Hügelland und Gebirgen. Neben dem Ätna, dem höchsten aktiven Vulkan Europas, besitzt die Insel noch zahlreiche weitere Gebirge, die bis an eine Höhe von 2000 Meter reichen.

Ebenen sind Mangelware auf Sizilien – ebenso wie natürliche Seen und Flüsse. Die Küstenbereiche sind zumeist stark zerklüftet, nur im Süden und Westen gibt es eine größere Anzahl von ausgedehnten Sandstränden.

Blick von einem Hügel auf die Stadt und den Hafen von Palermo.

Palermo – pulsierende Hauptstadt Siziliens

Lahmende Wirtschaft

Sizilien ist noch immer zum Großteil von der Landwirtschaft geprägt. Etwa 11 Prozent der Beschäftigten, mehr als doppelt so viele wie im restlichen Italien, arbeiten auf den Gemüse- und Obstplantagen oder den Weizenfeldern der Insel. In den Küstenbereichen dominieren arbeitsintensive Gemüse-, Obst- und Olivenkulturen, auch der Großteil des sizilianischen Weins wird hier angebaut.

Der Fischfang spielt nach wie vor eine bedeutende Rolle, auch wenn die Arbeit aufgrund schwindender Fischbestände immer weniger Erträge bringt.

Das Landesinnere ist dagegen durchzogen von ausgedehnten Weizenfeldern. Bis heute ist Sizilien die "Kornkammer der Nation". Da für den Weizenanbau große, zusammenhängende Flächen benötigt werden, ist der Großgrundbesitz auf Sizilien immer noch vorherrschend.

Eine Bodenreform in den 1950er-Jahren brachte nicht den erwünschten Erfolg zugunsten der Kleinbauern. Viele mussten ihre Parzellen nach kurzer Zeit wieder an die Großgrundbesitzer verkaufen. Somit ist auf Sizilien der Großteil des Landes in der Hand weniger Besitzer.

Industrialisierung auf Sizilien

Planet Wissen 04.04.2024 02:00 Min. UT Verfügbar bis 31.03.2028 WDR

Ab den 1950er-Jahren pumpte der italienische Staat Unmengen an Geld über die "Cassa per il Mezzogiorno", einer Art Entwicklungshilfebank für die südlichen Regionen, in industrielle Ansiedlungen auf Sizilien. Damit sollte der Abwanderungstrend gestoppt und ein Großteil der Bevölkerung in Lohn und Brot gebracht werden.

Es entstanden vor allem gigantische Anlagen der Chemie und Petrochemie, die allerdings nicht die gewünschten Arbeitsplätze brachten. Außer spezialisierten Facharbeitern, die häufig auch noch vom Festland kommen, arbeiten nur wenige Sizilianer in diesen Werken.

Die Arbeitslosenquote liegt auf Sizilien seit Jahrzehnten konstant über 20 Prozent. Dazu kommen noch Tausende von Tagelöhnern, die nur saisonal in der Landwirtschaft Arbeit finden, aber aus den Arbeitslosenstatistiken herausfallen und häufig am Rande oder unterhalb des Existenzminimums leben.

Zwei kleine Mädchen sitzen auf einer Vespa in einem heruntergekommenen Hinterhof von Palermo.

Welche Perspektiven haben die beiden?

Fehlende Perspektiven

"Chi n'esce rinasce", "Wer weggeht, wird wiedergeboren", so lautet ein sizilianisches Sprichwort, das die Situation der Insel am besten beschreibt. Arbeitsplatzmangel und fehlende Perspektiven machten Sizilien schon im 19. Jahrhundert zur klassischen Abwanderungsregion. Fast drei Viertel aller in den USA lebenden Italiener sind sizilianischen Ursprungs.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Abwanderungstrend nicht gestoppt werden. Allein zwischen 1950 und 1970 wanderten mehr als eine Million Sizilianer ins Ausland ab. Selbst heute noch suchen viele junge Leute ihr Glück auf dem Festland oder im benachbarten Ausland. Die Perspektiven auf Sizilien sind nach wie vor niederschmetternd.

Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist gerade mal halb so hoch wie das der norditalienischen Regionen. Bei Jugendlichen wie bei Hochschulabsolventen erreicht die Arbeitslosigkeit schwindelerregende Höhen.

Dazu kommen noch die vielen illegalen Einwanderer aus Nordafrika, die ohne Papiere auf den Feldern der Großgrundbesitzer arbeiten. Nur wenige Sizilianer, die ihr Geld im Ausland verdienen, kommen vor dem Rentenalter zurück auf ihre geliebte Insel.

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 22.06.2021)

Quelle: WDR

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